Am vergangenen Sonntag hat die Schweiz einmal mehr abgestimmt und an der Urne ihre Meinung kundgetan. Doch kann man wirklich sagen, «die Schweiz» habe abgestimmt? Denn wer einen Blick auf die Stimmbeteiligungszahlen wirft, wird eher ernüchtert sein. Mit 41,2 Prozent hat nicht einmal die Hälfte aller Stimmberechtigten in der Schweiz abgestimmt. Ausserdem ist es gesamthaft gesehen ein eher unterdurchschnittliches Resultat. Was bedeutet das und wie können wir das interpretieren?

Die erste nationale Abstimmung, die ich kurz vor meinem 18. Geburtstag wirklich aktiv und gespannt mitverfolgt habe, kreierte damals vor zwei Jahren falsche Erwartungen. Mit einer Beteiligung von über 50% (die es so hoch seither nichtmehr gegeben hat) schien vor allem die Initiative über die Abschaffung der Billag bei vielen Bürgerinnen und Bürgern von Interesse gewesen zu sein. Zumindest was Schweizer Verhältnisse angeht, schliesslich gab es noch immer einen sehr grossen Bevölkerungsanteil, der ebenfalls noch seine Meinung hätte kundtun können. In den seither folgenden Abstimmungen erkannte ich jedoch rasch, dass nicht einmal 50% Stimmbeteiligung ein Standard ist. Im Gegenteil, manche Initiativen schafften es in den vergangenen zwei Jahren nicht einmal, 40% des gesamten Stimmvolk an die Urne zu locken.

Woran liegt das?

Es gibt einige Theorien, weswegen die Stimmbeteiligung hierzulande nicht sehr hoch ist. Eine davon beschäftigt sich mit der Frage, ob wir Schweizerinnen und Schweizer einfach so zufrieden mit den Gesetzen unseres Landes sind, dass wir es gar nicht mehr für nötig halten, abzustimmen. Dagegen kann allerdings argumentiert werden, dass selbst wenn wir zufrieden sind, wir weiterhin das Recht haben, bei einer Abstimmung unsere Meinung miteinzubringen. Denn wer komplett zufrieden mit allem ist, wird bei einer Abstimmung noch immer vor die Frage gestellt, ob er will, dass nun etwas verändert wird oder alles beim alten bleibt. Rein theoretisch müsste diese zufriedene Bürgerin dann trotzdem an die Urne gehen und dafür stimmen, dass alles so bleibt wie bisher, denn dies schien ja der Zustand gewesen zu sein, mit dem sie zufrieden war.

Da wir aber in der Schweiz sehr oft und regelmässig Abstimmungen durchführen, kann es manchen Stimmberechtigten auch einfach zu viel werden, was ich persönlich sehr schade finde. Es stimmt natürlich, dass es ein wenig Zeit beansprucht, sich hinzusetzen, die Vorlagen durchzugehen, sich im besten Falle gründlich zu beiden Positionen zu informieren und dann abzustimmen. Allerdings sollten wir uns diese Zeit trotzdem nehmen, da sie um einiges besser investiert ist, als die vielen Stunden, die wir beispielweise wöchentlich damit verbringen, uns Memes bei Instagram anzusehen.

In Verbindung damit steht natürlich auch…

dass einem womöglich das Interesse fehlt. Natürlich ist auf den ersten Blick nicht jedes Thema genau gleich relevant für uns, doch das bedeutet nicht, dass wir uns dazu nicht etwas informieren und uns anschliessend eine Meinung bilden könnten. Ausserdem werden wir explizit vom Staat nach unserer Meinung gefragt. Sollten wir diese dann nicht auch äussern?

Dass Abstimmen jedoch eine Frage des Interessens ist, lässt sich allerdings kaum abstreiten. Die Abstimmungen, an denen sich seit der Einführung des Frauenstimmrechts die meisten Stimmberechtigten beteiligt haben, sind die folgenden: Der EWR Beitritt (der damalige Vorläufer der EU), eine Abstimmung zum Thema «Gegen die Überfremdung» und auf dem dritten Platz landet die Abstimmung zur Schweiz ohne Armee.

Unsere Beziehung zur EU, Migrationspolitik und die Handhabung der Schweizer Armee sind alles Themen, die eine sehr grosse Bevölkerungsgruppe interessieren und deswegen bei Abstimmungen auch hohe Beteiligungen hervorrufen. Dazu muss gesagt sein, dass alle dieser Top-3-Beteiligungs Abstimmungen im letzten Jahrhundert durchgeführt worden sind. Auf einem ähnlichen Niveau (was die Beteiligung angeht) befindet sich die Durchsetzungsinitiative von 2016, die mit einer etwas kleineren, jedoch immer noch überdurchschnittlich hohen Prozentzahl auf Platz vier landet.

Zu wenig politische Bildung?

Eine letzte, eher beunruhigende Theorie zur kleinen Prozentzahl aller Abstimmenden, ist die folgende: Es gibt Menschen, die das Gefühl haben, die Politik, das Thema oder auch die Gesetzgebung zu wenig zu verstehen und deswegen nicht abstimmen. Solche Tendenzen können im Extremfall dazu führen, dass ganze Bevölkerungsgruppen, die sich nicht mehr in der Position fühlen, abzustimmen, auch aufhören, bei Abstimmungen repräsentiert zu werden. Denn obwohl die nicht Abstimmenden theoretisch schon eine Meinung hätten, spiegelt sie sich in den Resultaten nicht weiter und wird deswegen auch nicht umgesetzt. Um dies zu vermeiden setzen sich allerdings nun Menschen ein, die mit ihren möglichst verständlichen Videos über die kommenden Vorlagen aufklären und auch den weniger Informierten das Abstimmen näher bringen wollen. Ausserdem wäre es auch nicht verkehrt, bereits in den Schulen mehr politische Bildung zu vermitteln, was Teenager bereits vor ihrem stimmberechtigten Alter etwas mehr auf Politik sensibilisieren würde.

Zum Schluss bleibt nur noch zu sagen, dass politisches Engagement (welches sich natürlich nicht bloss auf die Teilnahme an Abstimmungen beschränkt) allgemein sehr wichtig ist und wir ein Recht darauf haben, unsere Meinungen zu vertreten. So fordere ich auch dich zur Beteiligung auf, denn jede Stimme ist wichtig!

Geschrieben von:

"Write it. Shoot it. Publish it. Crochet it. Sauté it. Whatever, Make!" - Joss Whedon

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