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Der Bobsport ist ihre Leidenschaft: Die aus dem Solothurnischen Bettlach stammende Paulina Götschi ist seit fünf Jahren begeisterte Hobby-Bobfahrerin. Seitdem sie 2014 am sogenannten «Schweiz bewegt» einen Anschiebebob zum Ausprobieren anstossen durfte, hat sie einiges erlebt und war unter anderem bereits an den olympischen Jugendwinterspielen vertreten. Angefangen habe alles «sanft», doch mittlerweile brettert die 19-jährige mit 120 Stundenkilometer den Eiskanal hinab.

Der Ehrgeiz steht Paulina ins Gesicht geschrieben. Einen anstrengenden Tag habe sie hinter sich, denn neben dem Bobsport besucht sie die Fachmatur in der Kantonsschule Solothurn. «Diesen Freitag ist der Abgabetermin für meine Arbeit, deswegen bin ich ein wenig gestresst», erklärt sie bestimmt aber mit einem Lächeln auf den Lippen. Und dennoch hat sie die Zeit gefunden, mir am «Aaremürli» in Solothurn mehr über ihr Leben und ihre Leidenschaft zu erzählen. Im Februar schliesst Paulina die Fachmatur ab und will danach eine Lehrerinnenausbildung in Richtung Sekundarstufe absolvieren. Das Ziel, einmal als Lehrerinn unterrichten zu können, stehe in ihrem Leben im Vordergrund. Nichtsdestotrotz nimmt der Sport in ihrem Zeitplan viel Platz ein.

 

«Mir hat es sofort den Ärmel reingenommen»

Zum ersten Mal mit dem Bob in Kontakt kam sie am Gemeindeduell von «Schweiz bewegt» im Jahre 2014. Damals duellierten sich die beiden Dörfer Bettlach und Selzach. Dabei ging es lediglich darum, welche der Gemeinden in der Freizeit am meisten Sport trieb. «An einem Posten bestand die Möglichkeit den Prototypen eines Bobs anzuschieben. Wer die kurze Strecke am schnellsten bewältigt hatte, wurde für ein Probetraining in Innsbruck eingeladen», erklärt Paulina den Anfang ihrer Bobkarriere. Das Glück und ihr athletisches Können, welches sie vorher schon in der Leichtathletik erlernt hatte, standen auf ihrer Seite. So gewann sie den Wettkampf und erhielt die Chance, das Probetraining wahrzunehmen. «In Innsbruck hat es mir dann sofort den Ärmel reingenommen», ergänzt sie ihre Aussage.

 

Auf Tuchfühlung mit dem Eiskanal

Das erste Mal, als Paulina am obersten Ende der Abfahrt stand, war ihr mulmig. Marcel Rohner, der damalige Nationaltrainer vom gesamten Schweizerischen Dachverband des Bobsports, habe sie einfach ins kalte Wasser geworfen und sie dem Schicksal überlassen. Natürlich hat sich Paulina die Kurven und schwierigen Stellen der Strecke im Voraus angeschaut. Trotzdem hatte sie zu diesem Zeitpunkt von Tuten und Blasen noch keine Ahnung. «Ich war aufgeregt und der Puls war hoch. Schlussendlich bin ich aber gut unten angekommen, ohne mit dem Bob umzufallen», schildert Paulina ihre Gefühlslage bei der ersten Abfahrt. Die extreme Geschwindigkeit und die Tatsache, dass Paulina im Eiskanal auf sich allein gestellt war, gab ihr sofort den Kick und bewegte sie dazu, das neue Hobby weiter zu verfolgen. Bei den Abfahrten im Monobob wurde Paulina erst richtig bewusst, wie sehr das Lenken des Bobs auf ihre Entscheidungen ankam. Das Ausmass der Kräfte, die in einem Eiskanal herrschen, bekam sie schnell zu spüren. Gleich nach der ersten, erfolgreichen Abfahrt stürzte sie beim zweiten, dritten und vierten Versuch.

 

«Meine Angehörigen hatten natürlich Angst um mich. Schliesslich kann das Hinunterdüsen durch einen Eiskanal in derartiger Geschwindigkeit gefährlich werden.»

 

«Der Wille war immer grösser»

Von Innsbruck zurückgekehrt blieb Paulina genügend Zeit sich zu überlegen, ob der Bobsport in ihrem Leben wirklich Zukunft haben soll. Nicht nur sie, sondern auch die Eltern und Freunde hatten Zweifel an Paulinas Hobby. «Meine Angehörigen hatten natürlich Angst um mich. Schliesslich kann das Hinunterdüsen durch einen Eiskanal in derartiger Geschwindigkeit gefährlich werden», sagt sie. Von den schlechten Erlebnissen liess sich die ehrgeizige Bettlacherin nicht unterkriegen. «Der Wille war immer grösser», erklärt Paulina stolz. Zudem darf sie sich über einen grossen Rückhalt in der Familie, sowie im Freundeskreis erfreuen. Ausschlaggebend für den Entscheid zum Verbleib beim Bobsport war die Möglichkeit, die Jugendwinterspiele 2016 im norwegischen Lillehammer besuchen zu können.

