Mani Matter hat es schon vor vielen Jahren auf den Punkt gebracht: Viel zu oft im Leben stehen wir uns selbst im Weg, «wil mir Hemmige hei». Diese zeigen sich bei jedem etwas andres, doch die folgenden Beispiele werden es veranschaulichen können: «Zwar würde das Restaurant auf der gegenüberliegenden Strassenseite interessant aussehen. Doch das ist nicht wirklich etwas für jemanden wie mich. Besser ich gehe an einen altbekannten Ort» «Im Tram vor mir sitzt jemand mit richtig schönen Schuhen, doch ich kann mich jetzt nicht einfach vorbeugen und fragen, woher sie diese hat…» «Ich hätte ihn schon lange um ein Date bitten wollen, aber lieber warte ich noch ein wenig…»
Jeder Mensch hat Impulse oder Wünsche, Dinge zu tun, doch davon schmettert er innerlich auch sehr viele wieder ab. Manchmal ist es nur reine Neugier die uns dazu verleitet. In solchen Fällen ist es dann weniger schlimm, wenn wir uns gehemmt dazu entscheiden, etwas nicht zu tun. Ein Beispiel dafür wäre, wenn sich ein Mann fragt, was wohl passieren würde, wenn er statt dem Besuch einer Toilette, einfach auf dem Dach eines Hochhauses Wasser lassen würde. Würde er jemanden treffen? Die Frage ist nicht uninteressant, doch zuliebe aller unten vorbeigehenden Passanten ist die Hemmung, es nicht zu tun, in diesem Falle wohl nicht übel.
Wenn wir jedoch auf das Restaurant auf der gegenüberliegenden Strassenseite zurückkommen, ist es jedoch eine verpasste Gelegenheit, sich wegen der Hemmung nicht hinein zu trauen. Möglicherweise sieht das Lokal von aussen recht chic aus und man denkt sich: Das ist nur etwas für gehobene Leute. Aber wieso denn eigentlich? Solange kein Dresscode oder Einladung verlangt wird, steht es jedem offen, sich hineinzubegeben. Es gibt keine «Klassengrenze», die uns daran hindern würde. Selbst wenn wir uns dann drinnen befinden und erst dann bemerken, dass uns die Preisklasse wohl wirklich nicht entspricht, haben wir genau dasselbe Recht, einfach wieder hinauszugehen. Es sollte kein «aus Anstand trotzdem etwas bestellen» geben, genauso wenig wie uns ein erster äusserer Eindruck gleich zu einem Selbstausschluss verleiten sollte, weil wir gehemmt sind.
Doch das Problem gibt es nicht nur bei chic wirkenden Restaurants sondern auch im Ausgang, wenn man sich selbst als Gruppe noch immer nicht wirklich dafür berechtigt hält, eine «Stammkneipe» anderer Leute zu besuchen. Natürlich kommt man sich am Anfang eventuell etwas fremd vor, doch das vergeht, genauso wie die Hemmungen.
Es ist lediglich ein stetiges sich-aus-der-Komfortzone-heraus-Trauen
Manchmal klappt es besser und manchmal weniger gut, denn es kommt immer auf die Situation an. Doch wenn du dich immer wieder traust, etwas zu tun, was dir nicht ganz geheuer ist, wird es immer besser. Wahrscheinlich wird nie der Punkt kommen, an dem du jede Situation furchtlos meistern kannst, denn manchmal schützen uns unsere Ängste auch ein wenig. Doch du lernst dich mit der Zeit zu überwinden. So wird es dir leichter fallen, Leute anzusprechen, dich schamlos nach einem Weg zu erkundigen, alleine Dinge zu tun, die du früher nur in Gruppen unternommen hast und noch viele weitere kleine Dinge, von welchen dich diene Hemmungen womöglich abhalten könnten.
Wichtig ist auch, nicht immer alles unglaublich ernst zu nehmen. Thomas Nagel, ein bekannter, zeitgenössischer Philosophe, vertritt diese Meinung ebenfalls. Unser Leben ist im Gesamtkontext des Universums sowieso nur so ein kleiner Teil, dass es eigentlich komplett egal ist was wir tun. So ist es strenggenommen sogar lächerlich, dass wir uns und all unsere Handlungen immer so ernst nehmen wollen. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf verlieren möglicherweise auch einige unserer Hemmungen an Bedeutung. So wird es dir vielleicht beim nächsten Mal etwas einfacher fallen, dich deinen Hemmungen zu stellen und sie zu überwinden.