Spätestens seit der Nuklearkatastrophe in Fukushima steht die Atomenergie schwer unter Beschuss. Dies zeigt sich auch in der Schweiz, wo im Rahmen der Energiestrategie 2050 beschlossen wurde, bis in 15 Jahren aus der Atomenergie auszusteigen. Ein erster Schritt wurde kurz vor Weihnachten getan, als das AKW Mühleberg ausser Betrieb genommen wurde. In rund zehn Jahren sollen dann die Reaktoren Beznau I und II stillgelegt werden, Gösgen soll 2029 folgen und Leibstadt 2034. Laut Energiestrategie soll der Ausbau erneuerbarer Energiequellen den Wegfall des Atomstroms laufend kompensieren und bis in 15 Jahren die rund 40% Atomstrom ersetzten können. Dies ist ein ziemlich ambitioniertes Ziel, welches höchstwahrscheinlich nicht realisiert werden kann. Aber was sind die Alternativen?

Ambitionierte Ziele, holpriger Weg

Laut Schweizer Energiestrategie soll der Gesamtenergieverbrauch bis 2035 um 43% sinken. Dies bedeutet, dass der Verbrauch pro Person pro Jahr um 2,2% reduziert werden muss. Der Strombedarf soll in gleicher Zeit um 13% reduziert werden, was jedes Jahr eine Absenkung des Verbrauchs um 0,4% bedeutet. Dies mag nach nicht viel tönen, doch das Erreichen dieser Ziele fordert einen bewussten und vorausschauenden Umgang mit Energie von Privaten als auch von der Wirtschaft. Zusätzlich steigt der Strombedarf durch die Elektrifizierung des Verkehrs und den Ersatz von Öl- und Gasheizungen durch elektrische Wärmepumpen.
Der Ausbau der neuen erneuerbaren Energiequellen geht dazu verhältnismässig langsam voran. 2018 machten sie nur 6,1 Prozent der gesamten Stromproduktion aus. Am meisten Erfolg hat mit Abstand die Photovoltaik, während Biogas, Abfallverbrennungsanlagen und Holzfeuerungen nur sehr langsam vorankommen. Noch viel weniger bis inexistent ist der Fortschritt bei der Gewinnung von Windenergie und Geothermie. Auch bei der Wasserkraft zeigt sich, dass das realisierbare Potenzial geringer ist als angenommen. Während Grosswasserkraftwerke sich aus wirtschaftlicher Sicht nicht lohnen, sind Kleinwasserkraftwerke aus ökologischer Sicht problematisch bis unrentabel.

Billiger Import attraktiver als Investition

Alles in allem stellt sich der Umbau des Energiesystems also schwieriger als erwartet dar. Ein Hauptgrund dafür ist der europäische Strommarkt. Billige Kohle und Gas drücken die Strompreise und machen Investitionen in neue inländische Produktionsanlagen unattraktiv. Zudem verzerren die massiven Subventionen für neue erneuerbare Energien in ganz Europa den Markt. Um einheimische erneuerbare Energie zu stärken und Investitionen in diesen Sektor attraktiv zu machen, müsste importierter Strom aus fossilen Quellen massiv verteuert werden. Zudem gäbe es die klimafreundliche Möglichkeit, die Schweizer Atomkraftwerke noch länger als geplant in Betrieb zu halten und so Zeit zu gewinnen. Dies wäre allemal besser, als ausländischen Strom aus fossilen Quellen importieren zu müssen.

Aber auch wenn alle verfügbaren Möglichkeiten im Bereich der erneuerbaren Energien genutzt würden, bliebe ein Problem bestehen: Sonne, Wind und Wasser sind abhängig von der Natur und liefern nicht konstant gleichviel Strom. Vor allem im Winter wird es daher in Zukunft Engpässe geben. Um selbst dann genug erneuerbaren Strom verfügbar zu haben, müssten riesige Kapazitäten aufgebaut werden, die teuer zu stehen kämen und im Sommer Überschüsse produzieren würden. Und auch wenn die ganze Schweiz mit Solarpanels und Windrädern übersät wäre, fehlte immer noch die Infrastruktur für die Speicherung zeitweiliger Überschüsse, die dann im Winter eingesetzt werden könnten.

Gaskombikraftwerke als Backup

Die Schweiz braucht also zusätzliche Reserveanlagen, die dann Strom produzieren, wenn Sonne, Wind und Wasser nicht genug hergeben. Die beste Alternative sind Gaskombikraftwerke. Sie haben einen hohen Wirkungsgrad, da sie Gasturbine und Dampfturbine kombinieren, sind relativ günstig und schnell zu bauen. Es entbehrt aber nicht einer gewissen Ironie, dass unter dem Titel Energiewende nach dem Wegfall des weitgehend CO2-freien Atomstroms ausgerechnet ein Teil dieses Stroms nicht mehr CO2-frei produziert wird. Wenn dadurch aber verhindert werden kann, dass Kohle-Strom aus Deutschland importiert werden muss und wenn der auf diese Weise effizient gewonnene Strom Benzin und Diesel ersetzten kann, ist der Umwelt unter dem Strich dennoch gedient.
Ein solches Gaskombikraftwerk wäre nur für den Notfall gedacht. Dadurch verteuerte sich natürlich der produzierte Gasstrom, was sich allgemein im Strompreis niederschlagen würde. Dies wäre aber gar nicht so schlecht, denn der Umwelt ist immer noch am meisten gedient, wenn grundsätzlich weniger Strom konsumiert wird.

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2 Comments

  1. Konstruktive Kommentare sind erwünscht.
    Verbesserungensvorschläge gewünscht.
    Wer feiert diesen Benedikt Kaiser auch?

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