Es ist Anfang Oktober und vor mir auf dem Tisch liegt wortwörtlich dicke Post. Zu sagen, dass ich nicht vorgewarnt worden wäre, wäre gelogen, denn schon seit Wochen gleichen die Strassenränder einer scheinbar unendlichen Reihe Zahnarzt- und Zahnpastawerbeplakaten. Von jeder Strassenlaterne, von jedem Baum, von jedem Gartenzaun wird man von einem mehr oder weniger strahlenden Politikerlächeln geblendet.

2019 ist ein Wahljahr und zum ersten mal kann auch ich, 19 jährig und wie sich noch herausstellen sollte etwas naiv, meine Stimme bei einer eidgenössischen Wahl abgeben. Das mindestens einen Zentimeter dicke Couvert, das vor mir liegt, enthält die Wahlzettel für National- und Ständerat, sowie eine wahre Flut an Parteiprospekten (was bei der verwendeten Masse an Papier und mit der aktuellen Klimabewegung im Hinterkopf schon fast ironisch wirkt). Voller Elan und nur minimal überfordert fülle ich die Unterlagen eine Woche vor der Wahl aus und werfe das nun viel dünnere Couvert zum letztmöglichen Zeitpunkt in den nächsten gelben Briefkasten.

Die Ausgangslage und Erwartungen sind mit den Klimastreiks, den grünen Wahlerfolgen in Deutschland und den überdurchschnittlich vielen jungen KandidatInnen sehr jung, grün und zugegebenermassen etwas linksorientiert. Und dann kam der Wahlsonntag. Viele der erwarteten Ergebnisse trafen tatsächlich ein, so war das Schweizer Parlament noch nie so jung und noch nie so grün wie nach diesem 20. Oktober. Einzig die Wahlbeteiligung blieb weit hinter den Erwartungen zurück, so nahm sie im Vergleich zu 2015 mehr als 3% ab.

Doch wo liegt denn nun eigentlich das Problem, fragst du dich vielleicht? Klingt doch eigentlich alles eher weniger dramatisch… Das Problem liegt in der Tatsache, dass mir bei diesen ersten Wahlen, an denen ich teilnehmen durfte, bewusst wurde, dass ich in einer Filterblase stecke.

Die Gefahr Filter Bubble und warum Lokaljournalismus so wichtig ist

«Filterblase» Ein Wort, das seit einigen Jahren wie ein Schreckgespenst über unseren Köpfen schwirrt. Ein Begriff, der die einseitige Informationsversorgung und undifferenzierte Meinungsbildung beschreibt. Ein Ausdruck, von dem ich mich bis jetzt nie angesprochen fühlte.

Ohne angeben zu wollen, kann ich von mir behaupten, dass ich mich in der Schweizer Politik ganz okay auskenne, dass ich ungefähr weiss, wo die Schwerpunkte liegen, wer welche Meinung vertritt usw. Ich habe auch das Gefühl, dass ich mich ziemlich ausreichend über verschiedene Medien und Kanäle über das tägliche Geschehen informiere und so zu einer recht überlegten Meinung komme.

Das dachte ich zumindest bis zum 20. Oktober. Denn als die Wahlergebnisse des Kanton Aargau eingeblendet wurden, fiel ich aus allen Wolken. Auch hier hatte eine leichte Verschiebung nach links stattgefunden, doch die bürgerlichen Parteien haben immer noch die klare Mehrheit.

Aber ich sehe es ja ein, das war hauptsächlich mein Fehler, dass ich mich im Vorfeld der Wahl anscheindend nicht genügend mit der Verteilung der Aargauer Nationalrats-Sitze auseinandergesetzt hatte. Da beschlich mich zum ersten mal ein etwas ungutes Gefühl, dass ich mich vielleicht doch nicht so ausgewogen und unvoreingenommen informierte.

Noch viel stärker war dieses Gefühl, als ich die Wahlergebnisse meiner Gemeinde sah. Was sich da vor mir auf dem Bildschim zeigte, lies mich leer schlucken; die konservativen Kräfte hatten mehr als doppelt so viele Stimmen erhalten wie die lieberalen. Hier ist wohl die kurze Anmerkung hilfreich, dass ich in einem ziemlichen Kuhdorf, einer gutbürgerlichen Gemeinde im idyllischen Suhrental wohne, doch da auf dem Land ja bekanntlicherweise sowieso eher die bürgerlichen Parteien das Zepter in der Hand haben, sollte mich eigentlich auch dieses Ergebnis nicht besonders überraschen. Doch das tat es und da wurde mir endgültig bewusst, dass es ja schön und gut ist, wenn man darüber Bescheid weiss, was in der Schweiz und der Welt so läuft, aber was sich vor der eigenen Haustür abspielt, sollte dabei nicht übersehen werden.

Doch ich will dir hier auf keinen Fall vorwerfen, dass du mit Scheuklappen durchs Leben stolperst, aber wenn es dir wie mir geht, lohnt es sich vielleicht beim nächsten Mal nicht nur die Schlagzeilen der 20 Minuten oder der NZZ zu lesen, sondern auch mal einen Blick ins Lokalblatt deines Vertrauens zu werfen.

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