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Ich hatte die grosse Ehre, beim Clubabend zum Thema «Vier Jahre Trump – ein politischer Ausblick» des Vereins «Club Applied History» dabei zu sein. Die ReferentInnen des Abends waren Prof. Dr. Claudia Brühwiler der Universität St. Gallen (HSG) und Prof. Dr. Christian Lammert der J.F.Kennedy-Institut, Freie Universität Berlin. Meine wichtigsten Erkenntnisse des Abends.

Nach der Amtseinführung von Donald Trump steht die Welt vor der Frage: Werden sich die USA aus ihrer globalen Führungsrolle zurückziehen? Während erste Dekrete bereits einen radikalen Kurswechsel andeuten, zeichnen sich drei mögliche Szenarien für die künftige US-Aussenpolitik ab.

Mit der Amtseinführung Donald Trumps am 20. Januar 2025 wird eine neue Phase der amerikanischen Politik beginnen. Die ersten Amtshandlungen zeigen bereits die Richtung an: massive Deregulierung, strikte Migrationspolitik und eine Neuausrichtung der internationalen Beziehungen. Die neue Administration hat vom ersten Tag an damit begonnen, die Politik der Biden-Jahre systematisch rückgängig zu machen. Mit etwa hundert vorbereiteten Executive Orders signalisiert Trump einen noch radikaleren Kurswechsel als in seiner ersten Amtszeit. Doch was bedeutet dies für den Rest der Welt, insbesondere für die Schweiz?

Comeback für den Isolationismus?

Die gegenwärtige geopolitische Transformation markiert möglicherweise das Ende einer Ära, die als «Pax Americana» in die Geschichte eingegangen ist. ExpertInnen der internationalen Beziehungen prognostizieren drei potenzielle Entwicklungspfade für die amerikanische Aussenpolitik, unter denen sich vor allem der «isolationistische Kurs» zunehmende Medienpräsenz verschafft. Der Kern dieser Prognose lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die USA als «leader of the free world» würde sich verabschieden und die «Pax Americana» sich in Luft auflösen.

Die «Pax Americana», die die internationale Ordnung seit 1945 prägte, basierte auf einem komplexen System multilateraler Institutionen und Allianzen. Nach den verheerenden Erfahrungen zweier Weltkriege etablierten die Vereinigten Staaten eine neue Weltordnung, die militärische Hegemonie mit demokratischen Grundwerten verband. Diese manifestierte sich in der Gründung wegweisender Institutionen wie der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds und den Vereinten Nationen. Ein besonderes Merkmal dieser Ära war die erfolgreiche Integration der ehemaligen Achsenmächte Deutschland und Japan in ein System friedlicher, wirtschaftsorientierter Staaten – ein historisch beispielloser Prozess der Transformation ehemaliger Gegner in stabile demokratische Partner.

Die amerikanische Hegemonie zeichnete sich durch die Förderung wirtschaftlicher Interdependenz und offener Märkte aus, was zu einer friedlichen Phase globalen Wohlstandswachstums führte. Selbst die damaligen europäischen Grossmächte wie Frankreich und Grossbritannien ordneten ihre geopolitischen Ambitionen dieser neuen Weltordnung unter. Trotz kritischer Episoden wie dem Vietnam- und Irakkrieg gewährleistete diese Ordnung eine relative globale Stabilität, wie es sie noch nie gegeben hatte.

Die jüngsten personellen Entwicklungen in der amerikanischen Administration, insbesondere die Ernennung Rick Grenells zum Nationalen Sicherheitsberater und Stephen Millers zum stellvertretenden Stabschef des Weissen Hauses, deuten auf eine fundamentale aussenpolitische Neuausrichtung hin. Besonders Miller ist bekannt für seine stark isolationistische und einwanderungsfeindliche Haltung, die er bereits in Trumps erster Amtszeit als Architekt der restriktiven Einwanderungspolitik demonstrierte. Politische Ankündigungen wie die «grösste Deportationsoperation» der amerikanischen Geschichte, die geplante Schliessung der Südgrenze zu Mexiko und Änderungen im Staatsbürgerschaftsrecht verstärken den Eindruck der Rückkehr des Isolationismus. Allerdings erscheint eine vollständige Isolation der USA als höchst unrealistisch. Die amerikanische Wirtschaft ist fundamental von der Arbeitskraft der Migranten abhängig – eine Tatsache, die sich besonders in Krisensituationen zeigt. Der Wiederaufbau von Los Angeles nach den verheerenden Waldbränden wäre beispielsweise ohne migrantische Arbeitskräfte kaum zu bewältigen. ExpertInnen gehen davon aus, dass sich Trumps angekündigte «grösste Deportationsoperation» der amerikanischen Geschichte hauptsächlich auf straffällig gewordene Migranten konzentrieren wird, statt auf die breite Masse der geschätzten elf Millionen Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus.

