Wir alle kennen das Klischee: Als Schweizer werden wir von den Bürgern anderer Nationen als besonders aufgeräumt, fleissig, aber auch eher zurückhaltend beschrieben. Gründe dafür gibt es etliche und vollkommen weit hergeholt sind diese Beschreibungen schliesslich gar nicht. Was mich jedoch letztens überrascht hat, ist das Ausmass, welches unsere Zurückhaltung manchmal annimmt.

Die Deutschen raffen sich, laut Comedian Michael Mittermeier, im Urlaub immer zusammen. Hört man nur schon ein paar Worte in der Muttersprache, will man sofort herausfinden, ob der Sprecher dieser Wörter ebenfalls vom guten alten Heimatland kommt. Selbst wenn sich dann herausstellt, dass der vermeidliche Landsmann eigentlich ein Schweizer ist, wird trotzdem Freude verspürt, dass man sich in der Muttersprache unterhalten kann. So waren meine Gespräche mit Deutschen um einiges zahlreicher als die mit Schweizern, als ich letztens im Urlaub war. Denn die meisten Schweizer handhaben diese Situationen unter sich ganz anders.

Auf meinem Kurztrip habe ich sehr viele Male Schweizerdeutsch gehört. Doch jedes Mal, wenn ich dann auch angefangen habe, mich in der Hörweite der Schweizer in der Muttersprache zu unterhalten, verstummten die anderen. Plötzlich wurde weggesehen, Blickkontakt vermieden und einem aus dem Weg gegangen. Einmal haben zwei junge Frauen sogar angefangen, sich weiter auf Englisch zu unterhalten.

Was ich erst für eine Kuriosität hielt, deren Wurzeln ich bei mir selbst suchte, stellte sich aber als Phänomen heraus, von dem schon einige meiner Verwandten und Bekannten betroffen waren. Wir Schweizer scheinen tatsächlich keine Menschen zu sein, die sich sofort zusammenrotten, wenn sie einen Landsmann treffen. Nein, sogar das Gegenteil trifft ein!

Doch woran liegt das? Klar, wir gehen nicht ins Ausland, um schlussendlich wieder mit Landsleuten rumzuhängen, aber meistens freut man sich doch, wenn man an einem Ort, weit weg von zu Hause, ein Stückchen Heimat wiedererkennt? Vielleicht kommt es aber auch einfach auf den Ort an, wo sich zwei Schweizer treffen könnten. In Hotels an Badeorten ist es meiner Meinung nach nicht ganz so krass, wie in Städten.

Womöglich, weil es an einem Pool offensichtlich ist, dass sich hier Touristen tummeln, während in einer Stadt viele an der Hoffnung festhalten, nicht als Touri sondern als Einheimischer durchzugehen. Ich selbst würde sogar behaupten, diese Hoffnung manchmal auch in mir zu tragen. So kommt es schlussendlich, dass wir Schweizer uns auf Städtetrips am ehesten noch auf Englisch mit anderen Schweizern unterhalten, weil wir möglichst nicht als Touristen durchgehen wollen.

Oder aber wir verfallen dem grossen Schweigen, von welchem ich sogar selbst manchmal betroffen war, als ich Schweizerdeutsch im Ausland gehört habe. Nicht einmal deswegen, weil ich nicht als Tourist entlarvt werden wollte, sondern weil ich das Verhalten meiner Landsleute in den vergangenen Tagen übernommen habe. Es ist praktisch zur unausgesprochenen Regel geworden, dass wir einander im Ausland nicht grüssen und am besten einfach ignorieren. Und selbst, wenn mich das am Anfang sehr irritiert hat, habe ich mich sehr schnell daran gewöhnt und einfach mitgemacht.

Im Nachhinein ist es jedoch erneut sehr befremdlich, über dieses Verhalten nachzudenken. Es ist schon fast, als wären wir manchmal etwas menschenscheu. Damit bestätigen wir das Klischee unserer Zurückhaltung einmal mehr. Ich will mich also von nun an daran erinnern, eine gute Ausnahme der Regel zu sein und den nächsten Schweizer, den ich im Ausland treffe, lautstark zu fragen: „Chömät Siiie au uus dr Schwiiz?“

Und sei es nur, um die wahrscheinlich irritierte und peinlich berührte Reaktion beobachten zu können.

Geschrieben von:

"Write it. Shoot it. Publish it. Crochet it. Sauté it. Whatever, Make!" - Joss Whedon

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