„Früher konnten sich die Meisten nicht wirklich mit unserem Land identifizieren“, sagt Luis und blickt aus dem Fenster in Richtung der verhassten Wolkenkratzer. Er sitzt in einem der berüchtigten Piratas, kleine Vans, die zwischen Flughafen und Stadtzentrum von Panamá City, der Hauptstadt, zirkulieren. Ein Dollar pro Person, doppelt so teuer wie der öffentliche Bus, aber auch doppelt so schnell. Von sich selbst mag Luis nicht gross reden, dass er am Flughafen arbeitet, ist das Einzige, was er sich von sich selbst entlocken lässt. Aber seit der gestrigen WM-Qualifikation habe sich was getan, fährt er weiter. „Die Menschen sind nun ganz anders im Umgang mit unserem Land. Sie hissen Fahnen, hören einheimische Musik. Es tut sich etwas.“ Dann steigt er, das Trikot der panamaischen Nationalmannschaft durch die Feuchtigkeit und den Schweiss an seiner Brust klebend, aus dem Kleinbus aus.

Panamakanal und Panama Papers brachten das Land immer wieder in die weltweiten Schlagzeilen, rühmlich sind diese zumeist nicht. Es kämpft mit Imageproblemen, nicht nur ausserhalb der Grenzen. Die Bevölkerung ist unzufrieden. Die Politik hat sich in den letzten Jahren einen Namen als Steueroase gemacht. Die hochragenden Wolkenkratzer sind ein Zeichen von unglaublich hohen Investitionen reicher Ausländer, mit dem Ziel, möglichst viele Steuern an anderen Staaten vorbeizuschmuggeln. So errichtete auch der amtierende US-Präsident Donald Trump 2011 ein bescheidenes 70-stöckiges Hotel in der Bucht von Panamá. „Oh, wie schön ist Panamá“, mag da nur noch für die Grossinvestoren gelten. Die Mieten steigen ins Unbezahlbare, der Grossteil der Hochhäuser steht leer. In der Nacht hüllt sich die imposante Skyline in ein verschluckendes Schwarz. Die Leidtragenden: die einheimische Bevölkerung, die dadurch immer mehr an den Rand gedrängt wird und der Politik langsam aber sicher den Rücken zukehrt.

Fussball sei dank.

Dass es nun ausgerechnet die einheimischen Fussballer sind, die, zumindest kurzfristig, dieser Entwicklung ein Ende setzen ist genauso erstaunlich wie überraschend. Mit der erstmaligen WM-Qualifkation in der Geschichte des Landes vor zwei Wochen versetzten sie das ganze Land in Freudentaumel, es hörte sich in etwa so an:

Die Bevölkerung ging auf die Strassen, feierte die ganze Nacht, Panamás Präsident Juan Carlos Varela rief gar einen nationalen Feiertag aus. Schulen und Büros blieben geschlossen. Auf den öffentlichen Bussen war währen einer ganzen Woche der Satz „Vamos al mundial“ zu lesen. Das Fussballfieber liess die Leute, wenigstens für einen kurzen Moment, aus ihrem tristen Alltag entfliehen.

Veränderung von kurzer Weile.

Die Qualifikation könnte bei den Panamaern ein neues Gefühl des Nationalstolzes, und damit auch die Wiederauferstehung der eigenen Kultur bewirken. Weg von den tristen, identitätslosen Wolkenkratzern der Bankenmetropole, hin zu einer Gesellschaft, die ihre eigenen Wurzeln, die vom indigenen Hintergrund geprägt sind, zelebriert. Wie nachhaltig diese Entwicklung bleibt fraglich. Die Regierung kämpft weiterhin mit dem von Korruption und Misswirtschaft zersetzten Staatswesen. Und an der gravierenden sozialen Ungleichheit im Land wird auch eine Fussball-Weltmeisterschaft nichts zu ändern wissen.

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