Der Artikel 22 der Schweizerischen Bundesverfassung lautet wie folgt:
(1) Die Versammlungsfreiheit ist gewährleistet.
(2) Jede Person hat das Recht, Versammlungen zu organisieren, an Versammlungen teilzunehmen oder Versammlungen fernzubleiben
Schweizerische Bundesverfassung
Diese Rechte, nebst zahlreicher anderer, sind momentan auf Grund der Notverordnung jedoch nicht mehr gültig. Das macht im ersten Moment Sinn, denn wenn wir uns vor allem über Tröpfcheninfektion am Coronavirus anstecken können, sind Menschenmassen gerade nicht das, was uns vor hohen Ansteckungszahlen schützt. Trotzdem bleibt jedoch unser Recht auf freie Meinungsäusserung. Wie aber soll dies umgesetzt werden, wenn weder Demonstrationen noch öffentliche Kundgebungen möglich sind?
Online Demos und Notrechtsverletzungen
Es gibt momentan zwei Strömungen von Demonstrierenden. Diejenigen, die ihren Protest in die virtuelle Welt verlegt haben und dort Videos, Bilder und Texte veröffentlichen, um sich damit Gehör zu verschaffen. Diesen Weg wählten beispielweise die linken Jungparteien am 1. Mai oder auch der Klimastreik, dessen Strike for the Future morgen, am kommenden Freitag dem 15. Mai, hätte stattfinden sollen. Mit der Challenge for the Future wurde eine Onlinelösung gefunden. Allerdings sind solche Kompromisse nicht das, womit man die Menschen am besten erreicht.
Genau deswegen gibt es noch die zweite Strömung. Diejenigen, welche trotz Versammlungsverbot nach draussen gehen und vor Ort demonstrieren. Dass dies allerdings nicht erlaubt ist, nehmen die Demonstrierenden in Kauf. Allerdings gibt es nicht bloss den einen Typus der unerlaubten Demonstration, denn nicht alle verhalten sich gleich, wenn es um Einhaltung anderer Vorschriften geht.
Trotz Versammlungsverbot vor Ort
Am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, fanden beispielweise nicht nur Online-Aktionen statt, sondern auch einzelne kleinere Kundgebungen vor Ort. Während in Zürich die Polizei immer sofort einschritt, die Leute weg wies und die Gruppen auflöste, agierte die Basler Polizei anders. Der Abstand sei eingehalten worden, deswegen liessen sie die Demonstrierenden gewähren.
Einige Tage später versammelten sich eine Hand voll Klimaaktivisten vor der Berner Expo, wo zu dieser Zeit das Parlament mit ihrer Sondersession tagte. Es war keine grosse Menschenmasse sondern nur einige junge Menschen, die den Abstand wahrten und Schutzmasken trugen. Trotzdem schritt auch dort die Polizei ein und beendete den Protest.
Am vergangenen Wochenende fanden dann in grösseren Schweizer Städten, darunter Bern, Zürich und St. Gallen erneut Demonstrationen statt. Diese richteten sich hauptsächlich gegen die Corona-Massnahmen des Bundes. Allerdings befanden sich unter den Teilnehmenden auch einige Verschwörungstheoretiker, die beispielweise die Meinung sind, das Virus sei von Bill Gates ausgelöst worden, der nun allen Zwangsimpfungen verkaufen will. Es beteiligten sich Familien, Kinder, aber auch viele ältere Menschen. Ein ziemlich heterogener Haufen also, der dort für seine Rechte demonstrierte. Diesmal allerdings ohne Sicherheitsabstand oder Schutzmasken. Im Falle von Bern, griff die Polizei dieses Mal allerdings nicht ein, gerade deswegen, weil eben auch Kinder und Familien anwesend waren. Die Teilnehmenden wurden jedoch aufgefordert, die Plätze zu räumen. Es wurden zu dem auch Bussen verteilt.
Schutzkonzept für Demonstrationen
Die verschiedenen Reaktionen auf die verschiedenen Demonstrationen sind momentan der Brennstoff für hitzige Debatten über das (nicht-) Einschreiten der Polizei. Was ist verhältnismässig, was ist übertrieben? Genau deswegen wird nun auch ein einheitliches Schutzkonzept verlangt, welches es wieder möglich machen sollte, trotz den herrschenden Massnahmen und Verordnungen zu demonstrieren.
Nach wie vor sollten die Bürgerinnen und Bürger das Recht haben, ihre Meinungen im öffentlichen Raum kundzutun. Dass dies allerdings schwierig umzusetzen wird, ist ebenso klar. Trotzdem ist es wichtig, es einheitliche Weisungen gibt, wie im Falle einer Demonstration einzuschreiten ist und dass dies nicht zuletzt auch davon abhängen sollte, ob noch andere Vorschriften verletzt werden oder nicht.
So ist meiner Meinung nach eine Demonstration mit einigen wenigen Leuten, die den Abstand einhalten und Schutzmasken tragen um einiges vertretbarer, als die Demonstrationen vom Wochenende, wo auf Grund der fehlenden Hygiene- und Schutzmassnahmen das Ansteckungsrisiko viel grösser war. Ganz egal, um welches Thema es sich bei der Kundgebung nun handelt.