Der grausame Tod des Afroamerikaners George Floyd, der nach einer brutalen Verhaftung, durch Polizisten verstarb, erschütterte die ganze Welt. Ich wollte herausfinden wie sich diese traurigen Ereignisse auf unsere Kultur in der Schweiz auswirken. Was diese Bilder und Videos bei uns auslösen, ob auch wir ein Rassismus Problem haben und was wir dagegen tun können.
Der Fall George Floyd
Die Videoaufnahme vom Tod des Afroamerikaners George Floyd, der nach einer brutalen Verhaftung, durch Polizisten verstarb, erschütterte durch das Internet die ganze Welt. Die Aufnahmen sind fast nicht anzusehen. Auf dem Boden liegt ein unbewaffneter Mann, welcher von vier Beamten heruntergedrückt wird, der Polizist kniet auf dem Genick des Opfers, welches nach Luft ringt, um sein Leben bettelt, das Bewusstsein verliert und später daran verstirbt. Sein Tod löst auf den Strassen und den sozialen Medien grosse Empörung aus. Es wird Gerechtigkeit und Gleichheit gefordert. Der Täter soll bestraft werden. Die ganze Rassismus Debatte entfacht sich neu und unter dem Banner « Black lives matter » , protestieren hunderttausende auf den Strassen der USA. George Floyd ist nicht der Erste, der durch die Hand eines Polizisten stirbt. Immer wieder sorgen ähnliche Fälle von brutaler Polizeigewalt in den Vereinigten Staaten für weltweite Schlagzeilen.
Was denken junge Schweizer/innen über dieses Thema?
Das Alter der befragten Personen liegt zwischen 18 – 25 Jahren.
Was lösen Bilder und Videos von Polizeigewalt und Unterdrückung wie zu dem Fall von George Floyd in dir aus?
Lora: Die Enttäuschung darüber, dass Polizisten, welche uns eigentlich beschützen sollten, das Gegenteil tun ist gross. Dass im Jahr 2020 in einer modernen funktionierende Gesellschaft, wie wir uns gerne nennen, immer noch solche Gewalt existiert ist einfach nur traurig.
Anouchka: Trauer, Wut und Verzweiflung. Und wenn ich ehrlich bin, auch Angst. Ich möchte diese Videos echt nicht mehr sehen, es ist traumatisierend.
In der Schweiz wird polizeiliche Gewalt nicht im gleichen Ausmass ausgeübt wie in die USA, oder besser gesagt, nicht so mediatisiert. Was, wenn sich das ändert und ich, meine schwarzen Brüder und Schwestern auch um unser Leben fürchten müssen? Das macht mir Angst. Ich sehe irgendwie kein Ende in dieser Hinsicht, und das macht mich traurig.
Warum ist das im Jahr 2020 überhaupt noch ein Thema?
Anouchka
Rima: Da ich weiss, wie viel Grausamkeit die Black Community erleben muss, habe ich oft nicht Kraft dafür, mir die Bilder und Videos anzuschauen. Jenes mit George Floyd brach mir das Herz. Ich wusste nicht, wie ich mit dem verzweifelten Gefühl in mir umgehen sollte. Wie kann man einen Menschen auf eine einzige Eigenschaft reduzieren? Wie kann man die Frechheit besitzen, seine Rasse /seine Nationalität über eine andere zu stellen? Ich habe daher vollstes Verständnis für die brutalen Reaktionen in den USA seitens Volk. Die Geschichte lehrt uns, dass wir Revolutionäre sein müssen, wenn wir etwas ändern wollen.
Anela: Für mich war es sehr schwierig, weil ich viele Freunde in den USA habe und der Gedanke daran dass das genau so gut jemand von ihnen hätte sein können, macht mich sehr traurig. Anfangs empfand ich Wut und Hass, mittlerweile ist es einfach nur noch Frust.
Was sind Themen, die dich als POC (People of Color) beschäftigen, bei welchen du denkst, dass sich weisse Personen keine Gedanken darüber machen/müssen?
Rima: Im Vergleich zu anderen Staaten kann ich mit einem sicheren Gefühl durch die Schweiz schlendern und ich werde mittlerweile seltener mit dem versteckten Rassismus konfrontiert.
