Das Jahr 2017 liess die Medienschaffenden und ihre Konsumenten nicht zur Ruhe kommen. Für einmal war aber nicht etwa das Weltgeschehen mit seinen diplomatischen Krisen, den Bürgerkriegen und der voranschreitenden Erderwärmung dafür verantwortlich. Nein, das Jahr 2017 stellte die Rolle der Medien selbst infrage, und zwar so kritisch und ernsthaft wie nie seit dem Beginn unabhängiger Medien vor 150 Jahren. Nicht einmal zwei Weltkriege konnten die kritische Auseinandersetzung mit dem Tagesgeschehen zerstören; sie stärkten sie sogar.

100 Jahre später ersäuft die westliche Welt in einer Mischung aus Wohlstand und Frieden, und sie beginnt, eine ihrer grössten Errungenschaften zu hinterfragen: Die traditionellen Medien. Im Politgeschäft, wo Politiker die Situation schönreden und die Sache nicht auf den Punkt bringen, besteht ihre Rolle nicht nur aus der Übermittlung von Informationen. Sie sind wichtige Meinungsgefässe. Journalisten sollen in der Lage sein, mehrere Sichtweisen miteinzubeziehen, was für den politischen Prozess von ungeheurer Wichtigkeit ist.

„Fake News!“

Was ist also passiert in einer Gesellschaft, in der dieser wichtige Teil der öffentlichen Meinungsbildung in Frage gestellt, teilweise sogar nicht mehr als glaubwürdig angesehen wird? Zu verantworten haben es die Medien selbst. Zu selbstverständlich nahmen sie ihre Rolle in den letzten Jahren wahr, zu wenig Selbstkritik brachten sie auf. Die New York Times, eine der renommiertesten Tageszeitungen des Landes, wurde im vergangenen Jahr zu einem der grössten Gegner der Trumpschen Politik. Noch vor der Wahl verspottete ihn die Zeitung als Clown. Nun hat Trump den Spiess umgekehrt. In wenigen Monaten machte er die Medien zum Teil des „Establishments“, das von seinen Anhängern verteufelt wird und für den Untergang der ganzen Nation verantwortlich gemacht wird. Bei der leisesten Andeutung von Kritik redet der Präsident dann von „Fake News“ und delegitimiert diese damit in den Augen seiner Anhänger. Dass Trump Journalisten nicht leiden kann, daraus macht er keinen Hehl. Er schikaniert unliebsame Journalisten während Pressekonferenzen und postete im Juli 2017 ein Video, wie er in während eines Wrestling-Spektakels einen Mann zu Boden prügelte, dessen Kopf durch das CNN-Logo ersetzt war. Die Botschaft an die Medien war klar: Legt euch ja nicht mit dem Präsidenten an.

Dass Trumps Taktik funktioniert, hängt mit dem Wandel unserer Kommunikationskanäle zusammen. Noch vor zehn Jahren liessen sich Botschaften von wichtigen Staatsmännern nur über die klassischen Medien kommunizieren. Das hat sich grundlegend geändert. Pressekonferenzen sind zu einer Farce geworden, der Präsident bedient heute ausgiebig seine Twitter-Accounts, um seine Botschaften zu verkünden. Mit Erfolg: Trumps Tweets erreichen den Leser ungefiltert, direkt. Damit kommen die Informationen wahrhaftig, aber auch uneingeordnet beim Konsumenten an. Das ist ganz im Sinne des Präsidenten, der Kritik und Kommentare zu seiner Arbeit verabscheut. Auch um die Verbreitung muss sich der Präsident dank Social Media keine Sorgen machen. Sein Twitter-Account hat eine grössere Reichweite als die meisten US-Medien zusammen.

„Man kann sich den Erfolg eines solchen Antipolitikers wie Trump nur durch die Macht der Desinformation und über das Schlüpfrigwerden des Wahrheitsbegriffs erklären“, meinte Medienforscher Bernhard Pörksen in „NZZ-Standpunkte“ und begründete damit den Erfolg des Quereinsteigers, dem trotz seiner Drohungen, die Pressefreiheit einzuschränken, weiterhin breite Unterstützung widerfährt. Trump machte sich im Gegensatz zu seinen Vorgängern seine schlechte Beziehung mit der Presse zunutze und hebelte die Medienethik innerhalb kürzester Zeit aus.