Diese selektive Umsetzung der Migrationspolitik spiegelt die komplexe Realität wider: Trotz rhetorischer Härte Trumps wird die praktische Politik durch wirtschaftliche Notwendigkeiten begrenzt. Die sich abzeichnende isolationistische Wende könnte zwar das Ende der liberalen internationalen Ordnung einläuten, wird aber durch ökonomische Interdependenzen und praktische Zwänge in ihrer Umsetzung deutlich eingeschränkt bleiben.

Trump vs. Xi Ping?

Das zweite Entwicklungsszenario der amerikanischen Aussenpolitik zeichnet sich durch eine strategische Neuorientierung mit deutlichem Fokus auf die asiatisch-pazifische Region ab, wobei der Technologiekonflikt mit China exemplarisch an der TikTok-Kontroverse erkennbar wird.

Die jüngsten Entwicklungen um die Video-Plattform TikTok illustrieren paradigmatisch die Verzwicktheit dieser Auseinandersetzung. Nach dem vom US-Kongress 2024 erlassenen Gesetz gegen soziale Netzwerke unter der Kontrolle «feindlicher» ausländischer Mächte steht der chinesische Eigentümer ByteDance unter erheblichem Druck. Die temporäre Selbstabschaltung der Plattform am 19.01.2025, die 170 Millionen amerikanische Nutzerinnen und Nutzer betraf, verdeutlichte die weitreichenden Implikationen dieser verschärften technologiepolitischen Positionierung.  

Besonders aufschlussreich ist in diesem Kontext die potenzielle Rolle des Tech-Milliardärs Elon Musk, der als möglicher Käufer der Plattform gehandelt wird. Seine Ernennung zum Leiter des neu geschaffenen «Department of Government Efficiency» (DOGE) gemeinsam mit Vivek Ramaswamy könnte eine fundamentale Neuausrichtung der amerikanischen Technologiepolitik gegenüber China signalisieren. Die Besetzung dieser neuerfundenen Schlüsselposition mit ausgewiesenen China-Kritikern deutet auf eine strategische Verzahnung von technologischer Innovation und nationaler Sicherheit hin.

Die TikTok-Problematik steht dabei symbolhaft für einen breiteren geopolitischen Ansatz: Die USA streben eine systematische wirtschaftliche und technologische Entkopplung von China an, verbunden mit massiven Investitionen in die eigene Innovationskraft. Diese Politik manifestiert sich in verschärften Exportkontrollen für Halbleiter und KI-Technologien sowie in der gezielten Förderung amerikanischer Technologieentwicklung. Durch die tiefgreifenden wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen beiden Nationen und dem TikTok-Chaos wird jedoch fraglich, inwiefern Trump und seine China-Falken tatsächlich gewillt sein werden, die ökonomischen Kosten dieser Politik in Kauf zu nehmen.

Grosse Klappe, nichts dahinter?

Das dritte Szenario geht von einer pragmatischen Kontinuität aus: Trotz drastischer Rhetorik bleiben die grundlegenden Strukturen amerikanischer Aussenpolitik weitgehend bestehen. Ähnlich wie in Trumps erster Amtszeit könnte die Realität weniger disruptiv ausfallen als die Ankündigungen vermuten lassen. Historische Erfahrungen zeigen, dass oft eine Diskrepanz zwischen politischer Rhetorik und tatsächlicher aussenpolitischer Praxis existiert. Obwohl Trump mit seinen vielzähligen und drastischen Vorsätzen, scheinbar viel vor hat: «eine kohärente Trump- Strategie gibt es nicht und kann es nicht geben bei einem Präsidenten, der grösste Freude daran hat, mit Kontinuitäten zu brechen und genau das Gegenteil dessen zu tun, was altgediente Politikprofis und Experten ihm dringend empfehlen.», wie es Ulrich Speck für die NZZ treffend ausdrückt.