In der Schweiz besteht nicht eine Schwarz/Weiss, sondern mehr eine Schweizer/Ausländer Diskrepanz. Dennoch bekommen viele Schwarze ihre Hautfarbe beispielsweise bei der Stellensuche zu spüren. Ebenfalls wird eine Gruppe Dunkelhäutiger bei einer Polizeikontrolle eher kontrolliert.
Nichtsdestotrotz fühle ich mich sicher in meiner Haut und bin schlagfertig genug, um von Zeit zu Zeit einer begrenzt bedachten und mit Dummheit geschmückten Aussage mit Fakten und Stolz zu begegnen. Grosse Bedenken wegen meiner Hautfarbe habe und werde ich nicht haben.
Anouchka: Werde ich jemals einen Job kriegen können, bei dem ich als öffentliche Person tätig sein kann, wie z.B. Journalistin? Die Angst ist da, dass Menschen mich dann weniger ernst nehmen oder sich weniger interessieren, als wenn eine weisse Person da stehen würde. Ich stelle mir Fragen wie: Kommt diese Dame/dieses Paar nicht zu mir in mein Abteil weil ich schwarz bin? Wie werden meine Kinder auf dieser Welt leben und behandelt werden?
Hast du schon einmal Rassismus erlebt?
Gleidis: Ja, ich habe in der Oberstufe Rassismus erlebt. Einer meiner Klassenkameraden machte sich über mich lustig und sagte mir immer, dass wir schwarzen Frauen hässlich seien und stinken würden. Auch andere bestätigten dazumal dass was er sagte. Diese Aussagen, spezifisch die dieses Schülers haben dazu geführt dass mein Selbstvertrauen sank und manchmal sogar in meiner schwarzen Haut nicht wohl fühlte.
Rima: Bereits als kleines Mädchen wurde ich oft mit Rassismus konfrontiert. Meine Hautfarbe habe ich vor allem im Vergleich mit Anderen zu spüren bekommen. Ich wechselte von Sportart zu Sportart, da ich mich in keinem Club gleichberechtigt fühlte. Als Immigrantin waren meine Deutschkenntnisse zu Beginn sehr vage. Dieser Umstand führte zu unzähligen rassistischen Auseinandersetzungen.
Bereits als kleines Mädchen wurde ich oft mit Rassismus konfrontiert.
Rima
Anela: Persönlich wurde ich bereits wegen meiner Nationalität diskriminiert. Aber ich habe auch schon miterlebt wie Freunde von mir aufgrund ihrer Hautfarbe beleidigt wurden. Wir standen gemeinsam auf der Strasse und unterhielten uns, als drei Männer direkt auf uns zukamen, in einen meiner Kollegen hineinlief und ihm sagte: «Geh doch aus dem Weg, du scheiss Neger.». Ich war schockiert und dieser Vorfall hat mich sehr traurig und wütend gemacht.
Luisa: Leider ja, meine Familie in Deutschland ist sehr altmodisch. Einmal brachte mein Onkel einen arabischen Freund mit zu meinem Opa. Mein Opa sagte mir dann, ich solle ihm nicht zu nahe kommen und versteckte alle herumliegenden Wertsachen. Damals war ich zu jung um das zu verstehen, aber heute schäme ich mich für ihn und es macht mich traurig.
Lora: Rassismus ist ein alltägliches Thema, welchem man an allen Ecken begegnet. Denn vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass dies bereits vlt. in einem Tram beginnt in welchem man lieber steht, als sich neben eine Person mit einer anderen Hautfarbe oder beispielsweise mit einem Kopftuch zu setzen. Auch in der Berufswelt, gibt es Personen welche sich weigern mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten, welche ein gewisses Aussehen oder eine gewisse Nationalität haben.
Hast du etwas dagegen unternommen in dieser Situation?
Gleidis: Ich habe mich in diesen Situationen nicht sonderlich gewehrt, weil ich Angst und nicht genug Mut hatte um mich dagegenzustellen. Nur ab und zu sagte ich etwas dazu, wie zum Beispiel dass nur weil er diese Ansichten hatte, das nicht bedeuten würde, dass das auch wirklich so sei.
Rima: Als wir in die Schweiz einreisten, betonte meine Mutter unzählige Male, dass wir Menschen, die uns etwas Böses sagen, ignorieren sollten. Lange konnte ich jedoch nicht auf ‚meinem Mund‘ sitzen und die Ungerechtigkeit über mich ergehen lassen, was zu vielen Konflikten mit Mitschülern und Lehrern in der Schule führte.
