Ich schaue auf die Uhr und bemerke, dass ich in zwei Minuten dringend aus dem Haus müsste, bin jedoch noch mitten in einer Telefonkonversation. Bisher ist noch kein Ende in Sicht und wenn ich meine Gesprächspartnerin nicht gleich abwürgen will, muss ich jetzt sofort ein Ende einleiten. Ob zwei Minuten dafür reichen werden ist jedoch unvorhersehbar, schliesslich enden Telefonate oftmals nicht einfach. Zuerst werden noch zig «also» «na dann» und «okay» Wörtchen ausgetauscht, bis endlich aufgelegt werden kann. 
Aber warum enden (oder eben nicht) private Telefongespräche eigentlich oft auf diese Weise?

Telefonate sind nicht die einfachsten Konversationen. Es gibt Menschen, denen sind Telefonate regelrecht zuwider. Dies hat jedoch auch seine Gründe, da uns bei Telefongesprächen nämlich die visuelle Komponente fehlt, um unsere Gesprächspartnerin oder unseren Gesprächspartner richtig einschätzen können. Wenn wir nicht sehen, wie jemand mit Gestik, Körpersprache oder Gesichtsausdrücken darauf reagiert, was wir sagen, ist es automatisch schwieriger, eine unmissverständliche Konversation zu führen. 

Kehren wir zu der Situation zurück, die einleitend geschildert wurde. Ich sollte dringend weg, bin jedoch noch in ein Telefongespräch verwickelt. Natürlich könnte ich der Person am anderen Ende der Leitung einfach ins Wort fallen und sagen, ich müsse gehen. Oftmals tun wir das aber nicht, da wir uns bei Telefonaten nicht sicher sein können, was das für eine Wirkung haben wird, da wir die Reaktion nicht sehen können. Die meisten Menschen entschliessen sich also höflich zu sein und tasten sich vorsichtig an ein sanftes Ende heran. Doch bevor das Telefon schlussendlich aufgelegt werden kann, müssen noch einige Dinge geschehen. Die Sprachwissenschaft hat sich bereits öfters mit diesem Phänomen befasst, weswegen ich mich in den folgenden Erklärungen an die Ausführungen der Linguistin Deborah Cameron aus dem Jahre 2000 anlehne. 

Konversationen, die übers Telefon geführt werden, werden nicht aus dem nichts beendet. Wie bereits erwähnt, muss ein Ende erst eingeleitet werden. Dies geschieht dadurch dass die Person, welche das Telefonat gerne enden lassen würde, erstmal signalisieren muss, dass für sie alles gesagt ist. Wenn ich an meine eigenen Telefonate denke, dann fällt mir auf, dass ich dies oftmals mit «auso» oder «demfau» mache. Für ein wirkliches Ende der Konversation reicht dies aber noch nicht, denn wir müssen erst noch den Ball der Gesprächspartnerin oder dem Gesprächspartner zuspielen. Erst wenn von dieser Seite der Leitung auch keine neuen Inputs mehr für unser Gespräch kommen, können wir die wirkliche Schlussphase des Telefonats einleiten. 

Dieses Ball hin und her spielen und sicherstellen, dass alle alles gesagt haben ist deswegen wichtig, weil wir einander eben nur hören und dem Gegenüber nicht ansehen können, ob es noch etwas zum Gespräch beitragen möchte. Ist diese «Pre-Closing» Phase jedoch beendet, kommen schlussendlich dann doch noch die erwarteten Verabschiedungen. Doch auch das auf Wiedersehen sagen ist meist nicht nur eine Sache von zwei Sekunden. Oftmals verabschieden sich beide Sprechenden mehr als einmal, bis es jemand von beiden dann schlussendlich angemessen findet, tatsächlich aufzulegen. 

Solche sprachlichen Muster sind Teil unseres normalen Alltags, doch oftmals fallen sie uns gar nicht so richtig auf oder aber es fällt einfach schwer zu beschreiben, was genau eigentlich passiert. Die Sprachwissenschaft greift uns in diesem Falle jedoch unter die Arme, da sie solche Strukturen genauer unter die Lupe nimmt und Erklärungen finden kann, wieso wir uns beim Sprechen so verhalten, wie wir es meist unbewusst tun. 

Geschrieben von:

"Write it. Shoot it. Publish it. Crochet it. Sauté it. Whatever, Make!" - Joss Whedon

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