Trump hat zwar keine durchschaubare Strategie, macht dieses Szenario jedoch nicht unbedingt wahrscheinlicher. Denn mit Trump 2.0 haben wir eine neue, erfahrenere Version vor uns. Trump konnte die etablierte Ordnung während seiner ersten Amtszeit nicht grundlegend verändern, was vor allem seiner Unerfahrenheit in der Politik zuzuschreiben sein könnte. Er verfügte kaum über ein Netzwerk in Washington, und seine Administration bestand grösstenteils aus traditionellen Republikanern sowie Karrierebürokraten, die bemüht waren, seine radikalsten Impulse zu zügeln.

Mittlerweile ist er jedoch besser vorbereitet und von loyalen Unterstützern umgeben, die bereit sind, seinen Anweisungen uneingeschränkt zu folgen. Dies könnte dazu führen, dass die Vereinigten Staaten zu einer revisionistischen Macht werden. Trump hinterfragt grundlegende Prinzipien der bisherigen internationalen Ordnung, darunter freien Handel, multilaterale Allianzen und den Multilateralismus als Ganzes. Die demokratischen und humanen Werte, auf die die USA einst gründete, scheinen zu schwinden. Während Russland und China lange als die Hauptakteure galten, die mit militärischen Mitteln und wirtschaftlichen Einflusszonen die liberale Weltordnung zu untergraben suchten, übernimmt Trump nun diese Rolle. Nach seiner Wahl bemerkte Putin nicht umsonst begeistert: „Vor unseren Augen entsteht eine völlig neue Weltordnung.“

Ausblick

Die kommenden Tage und Monate werden zeigen, inwieweit die von Trump angekündigten Massnahmen tatsächlich umgesetzt werden können. Die radikalen Personalentscheidungen und ersten Amtshandlungen deuten auf einen fundamentalen Bruch mit bisherigen Konstanten hin. Ob sich daraus ein dauerhafter isolationistischer Kurs entwickelt oder ob die USA unter Trump eine selektive Grossmachtpolitik mit Fokus auf die Eindämmung Chinas verfolgen werden, bleibt abzuwarten. Dabei sind mehrere Faktoren entscheidend: Erstens, die rechtliche Durchsetzbarkeit der Executive Orders. Zweitens, die Reaktion des Kongresses und der Justiz. Nicht zuletzt brauchen viele der von Trump ernennten Minister immer noch die Zustimmung des Kongresses. Natürlich werden die Internationalen Reaktionen und deren Rückwirkung auf die US-Politik, Trump nicht ungehemmt in seinem Vorhaben vorschreiten lassen. Schliesslich werden durch das sich allbewährende ‚Actio-und-Reactio-Gesetz‘ die Entwicklung globaler Krisen und Konflikte sowie Regierungswahlen die USA und deren Rolle in der Geopolitik natürlich ebenfalls beeinflussen. Für Europa und die internationale Gemeinschaft bedeutet dies eine Phase erhöhter Unsicherheit, die neue strategische Antworten erfordert. Der Fokus der europäischen Politik sollte offensichtlich auf einer kooperativen, zukunftsorientierten Strategie liegen, die die USA als verlässliche Alliierte auf jeden Fall ausschliesst. Denn mit Trump als Leader der einstigen westlichen Beschützerin, scheint Ordnung, Vertrauen und Kooperation, definitiv massiv in die Brüche zu gehen. Es wird Zeit, dass Europa sich eingesteht, dass leider schwierige, einsame Zeiten bevorstehen könnten.  

Referenzen/Weiterführende Informationen

  • Speck: Isolationismus, «China zuerst» oder Durchwurschteln? Drei Szenarien einer Trump-Weltpolitik, in: NZZ, https://www.nzz.ch/pro/isolationismus-china-zuerst-oder- durchwurschteln-drei-szenarien-einer-trump-weltpolitik-Id. 1815038, heruntergeladen am 15.01.2025.
  • NZZ-Redaktion: Die USA nach den Wahlen: Fox-News-Moderator Pete Hegseth stellt sich den Fragen des Senats-Trump will ihn zum Verteidigungsminister machen, in: NZZ, https://www.nzz.ch/international/die-usa-nach-den-wahlen-die-neusten-entwicklungen-ld.1856621#subtitle- wie-geht-es-bis-zur-amts-bergabe-weiter-first, heruntergeladen am: 15.01.2025.

