Die exponentiell angestiegenen Corona-Fallzahlen machen sich auch am sonst florierenden «Place to be» der Solothurner*innen bemerkbar. Statt dem schallenden Gelächter spätabends am «Aaremürli», stösst man auf gähnende Leere. Was bedeutet das für die Gastronomie? Tize fragt nach, mit welchen Folgen die Solothurner Bevölkerung zurzeit rechnet.

Ende Oktober verabschiedete der Kanton Solothurn weitere Massnahmen, um der Ausbreitung des Coronavirus entgegenzuwirken. Gerade die Gastronomie musste erneut mit Einschränkungen rechnen.

Innerhalb der einzelnen Bars sind noch vier Personen an einem Tisch zugelassen, die Konsumation von Getränken ist nur im Sitzen erlaubt und es gilt Maskenpflicht in allen Lokalen. Schliessungszeit ist um 23 Uhr. Um auch wirklich alle Besucher bis zur Sperrstunde vor geschlossener Tür zu haben, wird schon kurz nach 22 Uhr die letzte Runde angekündigt. Denn die Restriktionen sind hart, sollte sich nach der Schliessung noch ein Gast in einem Lokal aufhalten. Securitas und Stadtpolizist*innen patrouillieren vor den einst lebigen Bars und schicken diejenigen fort, die sich nicht an die Spielregeln der Stadt halten.

Somit ist es den Besuchern des Aaremürlis auch nicht mehr erlaubt, beim Vorbeigehen stehen zu bleiben und alte Freunde zu begrüssen. Vorbeigehen oder Sitzenbleiben – das ist die «neue Normalität» und für die Solothurnische Bevölkerung alles andere als gewohnt.

Die Strassen sind leergefegt. Welche Folgen hat das Ausbleiben der Kundschaft?

Nichts mehr von «s’ isch immer eso gsih»

Der Rückgang der Besucherzahlen an der Barmeile ist stark zu spüren. Nach Feierabend oder an Freitag- und Samstagabenden wirken die Gassen wie leergefegt. Ein spezielles Bild, wenn man die Kleinstadt noch anders gekannt hatte. Vor der neuen Normalität platzte das kleine Aaremürli gerade am Wochenende aus allen Nähten. Die angespannte Stimmung, seitens Gastronomiebetreiber*innen und Gästen ist deutlich spürbar. «S’ isch immer eso gsih», lautet eigentlich das allseits bekannte Solothurner Motto, doch gerade am Aaremürli ist nichts mehr so, wie es einmal war.

Wie die Nacht plötzlich zum Tag wurde

«Die Geselligkeit fehlt mir sehr. Seit den strikteren Massnahmen bleibe ich eher zuhause, als in eine Bar zu gehen. Irgendwie fühlt man sich sofort unwohl, denn anstecken kann man sich überall und man unternimmt eben alles, um die Ausbreitung des Virus zu bremsen», antwortet ein Interviewter auf die Frage, ob er das Aaremürli überhaupt noch besuche. Wie ihm ergeht es vielen Ausgangsfreudigen. «Vorher war es noch möglich am Mürli stehend zu konsumieren, so ist man auf alte Bekanntschaften gestossen, die man sonst eher selten sieht. Mit der neuen Vierpersonenregel und der Sitzpflicht ist das nicht mehr möglich.» Allgemein empfinden es die Befragten als schade, nicht mehr so viele Leute zu sehen, wie noch im Sommer. Mit den Massnahmen habe sich auch das Ausgangsverhalten verändert, wie ein Befragter erklärt. «Ich bleibe seither am Abend zuhause, gehe dafür schon nachmittags am Mürli vorbei, um meine Freunde trotzdem sehen zu können. Für mich wurde das Ausgangsverhalten von der Nacht zum Tag, das hat auch positive Seiten, gerade wenn im Winter noch einigermassen schönes Wetter herrscht.»

«Am Mürli wird mein Herz manchmal richtig erwärmt, doch dieses Gefühl bleibt mittlerweile aus.»