Anela: Ja ich habe reagiert und mich dazu geäussert. Denn ich finde man muss in solchen Situationen eingreifen. Denn wenn du vor deinen Augen Unrecht geschehen lässt ohne etwas dagegen zu tun, bis du meiner Meinung nach genau so schuldig wie der Täter.
Luisa: Damals habe ich nichts unternommen. Hätte er sowas heute abgezogen, hätte ich ihm ordentlich meine Meinung gesagt.
Lora: Ich versuche in solchen Situationen, dann einfach gegen zu wirken indem ich mich dann genau neben diese Personen setze und somit zeige dass das einfach nur Menschen sind wie du und ich auch. Ebenfalls versuche ich in der Schule sowie in der Berufswelt diese Themen anzusprechen um etwas dagegen zu tun.
Warst du selbst bereits einmal rassistisch? Wie hat es sich in diesem Moment angefühlt und wie fühlt es sich nun an?
Luisa: Als ich in der Primarschule war, bestimmt. Wir hatten viele Migranten und verschiedene Kulturen in der Schule, ich habe bestimmt den einen oder anderen Spruch abgegeben. Das ist mir heute peinlich und passt nicht zu meinen Prinzipien.
Heute sind es eher die Vorurteile, die ich teils im Hinterkopf habe, an denen ich arbeite.
Luisa
Lora: Ich denke jeder von uns war in seinem Leben bereits einmal rassistisch, dies wahrscheinlich meistens nicht einmal bewusst, sondern einfach durch die Vorurteile, welche wir in uns tragen. Ich bin auch eine Person welche sehr gerne Witze macht, deswegen kann ich mir gut vorstellen, dass sich gewisse Leute bereits von angegriffen gefühlt habe. Wichtig ist zu erkennen, wo die Grenzen liegen. Das ist für viele Menschen sehr schwierig, da viele gar nicht wissen was Rassismus genau heisst und ab wann es wirklich Rassismus ist.
Was können wir gegen Rassismus tun? Was möchtest du unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Lora: Der Sinn meiner Meinung nach Rassismus zu bekämpfen ist ein Gleichgewicht in der Gesellschaft zu erschaffen in welchem wir alle gleich behandelt werden.
Informiert euch darüber was Rassismus genau heisst und dann habt ihr auch die viel bessere Möglichkeit dagegen anzukämpfen.
Lora
Rima: Wir leben im 21. Jahrhundert, können mit 3D-Drucker Gegenstande ausdrucken, sind an der Erfindung von fliegenden Autos und flogen bereits einige Male auf den Mond. Wo bleibt dann der Platz, um etwas schlechteres in seinem Gegenüber zu sehen, wenn wir doch alle der Rasse Mensch angehören?
Anouchka: Ich habe ein gutes Bild im Internet gesehen, auf welchem steht:
Ich finde das ist schon ein guter Ratschlag. Hört zu, nehmt es ernst und macht was dagegen. Sensibilisiert euch und ignoriert das Problem nicht, das macht es nur schlimmer.
Luisa: Die Menschen aus deinem Umfeld haben einen grossen Einfluss auf deine Meinung, doch mache dir immer selbst ein Bild, informiere dich und lerne.
Gleidis: Meiner Meinung nach wäre es wichtig bereits in der Schule den Kindern Werte wie Respekt, Menschlichkeit und Solidarität näher zu bringen.
Ich denke, hätte unsere Gesellschaft von klein auf dies gelernt bekommen, würden wir in einer viel besseren Welt leben.
Gleidis
Anela: Es passiert, wir wissen es, jetzt ist es Zeit es auszusprechen. Nutzt eure sozialen Medien, teilte Beiträge, unterzeichnet Petitionen, ruft an, spricht mit eurem Umfeld über dieses Thema. Nutzt eure Stimmen. Dabei sollten wir uns nicht voneinander abgrenzen oder uns durch unsere Hautfarbe differenzieren, wir sollten uns alle als Menschen sehen, welche für andere Menschen kämpfen.
Ich danke allen Personen, welche an diesem Text mitgewirkt haben. Bei den Interviews handelt es sich um eine persönliche Meinungen und Erfahrungen der befragten Personen. Das Ziel hierbei ist es die Sichtweisen anderer darzustellen und sich gegenseitig zum Nachdenken anzuregen.
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Berührender und pulsierender Artikel. Danke dafür! Gemeinsam werden wir es schaffen.