Wann hast du zum letzten Mal jemandem die Hand gegeben? Kannst du dich noch daran erinner? Ist schon etwas länger her, oder? Seit März empfiehlt der Bundesrat aufgrund der Corona-Pandemie auf den bis anhin gängigen Handschlag zur Begrüssung und zum Abschied zu verzichten. Noch vor einigen Jahren schien das absolut undenkbar.

Das ungeschriebene Gesetz «Handschlag»

Knapp vier Jahre ist es her, dass ein Fall in der Gemeinde Therwil im Kanton Basel-Land die Schweiz durchrüttelte. Zwei muslimische Brüder hatten sich geweigert, ihrer Lehrerin die Hand zu geben.

Der Aufschrei war gross, die Integration der Brüder, ihrer Familie und aller anderen Ausländer in der Schweiz wurde in Frage gestellt und die Schweiz diskutierte über ihre «Grundwerte». In der «SRF Arena», im Parlament und sämtlichen Kommentarspalten des Landes wurde mit einer Leidenschaft über die Handschlag-Affäre diskutiert, die man normalerweise nur von Fussballspielen oder wichtigen Abstimmungen kennt.

Ihren Höhepunkt fand die Diskussion im Urteil des Kantonsgerichts Basel-Land, welches über die Beschwerde der Familie der zwei Brüder gegen die Sekundarschule Therwil entschied, da diese zwischenzeitlich zum Handschlag mit den Lehrerinnen und Lehrern gezwungen wurden. Die Beschwerde wurde zwar abgelehnt, doch die Verteidiger des Handschlags kamen noch lange nicht zur Ruhe – ist dieser doch scheinbar ein Grundstein des Schweizerischen Werte-Katalogs.

Wehe dem, der die Hand ausstreckt

Und dann kam die Corona-Pandemie und mit ihr der Untergang des Handschlages. Von heute auf morgen wurde der gute alte Handschlag von allen möglichen alternativen Begrüssungsformen abgelöst. Jeder, der es in den ersten Tagen und Wochen nach Einführung der Corona-Massnahmen noch wagte zur Begrüssung die Hand auszustrecken, wurde mit einem schrägen Blick und dem Kommentar «Corona», begleitet von einem Schulterzucken quitiert.

Und das Unglaubliche daran?

Die Schweiz ist nicht daran zerbrochen. Mittlerweile ist der Handschlag fast vollkommen aus unserem Alltag verschwunden. Ob man nun zu den Leuten gehört, die froh darüber sind, dass sie nicht mehr die schwitzige Hand ihres Chefs schütteln müssen, oder ob man die unterbewusste Kommunikation, die ein Handschlag ermöglichen kann, vermisst, hat die neue Situation doch zumindest eine Sache klar gemacht.

Ein Leben ohne Handschlag ist möglich und unser Land wird nun tatsächlich nicht mehr durch eine einfache Begrüssungsgeste definiert. Denn die Schweiz ist immer noch die Schweiz, auch ohne Handschlag.

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