Ende letzter Woche hat Andreas Glarner (SVP) mit einem Instagramvideo einen Shitstorm ausgelöst. Darin zu sehen, ist ein Mädchen, welches anfangs noch die Schönheit der Schweiz preist, aber im Laufe des Videos immer mehr auf angebliche Probleme hinweist. Die scheinbare Schlussfolgerung soll eine Annahme der SVP Begrenzungs-Initiative sein. Kontext, Wahrheiten oder tatsächliche Argumente sind dabei zweitrangig. Das Zentrale dabei ist es, die Parolen von Glarner und co. «härzig» zu verpacken. Dies ist nicht nur in der Schweiz ein Phänomen.
Das unterhaltende Darstellen von politischen Ansichten lässt sich unter dem Titel «Politainment» zusammenfassen. Politainment ist eine Verschmelzung der Begriffe Politik und Entertainment. Der Medien Wissenschaftler Andreas Dörner unterteilt Politainment in zwei Ebenen. Das eine ist die Politische Unterhaltung. Beispiele dafür sind Shows wie die deutsche Heute Show oder in Amerika, John Oliver. Dort wird mit Politischen Tatsachen Unterhaltung gemacht. Die andere Ebene ist die Unterhaltende Politik. Dabei werden politische Inhalte möglichst unterhaltend vermarktet. In diesem Artikel möchte ich die letztere Version behandeln.
Beispiele für unterhaltende Politik gibt es zu tausende und das in allen hehren Ländern. Betrachten wir zwei davon:
Der aktuelle Premierminister Englands, Boris Johnson, ist ein Meister des Politainments. Johnson setzt darauf einen nicht allzu seriösen Eindruck zu hinterlassen. Zum Beispiel haben bereits mehrere Reporter berichtet, dass er vor jedem Interview seine Haare einmal kurz durchwirbelt. Er wirkt damit mehr wie ein etwas verstreuter Familienvater als wie ein skrupelloser Politiker. Sein bester Stunt ist ihm wohl, wenn auch nicht absichtlich, gelungen, als er im Vorfeld der Olympischen Spiele in London an einer Zip-Line hängen geblieben ist und somit mehrere Minuten mit zwei UK-Fahnen in der Luft baumelte. Der Effekt: er wirkt nicht abgehoben souverän, sondern wie ein bodenständiger Tolpatsch. So entwickeln sich sympathien völlig unabhängig vom politischen Profil.
Auch in den Vereinigten Staaten hat man mit Politainment Erfolg. Bill Clinton spielte 1992 in einer TV-Show Saxofon, Barack Obama war mehrmals bei Ellen DeGeneres zu gast. Doch auch hier ist wohl der aktuelle Präsident Vorreiter. Trump postet auf Twitter regelmässig Videos, die mit viel Drama seinen Konkurrenten Joe Biden angreifen. Die Videos wirken wie der Trailer eines Truecrime Films. Das Entertainment ist also garantiert. Wie viel davon Tatsache ist, ist zweitrangig.
Nun ist es erstmal etwas sehr positives, wenn Politiker sich bemühen die Politik unterhaltend und attraktiv zu gestalten. So bringt man Menschen dazu sich mit Politik zu befassen und schlussendlich zu wählen. Hier jedoch das Problem: das primäre Ziel des Politainments ist es nicht, zu unterhalten, das Ziel ist es, eine politische Idee zu vermitteln. Hier kann es gefährlich werden. Die erste Reaktion auf Glarners Video kann sein «Ach, das arme Mädchen, wir müssen diese Probleme in den Griff kriegen und anscheinend tun wir dies, indem wir die SVP-Initiative annehmen.» Warum das so sein sollte, wird mit keinem Satz erwähnt. Man muss sich also stets die Frage stellen, unterstütze ich diese Ansicht, weil sie sinnvoll ist oder unterstütze ich sie, weil sie mir unterhaltend dargeboten wurde?