Viele der ehemaligen Fahrschüler*innen, die bei der Fahrschule Straubhaar in Solothurn ihre Führerprüfung absolviert haben, kennen ihn: Der 34-jährige Enes Ismaili machte bei Patrick Straubhaar sein Praktikum als Fahrlehrer und zieht nun mit der neuen Fahrschule «Smiledrive» sein eigenes Ding durch. Wie Enes dazu kam, beim Autofahren auf dem Beifahrersitz zu residieren und was ihn als Fahrlehrer ausmacht – dies und mehr bei #porträtiert.
Zum Beruf des Fahrlehrers kam er durch spezielle Umstände, wie Enes erzählt. «Als Beifahrer war ich immer sehr unangenehm. Beim Autofahren bin ich etwas zu perfektionistisch und habe andere ständig korrigiert, das war einfach mein Ding», gibt er lachend zu. Verständlich, dass seine Mitmenschen darauf nicht immer freundlich reagierten. «Eines Tages sagte meine Frau: Wenn du ein Prüfungsexperte für Lehrfahrer wärst, würde keiner bei dir bestehen, du bist so pingelig. Ich entgegnete ihr: Du bringst mich gerade auf eine super Idee.» Schlussendlich wollte Enes aber nicht den Weg eines Prüfungsexperten einschlagen, sondern den Leuten etwas beibringen. «Ich fühle mich sehr wohl in meinem Beruf und finde, dass ich den richtigen Weg eingeschlagen habe», fügt der aus Nordmazedonien stammende an.
Sichtlich wohl fühlt sich Enes vor allem, wenn er über sich und sein Leben erzählen kann. Mit munterer und aufgestellter Miene erklärt er weiter, dass er nach seinem Einfall im Auto sofort das Handy gezückt habe, um nach zu sehen, welche Anforderungen als Fahrlehrer erfüllt werden müssen. Begeistert vom vielseitigen Beruf besuchte Enes mit seiner Frau den Informationstag, an dem die einzelnen Aufgabenfelder näher gezeigt wurden.
«Pädu hat mich ins kalte Wasser geworfen»
Nachdem Enes seine Stelle als Fertigungstechniker gekündet hatte, entschloss er sich für ein Praktikum bei der Fahrschule Straubhaar. Um sich als Fahrlehrer zu etablieren, musste er eine spezielle Schule besuchen und lernte in den verschiedensten Modulen Schritt für Schritt, wie man als Fahrlehrer auf der Strasse agiert und mit den Neulenkern umgeht. Schnell durfte er die Theorie auch in der Praxis anwenden, wenn auch nicht ganz freiwillig. An diese erste Fahrstunde erinnert sich Enes noch genau. «Pädu hat mich ins kalte Wasser geworfen», erklärt er. Für zwei Wochen begleitete er Patrick Straubhaar auf seinen Touren mit den Neulenkern, um ihn dabei ein wenig zu beobachten. «Dann hat er plötzlich zu mir gesagt: Den Nächsten machst du. Ich war baff und nicht besonders erpicht darauf, nach so kurzer Zeit schon meine erste Fahrstunde abzuhalten», gibt Enes zu. Doch «Pädu» konnte ihn dazu überreden und so fuhren sie in das Solothurnische Biberist, um den nächsten Fahrschüler abzuholen. Schwierig sei zu Beginn, dass man ein wenig das Gefühl dafür bekommt, wann man als Lehrer selbst intervenieren muss. «Statt selbst mit meinen Pedalen zu bremsen, habe ich ihn dazu aufgefordert. Sonst aber verlief die erste Fahrstunde sehr gut und ich habe schnell gemerkt, dass ich mich mit diesem Beruf identifizieren kann.» Schliesslich ist es genau das, was Enes an der Arbeit solchen Spass bereitet. Schon immer habe er gerne jungen Menschen Sachen beigebracht, auch in der Freizeit, als er früher noch regelmässig das Fussballtraining besuchte. «Ich bin fasziniert, wenn ich bei Lern- und Erfolgsprozessen dabei sein kann und Fahrstunde für Fahrstunde sehe, welche Fortschritte sich getan haben.»
Zielorientiertheit: Für Enes das A und O einer Fahrschule
In einer Fahrstunde legt Enes besonderen Wert darauf, dass Schüler und Lehrer wissen, wo die Ziele liegen. Anhand der Notizen der letzten Fahrt und seinen eigenen Einschätzungen kann Enes analysieren, was am Ende der fünfzig Minuten einwandfrei funktionieren sollte. Dabei kämen viele Faktoren hinzu, wie beispielsweise, ob die Schüler auch von zu Hause aus die Möglichkeit haben, das Autofahren zu üben oder wie lernfähig ein Mensch ist. «Manche haben etwas länger, Dinge aufzufassen und umzusetzen, andere sind dabei schneller. Das ist immer sehr individuell und als Fahrlehrer ist es wichtig, dass man sich dessen bewusst ist», sagt Enes bestimmt. Zielorientiert handeln ist für ihn das A und O in diesem Beruf.