Ein Attentat auf Trump, Bidens überraschender Rückzug aus dem Rennen und die Kamala-Tim-Dampfwalze – Der US-Wahlkampf ist in der heissen Phase. Mit Tim Walz als Running Mate geht nun Kamala Harris in die Offensive. Jetzt geht es nicht nur um das Präsidentenamt, sondern auch um das Vizepräsidium, eine Position, deren Einfluss ebenfalls entscheidend ist. 

Vom Anti-Trump zum Kranken Mann in Washington – Joe Bidens Wandel
Der amerikanischen Wahlkampf ist bis jetzt geprägt von strategischen Offensiven seitens der Demokraten gegen die Republikaner. Obwohl Bidens Wahlkampfteam noch wenige Stunden vor seinem offiziellen Rücktritt auf X (ehemals Twitter) alle Gerüchte über einen Rückzug dementiert hatte, kam sein Rücktritt überraschend, aber nicht unerwartet.

Besonders nach seiner katastrophalen Performance in der TV-Debatte Ende Juni geriet Biden zunehmend unter Druck, da Fragen zu seinem Gesundheitszustand laut wurden. Hochrangige Demokraten wie Senatsmehrheitsführer Chuck Schumer und der Fraktionsführer der Demokraten im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, äusserten offen ihre Bedenken gegenüber einer erneuten Kandidatur Bidens. Selbst enge Vertraute wie Nancy Pelosi, die ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, und Ex-Präsident Barack Obama drängten Biden, einen Rücktritt in Erwägung zu ziehen.

Die Situation spitzte sich zu als Umfragen zeigten, dass Biden deutlich hinter Donald Trump lag. Joe Biden, einst als „Anti-Trump“ gewählt, erlebte einen dramatischen Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung. Er war weniger wegen seiner eigenen Popularität, sondern vielmehr aufgrund der Ablehnung seines Vorgängers ins Amt gekommen. Seine Präsidentschaft war das Ergebnis einer tief gespaltenen Nation. Das Ende der Trump-Ära war geprägt von der Covid-Pandemie und dem Tod von George Floyd. Nach dem Aufstieg von Bewegungen wie Black Lives Matter sowie extremen Gruppen wie den Proud Boys und QAnon, brauchte das Land jemanden, der es vereinen konnte.

Biden galt als gemäßigter Kandidat, der dank seiner 50-jährigen Erfahrung als hochrangiger Politiker Stabilität versprach und die gespaltene Nation wieder beruhigen sollte. Doch dieser Aufgabe konnte er nicht gerecht werden. Der Graben zwischen links und rechts war bereits zu tief. In den letzten Jahren hatten die Demokraten die ländlichen Regionen, in denen sie ohnehin schwach waren, stark vernachlässigt, was den Republikanern ermöglichte, auch bei der gemässigten Bevölkerung an Einfluss zu gewinnen. Gleichzeitig blieben die Grossstädte überwiegend demokratisch und liberal geprägt, wodurch die Kluft zwischen Stadt und Land noch grösser wurde, als sie hinein schon war. Diskussionen über Abtreibung, Geschlechterfragen und Inflation vertieften diesen Graben weiter.

Entscheidend für Bidens Rückzug war jedoch sein geistiger Gesundheitszustand, der zunehmend nachliess. Bei öffentlichen Auftritten wirkte Biden oft abwesend und war nicht in der Lage klare Sätze zu bilden. Nach der TV-Debatte wurde schließlich klar: Biden war nicht mehr vital genug für das Amt. Die Demokratische Partei sah sich gezwungen, eine neue, lebendigere Führungsfigur ins Rennen zu schicken.

Die Vize übernimmt: Kamala Harris und das Erbe Joe Bidens
Wenn ein Präsident im Amt verstirbt oder zurücktritt, wird der Vizepräsident ohne erneute Wahl zum Präsidenten „befördert“. Aufgrund dieser Tatsache war es klar, dass Joe Biden seine Vize als Präsidentschaftskandidatin wünschte. Bidens Rückzug gleicht einem politischen Tod. Anders als seine Vorgänger Trump und Obama wird sich Biden mit seinen 81 Jahren und seiner angeschlagener Gesundheit höchstwahrscheinlich zurückziehen. Man wird kaum noch was von ihm hören, vielleicht abgesehen von seiner Rolle als vertrauter Berater von Kamala Harris. Denn seine Weisheit wird die 59-jährige Politikerin brauchen.

