Vor 2 Jahren hat die Schweiz über ein neues Jagdgesetz abgestimmt. Es wurde mit 51.9% abgelehnt. Was ist seither geschehen?

Serie: Abstimmungs-Recycling

Abstimmungsdatum: War am 27. September 2020
Befürworter: SVP, FDP, Mitte, Verband Jagdschweiz
Gegner: SP, Grüne, GLP, EVP, Schweizerischer Forsterverein, WWF Schweiz
Stimmbeteiligung: 59.3 Prozent
Resultat: Abgelehnt mit 51.9 Prozent

Die Vorlage wurde sehr strittig und emotional diskutiert. Der Stadt-Land-Graben war gross. In der Stadt Bern wurde die Vorlage zum Beispiel mit 77.1 Prozent abgelehnt, in Visp (VS) wäre das neue Gesetz mit 82.1 Prozent angenommen worden.

Die Argumente der Gegner (Sieger der Abstimmung)

Die Gegner, angeführt von SP und Grüne sowie unterstützt durch zahlreiche Umweltverbänden wie des WWF Schweiz bezeichneten das Jagdgesetz als Abschussgesetz. Eines der wichtigsten Argumente: Das revidierte Jagdgesetz hätte Abschüsse «auf Vorrat» möglich gemacht. So hätten Tiere geschützter Arten in namhafter Zahl geschossen werden können, ohne dass sie je Schäden angerichtet hätten. Weiter verhindern Luchs und Wolf den übermässigen Verbiss des Jungwaldes durch Hirsch und Reh. Sie sichern als Teil des Ökosystems artenreiche und stabile Schutzwälder. Die Tiere verfrüht zu regulieren, schadet dem Wald.

Die Argumente der Befürworter (Verlierer der Abstimmung)

Der Bundesrat sowie auch die Mehrheit des Parlament sagten Ja zum Jagdgesetz. SVP, FDP und die Mitte argumentierten, das neue Gesetz trägt der steigenden Zahl von Wölfen Rechnung. Es erlaubt den Kantonen, den Wolfsbestand vorausschauend zu regulieren, um Schäden an Schafen und Ziegen zu verhindern. Auch sollen so die Wölfe die Scheu vor Menschen behalten. Zwar entscheiden die Kantone über Abschüsse in Wolfsrudeln oder von Einzeltieren, aber vorab müssen sie das Bundesamt für Umwelt anhören. Und sowohl der Bund als auch Naturschutzorganisationen wie WWF oder Pro Natura können weiterhin Beschwerde gegen einen von einem Kanton verfügten Abschuss einreichen und die Rechtmässigkeit überprüfen lassen. 

Das ist in der Zwischenzeit passiert

Schon vor der Abstimmung im Jahr 2020 nahm der Wolfsbestand stetig zu. Seit dem hat sich der Zuwachs fortgesetzt. Zurzeit leben ca. 180 Wölfe in der Schweiz, das entspricht einer Verdoppelung seit 2019. Ausserdem gibt es 19 Rudel, die meisten leben in den Kantonen Graubünden, Wallis und Glarus.

Besonders viel Aufmerksamkeit erhielt auch die zunehmende Zahl an getöteten Nutztieren durch den Wolf. In den vergangenen fünf Jahren gab es zwar grössere Schwankungen, allerdings wurden dieses Jahr soviel Risse gezählt, wie nie zuvor. Die Stimmung ist in vielen Berggemeinden angespannt, Bewohner fühlen sich unsicher, Hirtinnen und Hirte sehen ihre Existenz bedroht. In Klosters (GR) fasst die Gemeinde zusammen; «Trotz mustergültiger Schutzmassnahmen der verantwortlichen Personen sind die Hirten psychisch und körperlich am Ende und mussten teilweise nach Hause».

Das sagen die Befürworter heute

Stehen die Gegner des Jagdgesetzes weiterhin hinter ihren Parolen, oder sehen Sie den Wolf kritischer? Das wollten wir von Personen wissen, die Sich im Abstimmungskampf für einen strikten Schutz des Wolfes stark gemacht haben.

Daniel Jositsch (Ständerat SP des Kanton Zürichs):
Der erfahrene Politiker aus dem Kanton Zürich hat seine Meinung seit der Abstimmung nicht geändert. In einer Debatte im Ständerat störte ihn vor allem die übertriebene Empörung über einzelne Nutztierrisse. Fast etwas genervt sagt er: «Der Wolf ist kein Vegetarier». Er kann die Situation einzelner Bäuerinnen und Bauern gut verstehen, für die ihr eigenes totes Schaf ein «serious damage» ist, aber bei Gesetzten muss man auch immer den Standpunkt des Wolfes im Blick haben. Folglich sind einzelne Risse kein Problem. Ausserdem ist Herr Jositsch wichtig, dass man Wölfe auch in Zukunft immer auf gesamtschweizerischer Ebene reguliert.

David Gerke (Präsident Gruppe Wolf Schweiz und Jäger):
Er arbeitet als Schafhirt und zählt gleichzeitig Jagen zu seinen Hobbys. Wohl wenige Personen sind mit dem Thema Wolf so gut vertraut wie er. David Gerke schreibt auf Anfrage, es brauche keine Obergrenze für Wölfe, schliesslich gibt es das für andere geschützte Tiere auch nicht. Auf der anderen Seite ist er überzeugt, dass für viele Tierhalter die Anzahl Risse nicht mehr tragbar ist. Zusätzlich zu einem konsequenten Herdenschutz fordert er ein Umdenken bei Wolfsabschüssen. Die heutigen Wolfsabschüsse, insbesondere die Regulierungen der Rudel, erfolgen oft Monate nach den Schäden und nicht an Nutztierherden oder Siedlungen. Diese Praxis ist untauglich, um Wölfe von Herden fernzuhalten und weitere Schäden zu verhindern. Das Fehlverhalten aus menschlicher Sicht, wird dem Wolf nicht an Ort und Stelle aufgezeigt, das Rudel lernt nichts.

Politische Lösung in Sicht

Das sich viele Menschen in den Berggebieten von der Politik im Stich gelassen fühlen, ist auch auch unter der Bundeshauskuppel in Bern angekommen. Vor wenigen Wochen wurde eine parlamentarische Initiative zur Regulierung der Wolfsbestände gutgeheissen. Wichtigste Änderung: Wölfe sollen in Zukunft nicht mehr aufgrund von Schäden oder Gefährdungen reguliert werden, die sie in der Vergangenheit verursacht haben, sondern zur Verhütung zukünftiger Schäden oder Gefährdungen. Das ist eine entscheidende, aber auch fragwürdige Änderung, war sie doch Hauptgrund für das Scheitern des damaligen Jagdgesetzes im Jahr 2020. Jedoch kann ein Kanton auch weiterhin nicht alleine über einen Abschuss verfügen, er muss zuerst beim Bund eine Bewilligung einholen. Nach dem Ständerat hat auch die zuständige Kommission des Nationalrats den neuen Bestimmungen mit 15 zu 9 Stimmen zugestimmt. Im nächsten Alpsommer wird es für den Wolf also deutlich ungemütlicher und Wirtinnen und Bauern werden sich nicht mehr so ohnmächtig fühlen. Am Schluss bleibt bei der Debatte ein grosser Graben zwischen Stadt und Land. Sinnbildlich dafür kritisierte die grüne Ständerätin aus Lausanne, Adèle Thorens Goumaz die Revision als höchst problematisch, der grüne Ständerat aus Glarus, Mathias Zopfi, sieht die Änderungen als grundsätzlich Notwendig, auch in Bezug auf die Biodiversität. 

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