«Man muss sich vorstellen, dass man tagtäglich mit den unterschiedlichsten Menschen zu den unterschiedlichsten Lebenssituationen zu tun hat.»Enes Ismaili
«Einige befinden sich auf einem Hoch ihrer Gefühle, andere haben vielleicht gerade Probleme im Beruf, in der Familie oder sind gesundheitlich angeschlagen und können sich deswegen nicht richtig konzentrieren. Es gibt auch solche, die bereits einen Autounfall hinter sich haben. Mir ist wichtig, dass sich die Fahrschüler*innen am Steuer wohlfühlen, egal welches Ziel am jeweiligen Tag vor ihnen liegt», veranschaulicht Enes seine Erfahrungen. Am Ende jeder Fahrstunde berechnet er immer fünf bis zehn Minuten für ein gegenseitiges Feedback ein. So könne gemeinsam analysiert werden, wo die Fahrschüler*innen stehen, was gut und was nicht gut lief und wie es in der nächsten Fahrstunde weiterginge.
Als Fahrlehrer ist Feingefühl gefragt
In seiner bisherigen Laufbahn hat Enes nicht nur positive Erfahrungen mit Neulenkern gemacht. «Das Ganze basiert auf gegenseitigem Respekt. Wenn mich die Fahrschüler*innen ernst nehmen, kann ich das auch erwidern, umgekehrt läuft es genauso. Ich bin froh, dass ich sagen kann, dass die meisten auf meine Worte hören und auch kritikfähig sind. Bei vereinzelten Fällen ist leider genau das Gegenteil der Fall», sagt er. Als Beispiel nennt er einen Fahrschüler, der ihm bei Erklärungen nie zugehört habe. «Bei solchen Situationen gehe ich knallhart vor. Da derjenige meinte, dass er schon auf Anhieb alles könne, bin ich mit ihm auf die Strasse und sagte ihm, er solle es mir zeigen. Natürlich hat er es nicht gekonnt.» Enes betont, dass er dies nicht aus Belustigung täte, sondern lediglich, um die Neulenker ein wenig wachzurütteln und von ihrem «hohen Ross» herunter zu holen.
«Es ist für mich schön zu sehen, dass man im Strassenverkehr grösstenteils miteinander ist.»
Daneben gäbe es aber auch viele schöne Erlebnisse. Enes lacht, während er von seinem bisher lustigsten Erlebnis erzählt: «Ich erinnere mich noch genau, als ich mit einer Fahrschülerin unterwegs war und bei einer roten Ampel ein Bus neben uns heranfuhr. Die Fahrschülerin war wohl ein wenig aufgeregt und hat dem Busfahrer aus Reflex zugewunken, sowie man das so kennt, wenn Busfahrer einander unter sich grüssen, wenn sie aneinander vorbeifahren. Der Busfahrer hat den Gruss erwidert, ebenfalls ein wenig verwirrt. Ich war so perplex über diese spontane Aktion, dass ich lauthals lachen musste. Die Fahrschülerin und der Busfahrer taten es mir gleich. Bei solchen Situationen ist es für mich schön zusehen, dass man im Strassenverkehr grösstenteils miteinander ist und auch mal etwas Lockeres, lustiges passieren kann.»
Vom Praktikanten zum selbständigen Fahrlehrer
Mit der Gründung der Fahrschule «Smiledrive» hat Enes dieses Jahr eine neue Richtung eingeschlagen. Zwei Jahre war Enes bei der Fahrschule Straubhaar angestellt und ist sehr zufrieden, wenn er auch die Zeit mit seinen ehemaligen Teamkollegen zurückblickt. «Patrick und ich haben immer noch viel Kontakt, treffen uns ab und zu oder arbeiten in anderen Bereichen zusammen, wie beispielsweise beim Abhalten eines Verkehrskundekurses. Eigentlich wollte er vorerst nicht selbständig werden. «Klar habe ich ab und zu mit dem Gedanken gespielt. Aber ich habe nicht vorgehabt, so schnell etwas Neues auf die Beine zu stellen.» Dazu habe er sich vor allem durch einen Freund motivieren lassen. Am Anfang hatte er Respekt davor, schliesslich muss er drei Kinder ernähren und hat somit auch ein gewisses Risiko. «Schlussendlich bin ich aber sehr froh, dass ich diesen Schritt gewagt habe. Zudem bin ich überrascht, wie schnell sich das Ganze in der Gegend herumgesprochen hat, vor allem dank Social Media. Auch Patrick hat mir versichert, dass er mich immer mit offenen Armen empfängt, sollte das Projekt irgendwie scheitern», erklärt er stolz. Dass die neue Fahrschule «Smiledrive» gut läuft, bestätigen unter anderem auch diverse Bewertungen auf Superfahrlehrer.ch.
Enes Ziel ist es, in Zukunft von der Smiledrive-Fahrschule leben zu können und stetig Spass am Beruf zu haben. «Momentan geniess ich meine Zeit allein in der Fahrschule. Vielleicht stösst in ein paar Jahren noch jemand hinzu, so dass wir uns ein Team zusammenstellen können. Doch momentan habe ich gar nicht das Bedürfnis nach etwas Grösserem. Alles was ich will, ist mein Beruf gut auszuüben und einen anständigen Ruf zu haben», schliesst Enes das Gespräch ab.
Tize.ch wünscht Enes Ismaili allzeit gute Fahrt!
#porträtiert: In der Reihe «#porträtiert» auf Tize.ch wird jeden 2. Montag eine neue Person vorgestellt. Hier geht’s zur Reihe.