Kamala Harris, jung und ambitioniert, konnte sich politisch bislang jedoch nur begrenzt profilieren.  Zu Beginn der Biden-Harris Administration wurde sie von Biden beauftragt, die Migrationskrise an der Südgrenze zu managen – eine Herkulesaufgabe, die sie nicht erfolgreich bewältigen konnte. Zudem warfen ihr Kritiker vor, zu sehr im Schatten Bidens zu stehen. Doch sie hat aus ihren Aufgaben gelernt und wirkt inzwischen bodenständiger. Insbesondere beim Thema Abtreibung konnte sie sich als wichtige Stimme der Demokraten profilieren, die sich gegen restriktive Abtreibungsverbote starkmacht. 

Trotz ihrer Erfahrung als Vizepräsidentin reichen Harris politische Erfolge nicht aus, um sie uneingeschränkt als Nachfolgerin Bidens zu etablieren. Ihr afro-asiatisch-amerikanischer Hintergrund und die Tatsache, dass sie eine Frau ist, machen sie für konservativere Wählergruppen nicht wählbar. Deswegen ist ihr Running Mate umso wichtiger. Er muss in Bereichen punkten, in denen Harris nicht ausreicht. Daher war es entscheidend, dass sie einen Vizepräsidenten an ihrer Seite hat, der männlich, weiss und in ländlichen Gebieten verwurzelt ist sowie über die nötige Erfahrung verfügt, um ihr dabei zu helfen, die wichtigen Stimmen aus den konservativeren Bevölkerungsschichten zu gewinnen.

Tim Walz, die Power-Walze
Die Wahl fiel auf Tim Walz, den Gouverneur von Minnesota. Ein erfahrener Spitzenlokalpolitiker, der in seinem Heimatstaat vieles bewirken konnte, wie z. B. kostenloses Schulessen, kostenlose Collegeausbildungen für ärmere Familien und Steuererleichterungen für Familien. Ausserdem ist er ein Befürworter des Abtreibungsrechts, und somit ist Minnesota einer der wenigen Staaten im Mittleren Westen, in denen es Frauen noch erlaubt ist, eine Schwangerschaft zu unterbrechen.

Übersicht über Abtreibungsrecht in den USABild: Süddeutsche Zeitung

Der bodenständige Midwesterner teilt etwas mit Trump: seine einfache und direkte Sprache. Walz gilt als volksnah, im Vergleich zu den vielen millionenschweren Kongressabgeordneten aus Washington, D.C. Ein Grund, warum er kürzlich Ziel mehrerer republikanischer Hetzkampagnen wurde. Denn die verbalen Trump-Angriffe gegen Harris waren persönlicher Natur. So bezeichnete Trump sie als verrückt und linksradikal. Ausserdem betonte er mehrmals, dass sie eine Quotenfrau sei, was man daran sehe, dass sie früher als „indisch-stämmig“ bezeichnet wurde und heute sei sie „plötzlich schwarz“. Doch Trumps Angriffe gegen Harris waren wirkungslos, da er sie ohnehin mit Vorwürfen attackierte, welche konservative Wähler bereits gegen Harris hatten. Somit konnte er nicht an zusätzlichen Beliebtheitswerten gewinnen.

Eine andere Strategie musste her. Diesmal geriet Tim Walz ins Visier der Republikaner, sobald klar wurde, dass er Kamala Harris Running Mate werden würde. Walz Vergangenheit wird seit Tagen immer wieder aufgerollt und die Republikaner versuchen jede Leiche im Keller des Demokraten zu finden.

Schnell kritisierten sie seine 24-jährige Militärlaufbahn bei der Nationalgarde, da er kurz vor dem Einsatz seiner Einheit im Irakkrieg die Nationalgarde verlassen hatte. Doch im Vergleich zu Kamala Harris ist Walz konfrontationsfreudiger gegenüber Trump und Vance. Schon bei seinem ersten Auftritt mit Kamala Harris schoss Walz gegen Trump und dessen Running Mate. Vance gebe sich zwar als Vertreter der weissen Unterschicht, habe aber an der Elite-Universität Yale studiert und sei mit seinem Bestseller „Hillbilly Elegy“ über seine Landsleute hergezogen.