 

Langsam, aber stetig

Der Entscheid, an den Spielen in Lillehammer teilzunehmen, zahlte sich aus. Ihr erstes Turnier durfte Paulina mit dem achten Platz abschliessen. Dies gab ihr den Ansporn, weiter zu machen und ein Jahr darauf den Weltcup im gleichen Ort zu bestreiten, wo sie Siebte wurde. Dies, obwohl sie nach den Winterspielen in Norwegen noch nicht richtig wusste, wie es weitergeht. «Es ging um die Frage, ob ich vom Monobon auf den Zweierbob umsteigen sollte. Von vielen wurde mir gesagt, ich sei zu jung für einen Wechsel, so habe ich den Anschluss ein wenig verpasst. Dennoch fuhr ich von den Weltmeisterschaften 2017 an im Zweierbob mit.» Und das mit Erfolg. Im letzten Jahr durfte Paulina einen weiteren grossen Erfolg feiern: Ihr Team belegte an den Schweizer Meisterschaften den dritten Platz. «Ich bin sehr zufrieden mit unserem konstanten Aufstieg. Es braucht Zeit, um an die Spitze zu kommen. Im Bobsport zählt man bis zum 26. Lebensjahr zu den Juniorinnen und zudem bin ich jung und habe noch viel Zeit», wertet Paulina ihren langsamen, aber stetigen Aufstieg in der Welt der Bobfahrt.

Hauptsächlich sieht Paulina aber die kleineren Dinge als wichtige Erfolge, wie beispielsweise neue Strecken kennenzulernen und erfolgreich abzufahren oder generell an grossen Turnieren teilzunehmen. Auf die neuen Bekanntschaften, die Paulina an solchen Ereignissen machen darf, gibt sie ebenfalls grossen Wert.

Paulina Götschi (links im Bild) mit ihrer Teamkollegin an der WM in St. Moritz.

Der Sport als Antrieb für Paulinas inneren Motor

«Zurzeit kommt alles ein wenig kurz», gibt Paulina auf die Frage zu, wie ihr Terminkalender aussieht. Das regelmässige Trainieren in der Leichtathletik und der Kraft, sowie die zeitintensive Fachmatur, nehmen viel Platz in ihrem Leben ein. Gerade dieses Halbjahr muss Paulina viel Schulstoff für die Abschlussprüfungen lernen und hat gleichzeitig ein dickes Programm mit dem Turnverein, in dem sie eine Leiterfunktion innehat. «Zugleich will ich meine Freunde nicht vernachlässigen und auch mit ihnen Zeit verbringen. Es ist alles knapp, aber mit guter Organisation machbar», findet Paulina zuversichtlich. Ihre Freunde haben vollstes Verständnis dafür und reisen des Öfteren nach St. Moritz zu Trainingstagen oder Wettkämpfen mit. Mit dem Stress, der von diesem engen Zeitplan ausgelöst wird, kann sie gut umgehen. «Ich erlaube mir nur wenig Fehler, was daran liegt, dass ich manchmal etwas zu hohe Ansprüche an mich selbst habe. Das löst zwar weiteren Stress aus, motiviert mich aber immer wieder dran zu bleiben und besser zu werden», erläutert Paulina offen und ehrlich. Der Sport sei verantwortlich dafür, wie sie ihr anderes Leben lebe und hält ihren inneren Motor stetig am laufen, wie sie sagt.

Stolz darf sich Paulina mit anderen Athletinnen aus aller Welt auf dem Podium präsentieren. (Dritte von links in der unteren Reihe)

Paulina ist sich nicht sicher, ob sie in fünf bis zehn Jahren noch in den Bob steigen wird. Die berufliche Laufbahn mit einer guten Ausbildung habe in ihrem Leben Vorrang. Vor ein paar Jahren hatte sie noch das Ziel, 2022 an den Winterspielen in Peking teilzunehmen. Doch dieser Traum sei nun in weite Ferne gerückt. Aber die Chance, irgendwann mal an einem solch grossen Event mit dabei zu sein, existiert noch. «Vier Jahre später sind die nächsten Spiele. Vielleicht sieht man unser Team dann dort den Eiskanal runtersausen», sagt sie schmunzelnd.

Wir wünschen Paulina und ihrem Team weiterhin viel Erfolg.

 

#porträtiert: In der Reihe «#porträtiert» auf Tize.ch wird jeden 2. Montag eine neue Person vorgestellt. Hier geht’s zur Reihe.