Wer Teil I verpasst hat, kann ihn hier nochmals nachlesen. Letzte Woche habe ich euch darüber berichtet wie die Magersucht bei Lea ihre Anfänge nahm und sie schlussendlich in der Schule reanimiert werden musste.

Koma und Zwangsernährung

Securitas mussten sie überwachen, damit sie nicht probierte abzuhauen. Als sie nur noch 28 Kilogramm auf eine Grösse von knapp 170 cm wog, wurde sie ins künstliche Koma versetzt und künstlich ernährt. Grund dafür war, schnellstmöglich an Gewicht zuzulegen und Lea ausser Lebensgefahr zu bringen.

Ich bin human gegen anderes, dass man hier erlebt. Viele haben auch nur simuliert um Aufmerksamkeit zu bekommen

Etliche Klinikaufenthalte

Ab der zweiten Sekundarstufe wurde sie zum ersten Mal für eine längere Zeit in die Klinik eingewiesen. Insgesamt 20 Mal hat sie in den letzten Jahren schon Kliniken besucht. Ein Aufenthalt dauerte zischen 3 Monaten bis zu 1.5 Jahren am Stück. In den Klinken hat sie auch angefangen sich selbst zu verletzten, aus dem Grund sich selber wieder zu spüren. Lea wurde zwar durch eine Magensonde zwangsernährt, doch die Magensonde unterbrach sie mit Haarspangen, leitete sie in einen Becher um oder zog mit Spritzen die Flüssigkeit wieder aus der Sonde.

1 ml entspricht 2.5 kcal, pro Tag bekam ich rund 2000 ml das entspricht 5000 kcal pro Tag

Die Strengen regeln

Jede Klinik hatte ihre eigenen Regeln. In manchen durfte sie bis zu einer Stunde pro Tag sich draussen aufhalten, manchmal durfte sie nicht ohne Begleitung nach draussen und bei wieder anderen hingegen bekam sie sogar einen Wecker zur Verfügung gestellt, da sie sich alle 30 Minute melden musste (als sie im Haus drin war). Entschieden hat das der Arzt bei der Visite. Der Alltag begann am Morgen mit einer Schnitte Brot und Milch mit Honig. Davon bröckelte sie das Brot auseinander, um weniger essen zu müssen und rührte der Löffel mit Honig nicht um, damit sie weniger Kalorien zu sich nahm. Man entwickelte seine Tricks und wird kreativ. Jedoch stand sie ständig unter Beobachtung.

Heim Bern

Die Klinkaufenthalte brachten ihr nicht viel. Doch anstatt wieder nachhause zu gehen, verloren ihre Eltern das Sorgerecht und sie wurde in ein Heim in Bern gesteckt – mit dem Ziel ein geregelter Tagesablauf zu bekommen. Eine ihrer schlimmsten Zeit bis jetzt, erzählt sie mir. Denn sie musste zum Teil bis zu 12 Stunden am Stück am Tisch sitzen (Patienten machten sich in die Hose), durfte nicht alleine aufs WC, wurde regelrecht mit bis zu 5000 Kalorien gemästet oder wurde wochenlang im Zimmer eingesperrt (den Mitbewohnern wurde erzählt das sie wieder in eine Klinik eingewiesen wurde). Schlichtweg – die Menschenwürde wurde einem komplett genommen.

Schule und Ausbildung

Lea war eine exzellente und ehrgeizige Schülerin. Bildung ist ihr extrem wichtig. Um die Verdauung anzuregen trank sie viel Kaffee und blieb lange wach. Diese Zeit hat sie zum Lernen genutzt. Den Abschluss der Obligatorischen Schulzeit machte sie an der Klinik. Schon einige Male hat sie sich für eine Praktikumsstelle beworben, doch jedes Mal wurde sie aufgrund ihres Lebenslaufes abgelehnt.

Ich habe mir 2-3 Stunden Schlaf pro Nacht zugestanden

 

Was der BMI mit Menschenverstand zu tun hat

Lea hat die Magersucht besiegt, ihr Gewicht ist hoch genug. Ab einem BMI von 17 wird der Mensch erst wieder ernst genommen. Aus diesem Grund kann sie sich jetzt auf die Verarbeitung ihres Auslösers kümmern – was ein Trauma ist.