Vance, der Trump-Konvertit
James David Vance, der Senator aus Ohio, stammt aus einfachen Verhältnissen. Der Marine-Veteran und Rechtsanwalt war zu Beginn seiner Karriere ein Trump-Ablehner. Er bezeichnete Trump als „ungeeignet für das höchste Amt der USA“ und fragte sich, ob Trump „ein zynisches Arschloch wie Nixon“ sei oder „Amerikas Hitler“. Seine 2016 erschienene Bestseller-Autobiografie über die sozioökonomischen Probleme seines Lebens als Sohn einer weissen Unterschichtfamilie brachte ihm landesweite Aufmerksamkeit. Die New York Times bezeichnete sein Buch als eines der sechs besten, um Trumps Sieg zu verstehen. Nach seiner Kandidatur für den Senat änderte sich Vances Haltung zu Trump. Trumps Amtszeit überzeugte Vance vom Gegenteil, und er war begeistert von Trump als Präsident. Vance war so sehr von Trump eingenommen, dass selbst Trump ihn 2022 bei einem gemeinsamen Wahlkampfauftritt als „Hinternküsser“ bezeichnete – eine Machtdemonstration im Heimatstaat des jungen Senators. Doch trotz ihrer zerrissenen Vergangenheit ist Vance nun Trumps Running Mate.

Aufgrund seiner Ablehnung gegenüber der Waffenlieferungen an die Ukraine erweckte Vance die Aufmerksamkeit von Donald Trump Jr. dem ältesten Sohn des Seniors. Es entwickelte sich eine Freundschaft zwischen den beiden, was vermutlich dazu beitrug, dass der junge Senator jetzt an der Seite des umstrittensten Mannes Amerikas steht. Vance mittlerweile ein nationalistischer Populist, verkörpert eine junge Version von Trump. Er ist ein Mini-Trump, der all das repräsentiert, was Trumps Rückgrat in der MAGA-Bewegung („Make America Great Again“) ausmacht: ein weisser, junger, konservativer Mann der sich vom alten Establishment in DC nicht repräsentiert fühlt. Somit bringt Vance, Trump die nötigen Stimmen aus der gemässigten Bevölkerung nicht wirklich ein, denn er ist ein MAGA-Hardliner und somit unbeliebt bei gemässigten Wählern. Wird also Vance allmählich Trump ein Klotz am Bein?

Trump und Vance in einer Beziehungskrise?
Insidern zufolge soll Trump ziemlich frustriert über seine Entscheidung sein, mit Vance ins Rennen zu gehen. Ob dies wirkliche Zweifel seitens Trump sind oder ob es sich um einen typischen Trump-Wutausbruch handelt, lässt sich nicht sagen. Klar ist, dass das Harris-Walz-Duo in den Umfragen immer besser abscheidet, was Trump verärgert haben könnte, sodass er nun jemanden sucht, der dafür verantwortlich ist. Das Attentat auf Trump, brachte ihm alle Aufmerksamkeit. Das passte ihm sehr gut. Doch nach erfolglosen Angriffen seitens der Republikaner auf Harris und Walz, starteten die Demokraten selbst eine Reputationkampagne gegen Vance. Dieses schienen gewirkt zu haben. Vance wurde erfolgreich als empathieloser Misogynist dargestellt. Besonders wirksam erwiesen sich Vance Aussagen in der Vergangenheit über kinderlose Politiker. Alleinstehende, unglückliche Frauen bezeichnete er als kinderlosen „Katzen-Damen“, zu denen er auch explizit Harris zählte.

Die Wahlkampfteams der beiden Präsidentschaftskandidaten wurden zudem kürzlich Opfer einer Cyberattacke. Besonders bei Trumps Dateien, stiessen die Hacker auf Interessantes. Es gäbe belastende Aussagen zu Trump und Vance. Doch die Medien halten sich noch verdeckt. Linsknahe Medien wollen wohl Harris Popularität nicht mit einer Hexenjagd auf Trump überdecken. Ob Trump aufgrund diese Leaks wohl sein Running Mate mittlerweile hinterfragt?

