Der seit 2014 anhaltende Konflikt um die ukrainische Halbinsel Krim und den Osten der Ukraine spitzte sich vor drei Wochen erneut zu. Nachdem die russische Küstenwache drei ukrainische Marineschiffe in der Strasse von Kertsch beschoss, rief der Präsident der Ukraine ein 30-tägiges Kriegsrecht aus. Doch wie kam es zu den Kriegshandlungen? Der Bürgerkrieg in der Ukraine – ein vergessener Krieg innerhalb unseres Kontinents.

21.02.2014, Kiew, Ukraine: Die Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten der Maidanbewegung und den Sicherheitskräften eskalieren. Der Ex-Präsident der Ukraine, Viktor Janukowytsch, flieht und die Opposition übernimmt die Macht innerhalb des Landes. Dieser Umsturz der innenpolitischen Macht löste vor vier Jahren eine Welle aus, die zu einem bewaffneten Konflikt zwischen dem ukrainischen Militär und prorussischen Separatisten führte. Ein Bürgerkrieg innerhalb Europas, dem bereits im Jahre 2016 ca. 10`000 Menschen zum Opfer fielen. Laut der Zeit online, waren ein Fünftel davon Zivilsten. Nach 4 Jahren Krieg scheint die Sicht auf eine Lösung meilenweit entfernt. Wie kam es überhaupt zu den Protesten im Februar 2014?

Vom kleinen Funken zu einem Flächenbrand

Die Ukraine hatte bereits vor den Gewaltausbrüchen auf dem Maidan erhebliche Wirtschaftsprobleme. Die Schere zwischen arm und reich war, und ist immer noch, weit offen. Innerhalb des Landes bestand der Wunsch, wirtschaftlich enger mit der EU und dem Westen zusammen zu arbeiten und militärisch dem Verteidigungsbündnis NATO (Nord Atlantic Treaty Organisation) beizutreten. Die EU war dazu bereit, mit der Ukraine das sogenannte Assoziierungsabkommen abzuschliessen. Doch die eher Russland zugewandte ukrainische Regierung unter Viktor Janukowytsch unterzeichnete das Abkommen nicht. Dies war der letzte Funke, der dem bereits lodernden Feuer die Gelegenheit bot, sich zu einem Flächenbrand über die ganze Ukraine auszudehnen. Tausende Ukrainer und Ukrainerinnen nahmen daraufhin den Protestmarsch auf den Maidan auf. Als Schutz vor den Demonstranten setzte die Regierung Sicherheitskräfte in Bereitschaft. Laut der NZZ nahmen die Spannungen zu, als die ukrainische Regierung mit einem strengen Gesetz die Versammlungs- und Meinungsfreiheit einschränkte. Als es dann im Februar zu gewaltigen Ausschreitungen kam, schossen die Sicherheitskräfte mit scharfer Munition auf die Masse – um die 100 Menschen wurden dabei getötet.

Umsturz in der Ukraine mit Folgen einer Annexion

Nachdem sich der ehemalige Präsident der Ukraine, Viktor Janukowytsch, nach Russland abgesetzt hatte, übernahm die Opposition die Führung des Landes. An die Stelle des Präsidenten trat der jetzige im Amt stehende Petro Poroschenko. Mit dem Amtsantritt des 53-jährigen Politikers gab es in der Ukraine einen schnellen, politischen Umschwung. Die NZZ berichtet, dass kurz nach diesem Umschwung die ukrainische Halbinsel Krim von Soldaten ohne Hoheitsabzeichen besetzt wurde. Später war klar: Bei diesen Soldaten handelte es sich um Angehörige der russischen Armee.

