Während Schüler und Studenten für eine klimafreundliche Zukunft die Strassen besetzten, die Eltern die Köpfe schütteln, so wartet die ältere Generation Grossbritanniens tagsüber vor dem Parlament, um auf der einen Seite den Brexit durchzuführen, andererseits ihn aufzuhalten. Ich selbst habe beim Thema Brexit schon lange den Durchblick verloren und frage mich deshalb nur noch: Gehen die jetzt eigentlich, oder bleiben sie?

Falls du noch nie vom Brexit gehört hast

Vor circa zwei Jahren haben knapp 52 % der britischen Wähler für einen Austritt aus der Europäischen Union gestimmt. Wobei die Mehrheit der von 72 % beteiligten schottisch und irischen Wähler sich dagegen aussprachen, wurde der Ball für ein «Independent Britain» ins Rollen gebracht. Die Idee, sich abzusetzen ist jedoch nicht erst seid kurzem Thema. Obwohl beispielsweise Churchill eine Art «Vereinigte Staaten von Europa» bevorzugte, trat die UK erst in den Sechzigerjahren dem europäischen Bunde bei. Tatsächlich gab es bereits 1975 einen Ausstiegsversuch, der jedoch mit 67 % abgebremst wurde.

Demonstrierende Nahe des britischen Parlaments.

Die Idee zum erneuten Brexit ist besonders auf die Schuldenkrise im Euroraum zurückzuführen. Die Skepsis der Briten wuchs, und die Angst nach gravierenden Konsequenzen wuchs. Die konservative Theresa May, Nachfolgerin des damals zurückgetretenen David Cameron, wurde zur Leitfigur der Verhandlungen.

Wir gehen jetzt!

Im November 2018 einigten sich die britische Regierung und die EU auf eine Austrittsvereinbarung und eine Willenserklärung. Diese umfasste rund 585 Seiten und deklarierte den genauen Verlauf der Übergangsphase, eine Lösung danach, Bürgerrechte, Restzahlungen an die EU und das künftige Verhältnis zwischen der Insel und dem europäischen Festland. Trotz allem wurde sie anfangs 2019 vom britischen Unterhaus mit 432 gegen 202 Stimmen abgelehnt.

Dies war eine Folge zuvor heftiger Diskussionen und starker Unstimmigkeit gegenüber der Vereinbarung. Brexitopponenten argumentieren, dass ein solcher Vertrag gar schlechtere Verhältnisse als zuvor als EU-Mitglied mit sich bringen würde. Theresa May hatte im Anschluss an die gescheiterte Verhandlung mit einem Misstrauensvotum zu kämpfen, verlor mehrere Minister in ihrem Kabinett und hofft nun auf Nachverhandlungen mit der EU.

Grossbritanniens gespaltenen Bürger setzten sich für ihre jeweils starken Meinungen ein.

Dann gehen wir halt ohne Deal!

Obwohl diese Option auf keiner Seite «their cup of tea» ist, beschäftigen sich die EU sowie auch Grossbritannien mit einem No-Deal-Szenario. Markttechnisch würde Grossbritannien gegenüber Europa den Status eines Drittlandes erhalten. Ausserdem würden kurzfristig wieder Zoll- und Passkontrollen eingeführt werden, was sehr lange LKW-Rückstaus zur Folge hätte (Schätzungsweise bis zu 50 km). Dies wiederum hätte Nachschubprobleme und Mehrkosten durch Zölle zur Folge.

Am 12. März stimmte das Parlament ein weiteres Mahl über Mays Deal ab. Am 13. März entschieden sich die sogenannten MPs gegen einen No-Deal-Brexit und verschoben somit das Ende der Übergangsphase nach hinten. Bis am 20. März muss sich das britische Parlament mit Mays Austrittsdeal einverstanden erklären, ansonsten würde das gesamte bis zum 30. Juni herausgezögert werden. Das schwierige an dem Ganzen; der Deal wurde bereits zweimal von den MPs mit bestimmter Mehrheit abgelehnt… Es ist und bleibt eine verflixt komplizierte Angelegenheit.

Wie geht’s dann weiter?

Grossbritannien wird am 29. März 2019 formell aus der Europäischen Union austreten. Damit beginnt die Übergangsphase, die ab Juli 2020 möglicherweise verlängert wird. Am 31. Dezember 2020 endet die ursprünglich angesetzte Übergangsphase. Falls jedoch keine Einigung der Parteien für ein Freihandelsabkommen erreicht werden konnte, würde eine Notfallregelung bzw. ein Backstop eingesetzt werden.

Grundsätzlich waren die Briten von Beginn an sehr zwiespältig. Die einen möchten sofort gehen, andere auf jeden Fall bleiben. Obwohl die Stimmung im alltäglichen Londoner Leben kaum beeinträchtigt wird von den hitzigen Diskussionen im Parlament, ist der Brexit doch immer und überall Gesprächsthema. Sei es im Kontext mit dem brandschwarzen englischen Humor oder täglichen Achselzucker, da doch niemand so wirklich weiss, was die Engländer eigentlich wollen. Eines steht fest, so leicht lässt sich das Volk nicht beirren und auch bei Wind und rauem Wetter, lässt es sich die ältere Generation nicht nehmen, ihre Schilder hervorzuholen und für ihre vermeintlich beste Zukunft am Rande des Strassenrandes zu stehen.

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