Fünf Jahre ist es her, als sich Jonny Burger einen lebensverändernden Jahresvorsatz gemacht hatte. 4,5 Jahre schaffte er es, sein tägliches Joggingtraining durchzuziehen – dann kam die Ansteckung mit dem Coronavirus. Trotzdem ist Jonny stolz auf seine Ergebnisse. Denn dieses Experiment tat ihm nicht nur körperlich gut, wie er im Interview erzählt.
Nach einer durchzechten Silvesternacht nahm sich der mittlerweile 25-jährige Jonny Burger am 01.01.2016 den Vorsatz, jeden Tag zu rennen. Denn er wollte fitter werden und mehr Sport treiben. So begann er zu laufen. Und das nicht unweit. Pro Tag legte er drei bis sechs Kilometer zurück. Mit dem Experiment aufzuhören, kam für Jonny nie in Frage – selbst bei Regen oder Schneesturm.
Jonny, wie kommt man eigentlich auf einen solchen Neujahrsvorsatz?
«Zugegeben, ich habe vorher nie wirklich Sport getrieben. Klar, ab und zu spielt man mit Freunden Fussball oder sonst eine Sportart. Wirklich ernst war es mir damit aber nie. Da ich zurzeit an der Uni Zürich studiere und beruflich im Büro Apps entwickle, hatte ich nie wirklich eine gute Balance. Das hatte seine Konsequenzen. Als ich dann nach der Silvesterparty auf den Jahreswechsel 2016 zwei Tage Erholung brauchte, realisierte ich: Ich brauche eine Veränderung. So startete ich Anfangs Januar mit dem Lauftraining und zog dieses vorerst einen Monat durch, bevor ich mit Freunden in die Ferien verreiste. Schon nur nach 30 Tagen habe ich gemerkt, wie gut mir das Training tut und nahm nach den Ferien das Training wieder auf, mit dem Ziel, künftig auch in den Ferien Sport zu treiben.»
Das Experiment hat dich also automatisch in allen Lebensbereichen begleitet.
«Genau, also selbst bei Reisen mit Freunden nach Barcelona oder an Open Airs bin ich etwas früher aufgestanden, um meine täglichen Kilometer machen zu können. Ich musste mich natürlich auch organisatorisch anpassen. Wenn beispielsweise nach der Arbeit ein Arbeitskollege für ein Feierabendbier gefragt hat, musste ich abwägen: mache ich zuerst mein Training oder geselle ich mich vorher dazu? Nach einer Zeit beginnt man seinen Alltag bereits am Morgen durchzuplanen, um zu überlegen, wann am besten Zeit für das Training besteht. Da gab es dann den ein oder anderen Freund, der mich quasi zur Vernunft bringen wollte und mir einredete, ich solle das Training doch für einen Tag sein lassen. Aber ich wollte weiterrennen.»
Du hast schon erwähnt, dass du vor dem Experiment nicht wirklich viel Sport getrieben hast. Wie hast du Muskelkater und Erschöpfung vorgebeugt?
«Die ersten Tage war ich sehr erschöpft, mit der Zeit ging es aber. Am Anfang habe ich nicht wirklich grosse Distanzen zurückgelegt, da waren es noch 2.5 bis 3 Kilometer. So konnte ich mich Tag für Tag steigern. Vom Muskelkater wurde ich aber trotzdem heimgesucht, vor allem nach längeren Trainingseinheiten.»
«Nach 500 Tagen muss ein sehr grosser Grund kommen, um das Ganze aufzugeben.«
Jonny Burger, 25
Trotzdem hast du es durchgezogen, vom Februar 2016 bis zum Dezember 2020. Welche Strategie hast du angewandt, den Vorsatz bis dahin umzusetzen?
«Beim Rennen war es motivierend, die gelaufenen Kilometer und Stunden in Zahlen vor den eigenen Augen zu sehen. So tut es einem mehr weh, das Experiment aufzugeben und den Fortschritt in den Wind zu schiessen. Nach 500 Tagen muss ein sehr grosser Grund kommen, um das Ganze aufzugeben.»
Du hast es am Ende geschafft, 1763 Tage am Stück zu rennen. Wie hast du das gehandhabt, wenn du krank warst, es regnete oder schneite?
«Im Laufe des Experiments wurde ich zwei Mal krank, beide Male im Winter. Die Temperaturen damals sind etwa mit diesem Monat zu vergleichen, es war auch völlig verschneit. Da kam ich an meine Grenzen. Ich passte meine Strategie an und suchte mir für diese Tage den bestmöglichen Zeitpunkt aus. Es war für mich nie wichtig, die Kilometer möglichst schnell oder möglichst gut zu meistern. Die Hauptsache war, dass ich jeden Tag eine Strecke absolviert hatte, egal wie.»
Wie veränderte sich deine physische und psychische Verfassung während des Experiments?
«Körperlich war es vor allem die Beinmuskulatur, die sich unproportional zu meinem restlichen Körper entwickelt hat. Mir war auch aufgefallen, dass ich viel mehr Appetit hatte und besonders mental hat es mich sehr verändert. Ich war glücklicher und standhafter. Es gab fast keinen Tag mehr, an dem ich wirklich «down» war. Da merkt man schon, welchen Inpact Sport auf die eigene Psyche haben kann.»
Wo lag dein Ziel zu Beginn des Projektes? Hast du mit 1000 Tagen gerechnet?
«Zu Beginn waren alle 100 Tage für mich Meilensteine und je höher die Zahl wurde, desto mehr konnte ich mich dazu anspornen, irgendwann auch die 1000 Tage zu erreichen. Bei der 1000er-Marke war ich dann so motiviert, dass ich den Weltrekord knacken wollte. Dieser liegt bei ganzen 50 Jahren hintereinander. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich noch nicht wissen, dass im Jahre 2020 eine Pandemie grassieren wird.»
Dein Experiment endete, als du dich mit dem Coronavirus angesteckt hast. Gibt es nach der Pandemie eine Fortsetzung der 1763 Tage?
«Eine Fortsetzung des Experiments ist nicht vorgesehen. Ich bin sehr glücklich und zufrieden mit den Ergebnissen, die ich schlussendlich nicht nur bei mir sehe. Ich konnte auch Freunde dazu animieren, mit mir auf eine Tour mitzukommen, seitdem laufen die regelmässig. Jetzt jogge ich drei bis vier Mal die Woche, nebenbei mache ich Krafttraining, um die Beinmuskulatur etwas auszugleichen oder gehe mit Freunden zum Squash oder Tennis. Ich kann es nur empfehlen, in der Freizeit Sport zu treiben. Es muss kein «crazy» Projekt sein, wie jeden Tag zu rennen. Einmal die Woche etwas joggen, mit einer Gruppe Fussballspielen oder Ähnliches reicht da vollkommen aus. Die Hauptsache ist, dass man sich etwas bewegt und eine gesunde Work-Life-Balance hat.»
Das Gespräch führte Cyrill Pürro.