Simon Pahls und Laetitia Lehmann studieren an der Universität Zürich Biologie. Sie haben sich mit anderen Studenten zusammengefunden und nehmen als Gruppe am Wettbewerb für genetisch entwickelte Maschinen teil. Ihr Ziel: Eine Behandlung für Endometriose finden. Eine schmerzhafte Krankheit, unter der viele Frauen leiden. Die beiden berichten hier über den neusten Stand in ihrer Forschung.

Manchmal scheint die Naturwissenschaft ein Mysterium

Eine Forscherin verbringt 20 Jahre damit, ein einziges Protein zu untersuchen; ein anderer versucht herauszufinden, ob und wie  Viren zu Regenfall führen, und noch jemand untersucht seit 15 Jahren die Rufe von Erdmännchen in der Kalahari Wüste. Wieso stecken Forschende so viel Zeit, Energie und Geld in das Klären von Fragen, die scheinbar niemand interessieren? Braucht die Welt wirklich solche Wissenschaft?

Das habe ich mich anfangs auch gefragt, als ich dem diesjährigen iGEM Team der Uni und ETH Zürich beigetreten bin. Doch schnell ist mir aufgefallen, wie viel Nutzen wirklich hinter dieser scheinbar sinnlosen Arbeit steckt und was für Potential eine ungehemmte Neugierde für die Welt um uns herum haben kann.

Als Biostudent an der UZH  lernt man sehr detailliert und vertieft über Themen und Bereiche des Lebens auf unserem Planeten. Die Aussicht, das Leben in all seinen Tiefen und Komplexitäten zu verstehen, reizt mich unglaublich, jedoch kommt man fast nicht darum, sich zu fragen, was der Nutzen an der ganzen Sache ist? Bringt es wirklich etwas oder ist es nur das Ausleben eines nerdigen Traums, ohne jeglichen Nutzen für die Gesellschaft?

Um diese Frage zu klären,  habe ich mich einem Team aus 12 Studierenden der UZH und ETH angeschlossen, um an dem internationalen Wettbewerb für genetisch entwickelte Maschinen (iGEM) teilzunehmen. Dieser Wettbewerb zielt nämlich darauf ab, globale Probleme mit synthetischer Biologie zu lösen. 

Visualisierung einer Genomsequenzierung einer DNA

Was ist synthetische Biologie?

Synthetische Biologie ist ein Bereich in der Forschung, der darauf abzielt, im Labor biologische Systeme zu entwerfen, nachzubauen oder zu verändern, wie sie nicht in der Natur vorkommen. Das klingt im ersten Moment vielleicht etwas unheimlich oder je nachdem sogar gefährlich, doch kann es sehr viel Gutes bewirken. Ein gutes Beispiel ist Insulin, welches jede Diabetikerin braucht und früher aus Kuh- und Schweineblut gewonnen wurde. Durch synthetische Biologie konnten schon in den 70er Jahren Bakterien so verändert werden, dass heutzutage Unmengen an Insulin ethisch und für einen Bruchteil des Preises hergestellt werden können.

Der Wettbewerb für iGEM

Dieser Wettbewerb sollte mir also genau den Ausgleich zum Studium geben, den ich gesucht habe. Aktiv etwas bewirken, statt Grundlagenforschung über unnötig komplizierte molekulare Mechanismen zu betreiben, die eh niemandem etwas bringen wird.

Nach ersten Besprechungen wurde unser Thema schnell klar: eine Therapie für Endometriose, eine schmerzhafte Krankheit ohne befriedigende Behandlung. Denn für uns war logisch, Schmerz sollte auf keinen Fall normal sein. Unsere Idee wirkte einfach. Wir entwickeln ein GMO (genetisch modifizierter Organismus), in der Hoffnung, dass es gegen Endometriose helfen könnte. Doch schon während der Suche für ein konkretes Projekt wurde mir schnell bewusst, dass diese Grundlagenforschung, die ich anfangs für sinnlos erachtet habe, nicht nur in gewissen Nischen Bereichen hilfreich sein kann, sondern allgemein in jedem Forschungsbereich von höchster Notwendigkeit ist.

Endometriose als Hauptthema unseres Projekts

Bei Endometriose befinden sich die Zellen, die normalerweise im Uterus sind, an anderen Orten im Körper. Dort verhalten sie sich aber weiter wie Uterus-Zellen. Sie bluten jeden Monat, jedoch gibt es keinen Abfluss für das Blut, wodurch Narben, Cysten und viel Schmerz entstehen. Warum diese Zellen aber dorthin kommen, oder sogar an dem Ort entstehen, weiss keiner. Auch sind die Ursachen für gewisse Symptome sehr komplex und je nachdem noch unerforscht. 

Ursprünglich war die Idee, dass wir diese «schlechten» Zellen finden und eliminieren könnten. Dafür müssten aber die Proteine, die auf den Oberflächen dieser Zellen sind, gut bekannt sein – und die Proteine der anderen Zellen im Körper auch. Denn wenn unser modifizierter Organismus nur die “schlechten” Zellen erkennen und abtöten soll, müssen wir sicher sein, dass wir nur Proteine erkennen, die auf den “schlechten” Zellen sitzen und nicht auf den anderen. Sonst zerstören wir die anderen Zellen ungewollt mit.

Die Forschung ist aber, wer hätte es gedacht, noch nicht so weit und man muss immer noch daran arbeiten, diese Proteine zu charakterisieren und zu erkennen – ein riesiges und höchst komplexes Thema. Ein Auftrag für eine Forscherin, die bereit ist, 20 Jahre ihres Leben in die Charakterisierung dieser Proteine zu stecken. Die Idee war also für uns gestrichen.

Das alles ist nur ein Beispiel für die Probleme, mit denen wir zu kämpfen hatten. So ging es etwa 5 Wochen lang, bis wir ein zufriedenstellendes Projekt hatten- wir versuchten Idee nach Idee, und immer wieder fiel auf, wie viel Forschung noch gebraucht wird.

Schlussendlich fanden wir unser jetziges Thema, welches die bakterielle Population der Vagina, anders gesagt, das vaginale Mikrobiom nutzt. Es gibt nämlich Andeutungen, dass ein Ungleichgewicht dieser bakteriellen Bevölkerung auch zu Endometriose beitragen könnte. Unser Ansatz ist es, eine bakterielle Population zu schaffen, die sich in der Vagina selbst erhalten und das bakterielle Gleichgewicht wiederherstellen kann. Es gibt zwar auch noch sehr wenig Informationen, doch trotzdem genug, damit wir als Studierende etwas bewirken können. Offene Fragen, wie dieses Gleichgewicht zum Beispiel bei verschiedenen Frauen aussieht, und ob unsere Idee in Wirklichkeit funktioniert, sind nicht beantwortet, aber trotzdem versuchen wir jetzt schon, unser System in einem Bakterium einzubauen. Denn der Sinn unseres Projekts ist nicht ein Produkt auf den Markt zu bringen, sondern soziale Themen anzusprechen. Lücken in der Forschung aufzeigen. Dafür sorgen, dass die Gesellschaft mehr über die Wissenschaft hört. Und vielleicht auch selber etwas zur Forschung beitragen. 

Auch wenn unser Projekt erst in ein paar Monaten abgeschlossen ist, kann ich jetzt schon eine klare Antwort auf meine ursprüngliche Frage geben. Ja, die Forschung ist wichtig! Denn mir ist sehr schnell klar geworden, wie viele Lücken im kollektiven Wissen der Wissenschaft bestehen.

Das Mysterium der Naturwissenschaft scheint für mich gelüftet.

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