«Das Mürli war für mich immer der Ort, an dem ich einfach geniessen und sein konnte. Es ist der Ort, den man mit Freunden und Bekannten besucht um zu reden, zu trinken und Spass zu haben. Am Mürli wird mein Herz manchmal richtig erwärmt, doch dieses Gefühl bleibt mittlerweile aus», antwortet eine Ausgängerin. Auf die Frage hin, ob sich auch etwas an der Stimmung am Ausgangsort geändert hat, antworteten die an der Umfrage Teilnehmenden: «Bei den Gästen nehme ich nicht wirklich eine Veränderung wahr. Alle halten sich ohne zu reklamieren an die Massnahmen, jedenfalls die, die ich beobachte. Ich denke hier ist man einfach froh darüber, keinen zweiten Lockdown zu haben.» Anders wird hingegen das Barpersonal wahrgenommen. «Seit Ende Oktober wirken manche Mitarbeiter*innen der Bars angespannt und gestresst», erklären Manche ihre Wahrnehmung.

Klar ist, dass auch die Arbeit für die Gastrobetreiber*innen nicht mehr dieselbe ist. Um das Bild der Lage noch etwas genauer abzubilden, hat Tize.ch den stellvertretenden Chef der Solothurner Barock Bar «Pädu» zur Situation befragt:

Pädu, wie war für dich die Situation im Lockdown?

«Nicht einfach», antwortet Pädu. «Wir mussten mit einem 80% Gehalt leben und auf das gesamte Trinkgeld verzichten, da gehen schon einige Tausend Franken flöhten.» Doch die Bars wurden erfinderisch. Um dem finanziellen Schaden etwas entgegenzuwirken, bot die Barock Bar einen Abhol- und Lieferservice von Cocktails an. «Das kam bei den «Mürligängern» sehr gut an, das Angebot wurde genutzt.»

Nach dem Lockdown wurden die Massnahmen relativ schnell wieder gelockert. Wie hast du die Stimmung bei den Gästen wahrgenommen?

Pädu nahm im Sommer eine gewisse «Corona-Müdigkeit» wahr. «Die Leute umarmten sich wieder und besuchten uns teilweise in Massen. Da die Fallzahlen niedriger waren, wurde die Pandemie lockerer genommen. Förderlich war das sicherlich nicht, das sehen wir ja jetzt im Winter an den plötzlich gestiegenen Corona-Fällen.» Trotzdem war Pädu froh, die Bar wieder öffnen zu können. «Wir haben bemerkt, wie sehr es die Gäste vermisst haben, am Mürli zu verweilen», fügt er an.

«Jetzt hingegen merkt man wieder, dass die Lage ernst ist. Die Besucherzahlen gehen Woche für Woche stark zurück, es wird eben auch kälter und die Lust, draussen zu sitzen, schwindet langsam.»

Wie prekär wäre die Situation für euch als Gastrounternehmen, wenn es zu einem zweiten Lockdown kommen würde?

«Dazu muss ich sagen, dass ich die Auflagen von der Seite des Chefs der Bar nicht kenne, sollte dieser Fall wieder eintreffen. Wir und andere Bars sind auf Kurzarbeit angemeldet. Die Situation ist momentan für alle im Gastrobereich sehr schwer einzuschätzen.»

Pädu befürchtet aber, dass in Solothurn bei einem zweiten Lockdown einige Barbetriebe für immer ihre Türen schliessen müssten. «Das ist so meine Befürchtung. Trotzdem gilt es aber jeden Tag die positiven Seiten zu sehen und den Bedürfnissen der Kundschaft so gut es geht nachzukommen», merkt Pädu lächelnd an. «Zusammen schaffen wir das.»

Das Bundesamt für Gesundheit meldete übers Wochenende mehr als 8000 Neuinfektionen mit dem Coronavirus. Nach dem SRF ist der Trend derzeit mit -15% rückläufig.


Tize Redakteur Cyrill Pürro dankt allen Befragten für ihre Einschätzung der Lage und wünscht vor allem den Gastrobetreiber*innen alles Gute für die Zukunft.

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