Tize stellt Lehrberufe vor. In diesem Beitrag findet ihr ein Interview mit einer Grafikerin, die sich zurzeit im dritten Ausbildungsjahr der Grafik Fachklasse befindet.
Was genau ist die Fachklasse Grafik? Wie lange dauert die Ausbildung?
An der Fachklasse Grafik lernt man Grafiker/in EFZ. Im Gegensatz zum Betrieb machen wir das in der Schule. Wir haben Lehrer, die normalerweise im Beruf tätig sind und die für Segmente eingeholt werden um uns diese beizubringen. Dementsprechend haben wir keinen Lohn aber dafür zwölf Wochen Ferien. Die Ausbildung dauert vier Jahre, gleich wie die normale EFZ Lehre als Grafiker/in. Ein Vorteil an der Grafik Fachklasse ist, dass du problemlos nebenbei die BMS machen kannst.
Was sind eventuelle Voraussetzungen und Anforderungen?
Es werden die gestalterischen Fähigkeiten beachtet. Ich denke es wird zum Beispiel geschaut, wie du die Bewerbung gestaltet hast. Wir mussten auch ein Portfolio abgeben mit Arbeiten die wir im Vorkurs erstellt hatten. Das heisst, es wird auch das Verständnis von Formen, Farben, Proportionen und Kontrast beachtet.
Und du musstest eine Aufnahmeprüfung bestehen?
Genau. Du machst eigentlich eine Aufnahmeprüfung, welche dir nach Hause geschickt wird. Dann hast du zwei Wochen Zeit um diese Arbeiten zu erstellen. Wir hatten die Aufgabe eine Geschichte mit vier Bildern von Alltagsgegenständen, mithilfe vier verschiedener Gestaltungsmethoden, zu kreieren. Zusätzlich mussten wir noch einen Text zu dieser Geschichte schreiben. Dann kam noch dazu, dass wir ein Portfolio, eine Bewerbung und einen Lebenslauf einreichen mussten. Schlussendlich haben dann zwölf Leute bestanden.
Ist der Gestalterische Vorkurs unbedingt nötig?
Ja, du solltest schon den Vorkurs abgeschlossen haben. Das ist bei der Lehre als Grafiker/in allgemein so. Ich denke es ist nicht offiziell vorgegeben, aber die Betriebe werden zuerst alle mit Vorkurs anschauen, bevor sie überhaupt deine Bewerbung öffnen.
Wie bist du zu dieser Ausbildung gekommen?
Ich wollte Grafikerin werden und das war mir schon relativ früh klar. Das war in der Oberstufe. Schliesslich ging ich an die Berufsmesse von St.Gallen und war am Stand der Fachklasse und der Grafiker. Da wurde mir mitgeteilt, dass ich für die Lehre als Grafikerin zuerst den Gestalterischen Vorkurs machen sollte. Während dem Vorkurs habe ich mich dann genauer informiert und fand heraus, dass es eben zwei Wege gibt: die Fachklasse und die Lehre im Betrieb. Ich habe mich sowohl für die Fachklasse und bei Betrieben beworben. Problem war nur, dass man die BMS in vielen Betrieben nebenbei nicht machen kann.
Was lernt man genau?
Meistens befassen wir uns zuerst mit einem kurzem Theorieteil und danach wird in die Praxis gewechselt. Es ist sehr viel «learning by doing», wir haben fast nie Theorieprüfungen. Die Theorie selber nützt dir halt eben nichts. Du musst sie vor allem anwenden können.
Warum nicht direkt die Lehre im Betrieb? Was sind die Unterschiede?
Ein Teil davon ist, ob du überhaupt eine Stelle als Grafiker/in ergatterst. Grafiker/in zu werden ist sehr schwierig. Die meisten die ich kenne haben beide Wege probiert und dann geht es darum wo du überhaupt rein kommst. Für mich spezifisch war sicher die BMS sehr wichtig. Im Notfall hätte ich sie schon nach der Lehre gemacht, jedoch wollte ich sie schon immer berufsbegleitend machen. Das ist ein Vorteil der Fachklasse. Was mir auch sehr gefällt ist, dass du eine Klasse besitzt. In einem Grafikbetrieb wirst du nicht viele Mitstiften haben. In der Fachklasse hast du eine Klasse mit Kollegen/Kolleginnen und Leute auf deinem Niveau, mit denen du dich austauschen kannst. Nachteile sind, dass wir keinen Lohn bekommen und nicht in einem Betrieb arbeiten. Wir besitzen sozusagen keine praktische Erfahrung und keinen Kundenkontakt. Das was du nachher im Berufsleben erlebst, kennen wir nicht.
Wie sieht der Abschluss der Fachklasse aus?
Man erhält, wie nach dem Abschluss der Lehre, das EFZ und zusätzlich noch die gestalterische Berufsmaturität. Diese erhält man schon im dritten Ausbildungsjahr.
Wie gefällt dir die Grafik Fachklasse? Wem würdest du diese Ausbildung empfehlen?
Es gefällt mir sehr. Die Fachklasse Grafik und die Lehre als Grafiker/in allgemein ist jedoch relativ anstrengend. Der Beruf ist sehr beliebt und der Wettbewerb sehr gross. Es wird immer erwartet, dass du mehr Aufwand leistest. Die Projekte schaffst du im Unterricht nicht fertig, es wird erwartet, dass du diese in der Freizeit erledigst. Du hast aber auch viel mehr Freiheiten, als in anderen Berufen und kannst deine Leidenschaft ausleben.
Was würdest du Personen, die sich für die Fachklasse Grafik entscheiden, raten?
Ich empfehle definitiv den Vorkurs, ohne ihn hat man fast keine Chance. Das Vorkursjahr ist sowieso fantastisch. Und fangt schon früh an zu üben. Achtet in eurem Umfeld auf die Gestaltung. Wenn du zum Beispiel in die Migros gehst und eine schöne Verpackung siehst, überleg dir: Was sind für Farben benutzt worden? Oder du fotografierst Plakate die dir gefallen, sodass du dir schlussendlich ein visuelles Reservoir aufbaust.
Hast du schon Pläne, wie es nach der Ausbildung weitergehen soll?
Ehrlich gesagt nein. Ich mache jetzt die BMS, einfach dass ich die Möglichkeit habe studieren zu gehen. Mir gefällt Grafikerin eigentlich im Moment, das heisst ich werde dann nach der Lehre versuchen im Büro oder in einer kleineren Agentur zu arbeiten. Vielleicht will ich dann auch lieber Design studieren. Ich behalte mir einfach alle Wege offen und entscheide dann spontan auf was ich Lust habe.
Mehr Informationen zur Fachklasse Grafik findest du hier. Ausserdem können jeweils mehr Informationen auf den verschiedenen Webseiten der Schulen für Gestaltung gefunden werden.
Hast du noch Fragen? Bist du gerade auf der Suche nach einer Lehre? Schau dir doch noch die Interviews der anderen Lehrberufe an und hinterlasse gerne einen Kommentar.
