Yanik Wermuth ist erst 18 Jahre alt, will aber für die Jungen Grünen in den Nationalrat. Trotz Widerstand von älteren und bürgerlichen Kreisen: Nach einem Interview mit dem Blick sprachen sich Kritiker aufgrund seines noch jungen Alters gegen seine Kandidatur aus, in der Kommentarspalte des Artikels befinden sich einige Bemerkungen, die unter die Gürtellinie gehen. Trotzdem lässt sich der junge Berner nicht davon aufhalten. Denn: Für ihn sind mehr jugendliche Stimmen im National- sowie Ständerat wichtig.

Vor Kurzem 18 Jahre alt geworden und schon das Ziel, im Nationalrat mitzumischen: Yanik Wermuth gehört zu den jüngsten Nationalratskandidaten. Dabei ist er erst seit einem Jahr wirklich politisch aktiv, ist aber schon im Vorstand der Jungen Grünen. Politisch aktiv wurde er dank verschiedenen Faktoren. Einerseits durch seinen Grossvater, Alt-SP-Gemeinderat, der ihm immer einiges zu erzählen hatte. Andererseits durch die verheerende Katastrophe von Fukushima. Durch diese begann er, sich verstärkt mit Atomkraftwerken und ihren negativen Auswirkungen zu befassen. Ausschlaggebend war jedoch der Austritt aus seinem ehemaligen Unihockeyteam. Dieser erfolgte aufgrund der negativen Reaktionen innerhalb des Teams auf seine Homosexualität. Stattdessen trainiert er nun das Frauenunihockeyteam der 1. Liga Burgdorf. Deswegen sind, neben dem Klimaschutz, Feminismus und die Rechte der LGBTQI+-Community seine Kernthemen.

Du kandidierst bei den diesjährigen Nationalratswahlen in Bern für die Jungen Grünen auf Listenplatz 10. Räumst du dir grosse Chancen ein?

Wahrheitsgetreu muss ich zugeben, dass ich grundsätzlich nicht so grosse Chancen habe, gewählt zu werden. Jede Stimme für mich ist aber auch eine Stimme für die Grünen. Wenn man sich die Listenverbindungen anschaut, dann würde ich, wenn es so herauskommt, zur SP gehen. Das hoffe ich aber nicht.

Denkst du, dass deine Kandidatur etwas bewirkt hat, selbst wenn du nicht gewählt werden würdest?

Ja, ich habe sehr viel Aufruhr gemacht, zum Beispiel auf den Blick bezogen. Es zeigt sicher, dass die Parteien jung fahren können. Wir sind eine der jüngsten und frauentechnisch am besten bestückteste Liste. Hier kann man die Parteimoral sehen.

Bei den Klimastreiks warst du immer mit dabei. Findest du, dass die „Fridays for Future“-Bewegung in der Schweiz politisch etwas bewegen konnte?

Es ist ja eigentlich effektiv der Fall, dass die Klimastreiks auf die Medien einen recht grossen Impact hatte. Im negativen, wie auch im positiven Sinn. Im negativen Sinn eher von den Rechten aus, die sagen «Das ist verschwendete Schulzeit». Was für mich einfach nur Dagegen-Argumentieren ist. Solange wir noch eine lebenswerte Welt haben, sollten wir doch bitte schauen, dass wir diese instand halten können. Wenn diese Welt kaputt ist, dann können wir auch nicht mehr in die Schule gehen. Schachmatt, SVP.

Welche konkreten Lösungsansätze verfolgen die Jungen Grünen in der Klimapolitik?

Die konkreten Massnahmen, die die Jungen Grünen vorschlagen, sind bis 2030 Netto-Null. Ich weiss, dass das ein relativ radikaler Ansatz ist. Wir wissen von der Wissenschaft, die die SVP leugnet, dass, wenn wir so weitermachen, es in zehn bis fünfzehn Jahren bergab geht. Deshalb muss man radikal denken, radikal verändern und radikal die Gesellschaft umändern. Das ist nur mit radikalen Zielen möglich.

Die Jungen Grünen agieren laut Wermuth etwas linker, grüner und radikaler. Sie setzen die Ziele der Grünen höher: Die Grünen wollen Stimmrechtsalter 16, die Jungen 14. Die Grünen möchten bis 2050 auf Netto-Null kommen, die Jungen bereits 2030. Trotzdem sind sich Jung- und Mutterpartei in vielen Themen einig. Die Jungen Grünen und die Gründen seien die Parteien, die am besten zusammen funktionieren würden. Bei den Wahlen haben sie sehr stark miteinander gearbeitet. Die Jungen haben auch bei den Grünen selber viel zu sagen: So befindet sich ein Vorstandsmitglied der Jungen Grünen auch im Vorstand der Grünen. «So wie ich es wahrnehme, haben wir ein sehr gutes Bündnis mit den Grünen», meint er.

Der Grünen Partei wird von bürgerlichen Seiten öfters vorgeworfen, dass sie statt Anreize nur Verbote schaffen möchte- und somit die Bevölkerung in ihrer Freiheit einschränkt. Wie viel ist an diesem Vorwurf dran?