Ihr Peiniger ermittelte ihren Standort, indem er sich als Anwalt ausgab, lauerte ihr auf, zog sie in den Wald und es wiederholte sich die gleiche Szene wie seit Jahren schon. Doch nun alles der Reihe nach…

Leas unglaublicher Auslöser

Im Alter von 8 Jahren wurde Lea von einem knapp 10 Jahre älteren Mann zum ersten Mal missbraucht. Dies zog sich über Jahre hinweg bis es vor wenigen Monaten endete. Ihr Umfeld kann sie darüber nicht in Kenntnis setzen, zu gross ist die Scham darüber. Nicht nur sexuell wurde sie missbraucht, sondern mehrfach Lebensgefährlich mit Messerstichen, Schlägen und Schüssen verletzt. Dutzend mal wurde sie genäht und Narben zieren ihren Körper. Ironischerweise hatte ihr Peiniger eine Arztausbildung und konnte sie selbst verarzten, so musste sie nie offiziell ein Arzt aufsuchen und erklärte die verheilten Verletzungen mit ihrer Tollpatschigkeit.

Das Leiden ging weiter

Was nur wenige wissen: Im Alter von 14 Jahren gebar sie eine gesunde Tochter von ihrem Peiniger. Da sie durch ihre Bulimie oftmals Erbrach, fielen die Schwangerschaftsbeschwerden niemandem auf. Sie hat sich bewusst dafür entschieden das Kind zu bekommen, da Lea der Meinung ist, dass das Geschöpf ein Anrecht auf sein Leben hat. Geboren hat sie zuhause bei einer Freundin, welche heute auch zusammen mit ihr auf die Tochter aufpasst. An gewissen Tagen fällt es ihr trotzdem schwer ihre Tochter anzusehen, da alles hochkommt, was ihr Peiniger ihr angetan hat.

Es wird keine weiteren Opfer mehr geben

Lea war nicht das einzige Opfer. Aus dem gleichen Ort wurde noch ein weiteres Mädchen sexuell missbraucht und ebenfalls körperlich verletzt, wenn sie ihrem Peiniger nicht parierte. An einem Abend waren Lea und das Mädchen beide bei dem Täter zuhause, hielten sich die Hände und trotzen. Daraufhin wurde das Mädchen vor Leas Augen angeschossen und sie selbst hatte schwere Verletzungen von dem Messer in ihrem Bauch. Trotzdem versuchte sie zuerst dem anderen Mädchen zu helfen, welche leider noch vor Ort verstarb. Dadurch wurde sie verdächtigt den Mord begangen zu haben, jedoch wurde dieser Verdacht schnell wiederlegt.

Durch den letzten Vorfall an ihrer Klinik traute Lea sich endlich zur Polizei zu gehen und all das hier ihnen mitzuteilen. Beweise wurden gesichert, Ermittlungen angestellt. Der Täter wird niemandem mehr schaden können, denn auf ihn wartet nun eine Jahrzehntelange Haftstrafe.

Vorteile die sich daraus ergeben haben

Grösster Vorteil sieht Lea in ihren gewonnenen Freundschaften während all ihren Klinkaufenthalten. Freunde, die keine waren, zeigten schnell ihr wahres Gesicht und meldeten sich nicht mehr. Tiefe Freundschaften in den Klinken schliessen ging jedoch sehr einfach, denn jeder durchlebt dasselbe. Früher war sie sehr schüchtern, doch durch die Freundschaften und das Erlebte hat sie diese erfolgreich abgelegt und wurde immer stärker & selbstbewusster. Manche Folgen bleiben ein Leben lang. Bis zu 15 Medikamente muss sie pro Tag nehmen. Und chronische Entzündungen gehören zum Alltag.

Ihr Zukunftswunsch

Gerne würde sie etwas im Bereich Psychologin, Sozialpädagogin oder Fachangestellte Gesundheit machen. Den dadurch, dass sie selbst schon viel erlebt hat, kann sie sich in diese Menschen hineinversetzen und ihnen so versuchen zu helfen. Auch mit ihrer Geschichte hier möchte sie anderen Hoffnung und Mut schenken. Es gibt immer einen Ausweg und kann ganze Berge versetzen wenn man möchte.

Ich bedanke mich bei Lea für das offene Gespräch und wünsche ihr alles Gute für ihre Zukunft!

*Name wurde geändert

 

 

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