Ich höre selten bis nie Radio. Keine Ahnung, wie dir das ergeht, aber seitdem ich mir vor einigen Jahren Spotify Premium gegönnt habe, hat das Radio in meinem Alltag einen schwierigen Stand. Vor ein paar Tagen passierte es dann aber. Ich war in der Küche beschäftigt und wollte zu Unterhaltungszwecken wie üblich eine meiner Playlists einstellen, doch mein Handy war unauffindbar. Nach einer kurzen, heftigen Suchaktion – die natürlich erfolglos verlief – landete ich wieder in der Küche. Und da Karotten schnipseln ohne Musik einfach schrecklich ist, beschloss ich in meiner Verzweiflung, das Radio anzustellen.

Es lief Radio SRF 1. Die Moderatorin forderte gerade die Zuhörerinnen und Zuhörer auf, sich bei ihr mit ihrem «Aufsteller der Woche» zu melden. Gänsehaut pur. Als nach dieser Ansage dann noch ein uralter, furchtbarer Mundartsong gespielt wurde, war ich kurz davor, einfach den Stecker rauszuziehen. Plötzlich aber (vielleicht weil sich die Suche nach dem «Aufsteller der Woche» doch schwieriger gestaltete als erwartet) startete die Sendung «Vetters Töne». Die nächsten sieben Minuten waren etwas vom Besten, was ich seit längerem gehört oder gesehen habe.

Kurden haben uns nicht in der Normandie geholfen.

Auf satirischer, aber zugleich tiefgründiger Ebene wurden die aktuellen Ereignisse der Weltpolitik kommentiert. Es ging beispielweise um Donald Trump, der die amerikanischen Truppen aus den kurdischen Gebieten in Syrien abgezogen hat und so die Angriffe der türkischen Truppen auf die Kurden ermöglichte. Trump begründete seinen Entscheid unter anderem damit, dass die Kurden den Amerikanern während den 1940er Jahren in der Normandie auch nicht geholfen hätten. Tja, was will man da noch sagen? Die Schweiz sorgt sich unterdessen nicht um die Kurden, sondern mehr um eine drohende Flüchtlingswelle. Der türkische Präsident Erdogan hat nämlich aufgrund der europäischen Verurteilung seiner Angriffe gedroht, Millionen von Flüchtlingen nach Europa zu schicken. Falls es tatsächlich zu einem neuen Flüchtlingsstrom kommen sollte, müsste sich die Schweiz eigentlich freiwillig melden, diese aufzunehmen, denn bis letztes Jahr exportierte sie Waffenteile in die Türkei. Und wer Waffen exportieren kann, kann auch Kriegsflüchtlinge aufnehmen, oder etwa nicht?

Warum sind wir so unerschütterlich?

Auf diese Art und Weise wurden auch das Attentat in Halle oder die Verleihung des Friedensnobelpreises analysiert. Da die Sendung «Vetters Töne» heisst, werden die aktuellen Ereignisse immer mit alten Archiv-Aufnahmen illustriert. So wurde während den letzten drei Minuten ein Telefonanruf ins Schweizer Radio von 1995 abgespielt, bei dem es um das Massaker von Srebenica geht. Dieser Anruf hat mich sehr berührt und zum Nachdenken gebracht, denn es finden sich zu viele Parallelen zwischen damals und heute. Der Anrufer, Niklaus Meienberg, bringt es auf den Punkt: «Warum sind wir so unerschütterlich?»

Der Schweizer Mundart-Künstler Gabriel Vetter.

Aus Interesse habe ich mich später an jenem Tag über die Sendung «Vetters Töne» informiert. Gabriel Vetter ist ein Schweizer Mundartkünstler, der von Poetry Slam über Kabarett und Satire bis zum Journalisten und Theaterautor so ziemlich alles gemacht hat. Seit 2012 ist er jeden zweiten Samstagmittag auf Radio SRF 1 mit seiner Satiresendung «Vetters Töne» zu hören. Während fünf bis zehn Minuten kommentiert und analysiert er auf satirische Art und Weise das aktuelle Weltgeschehen, wobei er Original-Töne und verstaubte Archivaufnahmen mixt. So entstehen ganz neue Kombinationen, die er bissig zu kommentieren weiss. Ich empfehle jedem, der Spass an Satire hat, das Radio an einem Samstagmittag einmal anzuschalten und Gabriel Vetter während einigen Minuten zuzuhören. Alternativ dazu besteht auch die Möglichkeit, sich die Sendung auf Spotify unter dem Stichwort «Vetters Töne» anzuhören. Aber natürlich nur, wenn das Handy nicht gerade verschwunden ist.

 

Geschrieben von:

Was ist deine Meinung? Schreib einen Kommentar!