Doch allein Vance für den Rückgang der Trump-Unterstützung in den Umfragen verantwortlich zu machen, wäre falsch. Schlussendlich ist es Trump, der Präsident werden will und somit im Rampenlicht steht. Seine niedrigen Umfragewerte könnten auch damit zu tun haben, dass der Umschwung bei den Demokraten aufgrund der vielen rasanten Veränderungen einfach mehr Aufmerksamkeit beim Wahlvolk erregt hat. Schlussendlich steht Trump seit 2016 auf der politischen Bühne und mit dem langweiligen Joe Biden ausser Gefecht, sind Harris und Walz eine erfrischende Abwechslung.

Der Running Mate ist zwar wichtig, sollte aber im besten Fall den Präsidentschaftskandidaten für eine breitere Wählerschaft attraktiver machen. Doch eine wirkliche politische Macht hat er nicht.

Viel wichtiger ist der potentielle Posten des Running Mate. Der Vizepräsident ist zwar eine einflussreiche Person, hat jedoch in der Regierung primär eine beratende Stimme für den Präsidenten und fungiert als Ersatzpräsident. Denn der zweitmächtigste Mann in Washington ist nicht der Vizepräsident, sondern der Stabschef des Weissen Hauses, der ranghöchste Mitarbeiter des Präsidenten. 

Der Senat als Machtapparat des Vizepräsidenten
Die Macht des Vizepräsidenten liegt in seiner Position als Vorsitzender des Senats. Da der Senat 100 Sitze hat, kann es bei Abstimmungen zu einem Patt von 50:50 kommen, wobei dann die Stimme des Vizepräsidenten den Ausschlag gibt. Diese Position ist bei einer gleichmässigen Sitzverteilung im Senat von Bedeutung, was sich daran zeigt, dass Kamala Harris als 49. Vizepräsidenten mit 33 ausschlaggebenden Stimmen Rekordhaltern ist. Im Vergleich dazu konnte Joe Biden während seiner Amtszeit als Vizepräsident kein einziges Mal seine Stimme im Senat abgeben.

Im Moment liegt die Sitzverteilung im Senat knapp bei 51:49 zugunsten der Demokraten. Sollte sich dies wieder zu einem 50:50 ändern, wird die Rolle des Vizepräsidenten erneut an Bedeutung gewinnen. Doch der Vizepräsident wird wohl nie gegen eine Empfehlung des Präsidenten stimmen. 

Somit bleibt die Auswahl der Running Mates zwar interessant, aber man darf sich nicht zu sehr auf sie verlassen. Schlussendlich stehen Trump und Harris im Vordergrund und ihre Running Mates sind vielmehr als Bonus zu betrachten, die ihnen die nötige abwechselnde Aufmerksamkeit einbringen.

«I am Vice President. In this I am nothing, but I may be everything.» – John Adams, erster US-Vizepräsident

Einfluss der Debatten
Ob sich der Harris-Walz-Trend halten wird, lässt sich nicht sagen. Sicherlich werden die Cyber-Leaks und auch die Debatten eine wichtige Rolle spielen. Es war die letzte Debatte, die Biden den Todesstoss versetzte. Harris und Trump werden sich zum ersten Mal am 10. September duellieren. Die Debatte der beiden Vizekandidaten ist für den 1. Oktober angesetzt.

Klar ist, dass sich Harris und Walz nicht zu sehr auf ihre besseren Umfragewerte verlassen dürfen. Trump hat es schon einmal geschafft trotz schlechterer Umfragewerte Präsident zu werden und ist ein starker Gegner. Der Wahlkampf ist und bleibt spannend, jetzt heisst es die Debatten abzuwarten.

Bild: Statista
Bild: Statista

Die ganze Welt hielt den Atem an, als der Iran in der Nacht des 07. Januars Raketen auf US-Militärbasen im Irak abfeuerte. Auslöser des plötzlichen Angriffs war die Ermordung des iranischen Generals Quasem Soleimani durch eine US-Drohne. Nach den neusten Angriffen auf die US-Botschaft im Irak scheint sich der Konflikt weiter zu zuspitzen. Wie lange ist die Region sicher vor einer weiteren Krise?

Die Medien sind voll davon: Donald Trump ist der dritte Präsident in der Geschichte der vereinigten Staaten, gegen den ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wird. Grund dafür: Ein umstrittenes Telefonat zwischen ihm und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski. Tize.ch versucht, die Hintergründe des Diskurses über ein mögliches «Impeachments» zu beleuchten und aufzuzeigen, welche Auswirkungen dieses auf die politische Gesellschaft des mächtigsten Landes der Welt hat.