Eigentlich wollte ich für den Beginn des Januars über den «Veganuary» schreiben und weshalb der vegane Lebensstil immer mehr Menschen in seinen Bann zieht. Doch anstatt die Leser von Tize.ch über eine umstrittene und hochgepriesene Ernährungsart aufzuklären möchte ich, passend zum Neujahrsbeginn, über das Jetzt sprechen.
Ich verbrachte Neujahr in London. Ein Ort des Wandels, in der mehr als 300 Sprachen gesprochen werden und die Frage: «Woher kommst du?», am häufigsten gestellt wird. Gemeinsam mit einer sehr guten Freundin machte ich die Stadt unsicher. Wir lachten, quatschten oftmals über belanglose aber dafür lange über sehr tiefgründige Themen. Wie beispielsweise über das hier und jetzt.
Die nächsten 10 Jahre sind leider ausgebucht
Die Lehre beendet, das Gymnasium erfolgreich abgeschlossen, was nun? Sechs Monate ins Ausland, Studium, eine WG, am besten mit drei Freunden, Auslandsemester in Australien, eventuell ein Master, ein Jahr Praktikum, dann Einstieg ins Berufsleben und damit der Beginn einer steilen Erfolgskarriere. Privat sieht es ähnlich steil aus. Verloben, heiraten, Sohn und Tochter und das Verlangen nach einer Weltreise sollte selbstverständlich auch noch gestillt werden. Kurz und gut, die nächsten zehn Jahre sind fest geplant und wenn auch bloss einer der dabei integrierten Menschen nicht dem vorgeschriebenen Skript folgt, dann gute Nacht.
Zukunftspläne oder doch nur Ängste
Neues Jahr, neues ich. Und damit auch ganz neue Ziele. Ziele, die in einigen Tagen, Wochen, vielleicht auch Monate oder Jahre auf uns warten erreicht zu warten. Was aber tatsächlich wartet, ist das jetzt. Während ich das Silvestergefühl in Grossbritanniens Hauptstadt genoss, schweiften meine Gedanken bereits in der Zukunft, wenn ich endlich zurück in der Schweiz bin. Ich hoffe, ich bestehe die Englisch-Prüfung. Aber was mache ich dann? Vielleicht Geld verdienen, aber wo? Und wie, dass mit dem Ausziehen und Studieren funktionieren soll, weiss ich auch nicht. Ja, und was, wenn ich keinen Anschluss finde? Reisen möchte ich dann auch noch, nur mit welchem Geld.
Urplötzlich schwelge ich nicht mehr in Vorfreude, sondern entwickle unnötige Zukunftsängste, die doch eigentlich erst in ferner Zukunft liegen. Auf einmal schmeckt mein Kaffee so bitter, wie die Zukunft, die sich soeben vor meinem inneren Auge gebildet hatte.
Das Hier und Jetzt geniessen…
Im jetzigen Moment ist es doch eigentlich egal, was sein wird oder sein kann. Es ist egal, wohin und wann du verreisst. Am wichtigsten ist das gemeinsame Diskutieren, bei Kaffee und Kuchen, in der windigsten Stadt in der ich jemals war. Wichtig ist, dass das Baby auf dem Arm der Mutter am Tisch nebenan, laut anfing zu Kichern, während die Mutter es mit einem sanften Lächeln versuchte zu füttern.
Wichtig ist, dass Jetzt, mit Menschen, die wichtig sind und die trotz ihrer unermüdlichen Art immer da zu sein, auch etwas Aufmerksamkeit erhalten sollten. Sei es gemeinsames «Käfele», eine lange Wanderung oder mal eben eine Zugfahrt durch die Schweiz.
… und manchmal nach vorne blicken
Natürlich ist es mehr als verständlich nebst allen tollen Momenten auch nach vorne zu blicken. Schliesslich verlangt auch eine Universität, dass man sich bis spätestens Ende April anmeldet und nicht erst auf den letzten Drücker. Alles danach sollte man auf sich zukommen lassen. Respekt ist da. Vielleicht auch etwas Zukunftsangst. Aber beeinflussen lässt es sich ja doch nicht. Also lebe ich von heute an heute und nicht mehr morgen und geniesse diesen einen Kaffee am 1. Januar in vollen Zügen.
1 Comment
Du sprichst mir aus der Seele. Man verschwendet meiner Meinung nach viel zu viel Zeit damit, sich Sorgen um die Zukunft zu machen. Das Potenzial im Hier und Jetzt wird vielmals unterschätzt, dabei ist so vieles in der Gegenwart möglich. Schluss am Ende ist der Weg das Ziel.