Auf der Krim wurden unter russischer Besatzung Abstimmungen abgehalten. Die Bevölkerung der Halbinsel musste bestimmen, ob die Krim weiterhin zur Ukraine oder zu Russland gehören sollte. Rund 93% stimmten gegen einen Verbleib in der Ukraine, so berichtet der Spiegel. Die europäische Union und die USA erkennen den Statuswechsel der Krim bis heute nicht an. Sie bezichtigen Russland dafür, die Halbinsel annektieren zu wollen und sehen das Referendum nicht als offizielle Abstimmung. In einer Rede über den Beitritt der Krim zur russischen Föderation, rechtfertigte Vladimir Putin die Intervention mit Verweisen auf die gemeinsame Geschichte der Halbinsel und des Landes, sowie der Stimmung der Bevölkerung, welche sich mehrheitlich für den Anschluss aussprach. Im April 2014 stürmten daraufhin prorussische Demonstranten die Verwaltungen von Landesteilen im Osten und Süden der Ukraine. Dies war der Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine.

Die Reissfestigkeit des Donbass

Hauptkriegsschauplatz in der Ukraine ist heute der Donbass. Er umfasst die ukrainischen Gebiete Donetzk und Lugansk, welche beide nahe der Grenze zu Russland liegen. Hier bekämpfen sich das ukrainische Militär und die sogenannten «prorussischen Separatisten». Aber auch die nationalistische Splittergruppe, das «Azov-Battalion», kämpft auf ukrainischer Seite gegen die prorussischen Streitkräfte. Wie Reuters berichtet, handle es sich beim «Azov-Battalion» um Rechtsextreme, die innerhalb des Landes für Einschüchterung und Gewalt sorgen.

Doch  woher kommen diese bewaffneten prorussischen Soldaten? Von wem werden sie unterstützt? Nach dem Spiegel ist klar, dass die Regierung Russlands die kämpfenden Parteien in Donezk und Lugansk unterstützt. Ohne die Hilfe Russlands wären die Gebiete aufgrund ihrer Abkapslung von der Ukraine nicht überlebensfähig gewesen. Durch den Donbass droht die Ukraine in zwei Teile zu zerbrechen. Auf der einen Seite will die ukrainische Regierung die beiden Gebiete weiterhin in das Land eingliedern können, auf der anderen Seite wollen die von Russland unterstützten prorussischen Separatisten ihre eigenen Volkrepubliken Donetzk und Lugansk ausrufen. Die Frage ist, wie lange die Reissfestigkeit der Ukraine noch auf die Probe gestellt werden kann.

Droht ein neuer kalter Krieg?

Am 25 November drohte der Konflikt in der Ukraine erneut zu eskalieren. Drei ukrainische Marineboote gerieten in der Meerenge von Kertsch, welche zwischen dem russischen Festland und der Krim liegt, unter Beschuss durch die russische Grenzwache. Daraufhin wurden die Boote festgesetzt und die Besatzung verhaftet. Russland habe das Manöver der Schiffe als Provokation angesehen. Nach diesem Vorfall rief der ukrainische Präsident Petro Poroschenko ein 30-tägiges Kriegsrecht aus. Wie Nau.ch berichtet, ist es kein Zufall, dass das Kriegsrecht gerade jetzt ausgerufen wird. Poroschenko will seine erneute Präsidentschaft im März nächsten Jahres absichern. Aufgrund des momentan geltenden Kriegsrechts könnte sich die Präsidentschaftswahl verschieben.

Der Bürgerkrieg in der Ukraine spaltet nicht nur das Land selbst. Auch die Beziehungen zwischen den USA und Russland hängen vom Vorlauf des Konflikts ab. Der US-Präsident Donald Trump sagte ein zuvor geplantes Treffen mit Vladimir Putin ab, aufgrund der Auseinandersetzungen in der Strasse von Kertsch. Die ukrainische Regierung bittet nun auch die EU und die NATO um Hilfe. Die einstige Pufferzone zwischen der EU und Russland droht, sich in ein pro-westliches und in ein pro-russisches Lager zu spalten. Welche Folgen das für die Ukraine hätte, sowie auf die internationalen Beziehungen zwischen dem Westen und Russland, ist unklar.

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