Twitter statt Zeitung

Heute kann jeder seine persönlichen Ansichten der Welt mitteilen. Sei es über Facebook, Twitter oder einen persönlichen Blog. Täglich werden wir von einer Welle an neuen Informationen überschwemmt, die Qualität ist entsprechend unterschiedlich. Das spüren auch die etablierten Medienhäuser, die seit Jahren mit schwindenden Auflagen zu kämpfen haben. Das Internet erschuf eine Generation von Gratiskonsumenten. Darauf mussten sich die Online-Medien einstellen. Als Einnahmequellen dienen nicht mehr treue Abonnenten, sondern Werbeeinahmen, die sich immer öfters über die ganze Internetseite verteilen. Viele sind nicht mehr bereit, für Journalismus zu bezahlen, Abstriche bei Qualität und Authentizität nehmen sie dafür in Kauf. Symptomatisch dafür ist, dass in der Schweiz in den letzten Jahren einzig die Auflagen von Gratiszeitungen gestiegen sind. Und im deutschsprachigen Raum nutzen bereits mehr Menschen soziale Netzwerke als Zeitungen oder Nachrichtenmagazine.

Neue Erscheinungen treten auch bei der Wahrnehmung klassischer Medien zutage. So entstehen immer öfters sogenannte „Selbstbestätigungsmilieus“, zumeist Foren oder Gruppen in sozialen Medien, in denen sich Gleichgesinnte austauschen und keinen Widerspruch erfahren. Daraus entsteht das Bild der lügenden Presse. „Lügenpresse“. Nur die eigene Meinung zählt und wird damit zur Wahrheit.

Auch in der Schweiz, wo die No-Billag-Initiative polarisiert, wird das klassische System hinterfragt. Das ganze Land diskutiert zurzeit, was guter Journalismus ist. Einige wollen den Medienmarkt belassen, wie er ist. Andere wollen ihn privatisieren. Dass Journalismus profitabel sein muss, könnte vor allem der TV-Industrie zum Verhängnis werden. Bei den privaten Sendern in Italien oder Deutschland besteht das Fernsehprogramm aus seichten Unterhaltungsshows. Entertainment wird grossgeschrieben, der Rest vernachlässigt. Die Annahme der No-Billag-Initiative würde das staatliche Fernsehen in der Schweiz vermutlich in den Ruin treiben, ein qualitativ hochwertiger TV-Journalismus wäre kaum mehr finanzierbar.

Es ist eine Frage der Macht. Wer erhält wie viel Einfluss im Medienmarkt? Die No-Billag-Initiative bietet Stoff für diese Frage. Bereits heute befindet sich in der Schweiz beinahe die gesamte Medienlandschaft in den Händen weniger Unternehmen. Neben der SRG bestimmen die Verlage Tamedia, Ringier, Wanner und NZZ den Print- und Onlinemarkt und sorgen damit für eine Form der Monopolisierung. Dass der private Markt immer wieder für politische Einflussnahme missbraucht wird, zeigen bislang aber vor allem Beispiele aus dem Ausland. In Italien baute der ehemalige Ministerpräsident Berlusconi noch vor seiner politischen Karriere die Mediengruppe „Mediaset“ auf und instrumentalisierte sie später für seine Politkarriere. Ähnliche Versuche gibt es auch in der Schweiz, unter anderem von SVP-Politiker Christoph Blocher. Die Annahme der No-Billag-Initiative würde ohne Zweifel dazu verleiten, den TV-Markt für politische Zwecke zu nutzen.

Keine Besserung in Sicht

Das Internet hat gezeigt, wie tief es die Gesellschaft zu beeinflussen weiss. Ein zurück gibt es nicht mehr. Die Dynamik ist unaufhaltsam und wird sich in den nächsten Jahren noch intensivieren. Daran müssen sich auch die Print-Romantiker gewöhnen. Viele der Traditionszeitungen haben den Übergang zum Online-Journalismus verpasst und leiden nun darunter. Dazu muss das Angebot von Tageszeitungen angepasst werden. Sensationsjournalismus, nur über aktuellste Ereignisse, gibt es online zuhauf. Gefragt sind tiefgründige Analysen, ausgewogene Kommentare, die dem Leser einen Mehrwert zu den Gratisinformationen liefern.

Mit der Erstarkung des Populismus verschlechterte sich die Position der Medien, vor allem in der westlichen Welt, wo guter Journalismus fester Bestandteil der Gesellschaft ist. Die Zeitungen müssen sich neu erfinden. Mehr Interaktivität mit der Bevölkerung, mehr auf deren Kritik und Anregungen eingehen. Nur so können sie ihre Attraktivität erhalten. Charlie Sykes, früherer Moderator einer konservativen Radio-Talkshow, sagte im Interview mit „Al Jazeera“: „Dies ist eine fundamentale Herausforderung für den [amerikanischen] Journalismus. Und ich bin mir nicht sicher, ob wir ihr beikommen können.“

Geschrieben von:

Was ist deine Meinung? Schreib einen Kommentar!