Ich finde den Vorwurf zwar verständnisvoll, wenn man ihn von rechter Seite her betrachtet, aber nicht verständnisvoll, wenn man ihn von ökonomischer Seite anschaut. Es ist keine Verbotspolitik. Bezogen auf die Flugticketabgabe: Man bekommt ja über die AHV und Krankenkasse sehr viel zurück. Der Rest geht in einen Fond, den man dann in die Forschung investieren kann. Das ist ja das, was die Bürgerlichen eigentlich wollen. Dort sehe ich schon einmal ein kleines Problem. Wenn man es nicht jetzt macht, dann werden wir das Pariser Klimaabkommen nicht einhalten können. Unserer Welt wird es auch nicht besser gehen, wenn wir sagen»Oh nein, Verbotspolitik». Wer ist lustigerweise die Partei, die im Kanton Tessin ein Burkaverbot durchgebracht hat? Deswegen sollte man von bürgerlicher Seite nicht von Verboten reden.

Leben alle Grünen-Politiker zu 100% klimaneutral? Ist es für unser Klima nötig, dass wir uns alle vegan ernähren und nicht mehr Auto fahren?

Ich bin kein Klimawissenschaftler, das muss man sagen. Deshalb sind alle Aussagen nur rein theoretisch. Es ist natürlich nicht so, dass alle Grünen-Politiker klimaneutral leben. Man kann nicht zu 100% klimaneutral sein, das ist faktisch unmöglich. Und das vor allem in der Gesellschaft, in der wir leben. Da ist jedes Nahrungsmittel in Plastik verpackt und der Weg, der dieses Nahrungsmittel macht, ist sehr lang. Es ist sicher nicht notwendig, dass jeder Mensch vegan lebt. Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich für unsere Zukunft gerne sehen, dass sich alle vegan ernähren. Ich finde den Fleischkonsum nämlich den grössten Mist: Er nimmt erstens mal unglaublich viel Platz weg und zweitens ist er absolut unmoralisch. Deswegen ernähre ich mich vegetarisch. Zum Auto fahren kann ich sagen, dass das nicht der grösste CO₂-Ausstosser ist. Wenn man den Autoverkehr reduzieren würde, und mit reduzieren meine ich, das Strassennetz nicht mehr weiter ausbauen, sondern nur noch instand halten und Anreize für Elektroautos zu schaffen, dann wäre es bestimmt nicht schlecht, weiter auf dieser Linie zu fahren. Es gibt Batterien, die recht viel Energie verbrauchen und CO₂ ausstossen. Dort gibt es aber sicher Möglichkeiten, um noch weiter zu forschen. Grundsätzlich sollte man von den Autos zum ÖV wechseln. Das sagen die Grünen, die Jungen Grünen und sogar die GLP, die für die Jungen Grünen manchmal sogar Mitte-Rechts sind. Deshalb würde ich schauen, dass ein Wechsel von Auto zu öffentlichen Verkehrsmitteln erfolgt oder man die Autos so macht, dass sie fast klimaneutral sind.

Im Blick ist vor kurzem ein Artikel über dich erschienen. In der Kommentarspalte finden sich viele negative Kommentare über dein junges Alter. Du seist zu jung, um Politik zu betreiben. Haben Jugendliche in deinem Alter wirklich zu wenig Erfahrung, um im Nationalrat mitzumischen?

Die Leute, die das sagen, sind meistens in einem älteren Alter und sagen uns, dass wir politisch unerfahren seien. Das stimmt vielleicht. Ich vertrete aber eine junge Meinung, ich vertrete einen sehr grossen Teil unserer Bevölkerung. Wir haben es verdient, mit unserer Bevölkerungszahl in die beiden Stände zu kommen. Dazu, dass ich nicht immer eine faktisch richtige Meinung habe und einfach zu jung sei: Als sie noch jung waren, haben die Frauen das Wahlrecht erhalten. Wenn das dazumal der Fall war, dann kann ich auch Grosses bewirken. Die älteren Generationen haben ein älteres Denken. Es gibt immer noch solche, die finden, dass die Frauen nicht wählen sollten. So à la Appenzell Innerrhoden. Deshalb denke ich, dass ich unsere Jugend mit meinem jungen, zukunftsbewussten und nicht wirtschaftsorientierten Denken richtig vertreten kann. Wenn ich mit 60 für den Nationalrat kandidieren würde, würde ich mir auch Gedanken machen, ob ich nicht einfach zu alt bin.

Was empfiehlst du Jugendlichen, die sich politisch mehr engagieren wollen, sich das aber nicht trauen?

Es interessiert sich nicht jeder für Politik. Leider. Ich kenne zwar viele, die sich für Politik interessieren, aber das sind nicht die typischen Jugendlichen. Die meisten Jugendlichen haben anderes im Kopf. Das finde ich schade. Deshalb müsste man sie für die Politik mehr sensibilisieren und zeigen, dass sie nicht langweilig, sondern wichtig ist. Es müssen alle Generationen vertreten sein. Deshalb ist es wichtig, dass es mehr Junge in der Politik hat.


tize.ch – Redakteurin Cynthia Gehrig interviewt regelmässig junge Personen aus der Politik. Alle bisherigen Interviews zum Nachlesen gibt’s hier.

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