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Hanfpartei

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An den diesjährigen Nationalratswahlen sind nicht nur Politiker*innen der bekannten Parteien vertreten. Die erst im Jahre 2018 gegründete Schweizerische Hanfpartei mischt mit dem 38-jährigen Dario Tobler um die Sitze im Parlament mit. Seine Hauptanliegen: Die Legalisierung von Cannabis und das Image der Hanfpflanze in der Schweiz aufzubessern. Welchen Stellenwert der Hanf in Darios Leben hat und wie seine politischen Ziele aussehen – alles in der vierten Ausgabe von #porträtiert.

Mit etwas zerzausten, blonden Haaren und vom Tag gezeichnetem Gesicht, sitzt Dario Tobler vor mir und gestikuliert wild, wenn er begeistert mit Fachwissen um sich schlägt. Dabei überrascht mich, wie offen er über die Debatte um die «Hanffrage» zu erzählen vermag – und das in einer öffentlichen Bar an der Solothurner Aare. Als Präsident der neuen Schweizerischen Hanfpartei (SHP) tritt er für die Nationalratswahlen am 20. Oktober an. Aufgrund der zu früh eingetretenen Ernte, habe Dario einen anstrengenden Tag hinter sich. Doch er nimmt solche Situationen mit Humor. «Heute war ein bisschen alles drunter und drüber», sagt er lachend, während er sich eine Zigarette dreht. Zusammen mit seinem Geschäftspartner Jan Hug, vertreibt Dario legale CBD-Hanfprodukte über ihre Firma «Zitronic Systems». Cannabidiol (CBD) wirkt sich laut Watson.ch nur auf den Körper aus und ruft keine Rauschwirkung hervor, anders als das Tetrahydrocannabinol (THC). In der Schweiz ist CBD seit dem Jahre 2016 legal, da es nur zwischen 0.3 und 0.7 Prozent restliches THC aufweist.

Dario Tobler mit einer CBD-Hanfpflanze

«Cannabis war für mich das normalste der Welt»

Ursprünglich erlernte Dario eine Lebensmittelausbildung als Bäcker und Konditor, liess sich dann zum Confiseur und später zum Lebensmitteltechnologen in der Schokoladenindustrie weiterbilden. Schon immer habe er sich für die Produktion von Lebensmitteln und den Vertrieb der Ware interessiert. «Neben meinem Berufsleben habe ich mich im Militär bis zum Grad des Oberleutnants durchgeschlagen, dies nicht immer freiwillig», erklärt Dario. Schon von klein auf Kontakt mit der Hanfpflanze. «In unserer Familie gehörte der Hanf praktisch zum Alltag», erläutert er. Er sei mit der Pflanze aufgewachsen, da Leute aus seiner Familie in der Hanfproduktion tätig waren. Darios Onkel habe sich intensiv mit dem Anbau, der Zusammensetzung und dem Vertrieb von Hanfprodukten auseinandergesetzt und den damals Lernenden nach Feierabend in die Gärtnerei mitgenommen, um ihm schon früh Wissen über den Hanf beizubringen. Als Dario zum ersten Mal Hanf in seinen Händen hielt, habe er noch nicht gewusst, dass die Blüten der Pflanze als auch Droge verwendet werden konnten. Umso schockierter war Dario, als er später in der Schule mehr über das Rauschgift THC aufgeklärt wurde. «Beinahe alle in meiner Familie haben bis dahin Cannabis konsumiert, das war für mich das normalste der Welt.»

 

Eine Berg und Talfahrt

Im Zeitraum von 2007 und 2008 hat Dario begonnen, parallel zu seinem Berufsleben eine eigene Hanfproduktion aufzubauen, damals alles auf illegaler Basis, da der Verkauf von THC-haltigem Hanf, sowie auch von CBD, in der Schweiz verboten war. Der Weg zum eigenen Geschäft war im Untergrund alles andere als einfach. «Wir hatten zwei grosse Razzien. Nach der zweiten wurde ich vor ein Ultimatum gestellt. Der Anwalt hatte mir im Wiederholungsfall mit einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Jahren auf Bewährung gedroht. Dabei hat mir natürlich geholfen, dass ich die Offiziersschule besucht habe, mehrere Berufsausbildungen erfolgreich bestanden hatte und auch nicht der klischeehaften, «verhängten» Kiffersorte angehörte», schildert Dario. Da er zu dieser Zeit bereits verheiratet war und sein zweites Kind bald zur Welt kam, entschied er sich vorübergehend aus der Szene zurückzuziehen und wieder in sein altes Berufsfeld, der Schokoladenindustrie, einzusteigen.

 

Vom illegalen zum legalen Markt

Da sich aber Dario als Anbauer und Vermarkter in der Szene bereits einen Namen gemacht hatte, kam er schnell wieder mit dem Hanf in Kontakt. «Ein bekannter nahm mit uns Kontakt auf und sagte, er habe etwas Neues, genetisches und bräuchte jemanden, der die Pflanze anbaue, um später Öl daraus zu gewinnen. Dabei handelte es sich um die ersten CBD-Versuche. Vorerst hielten wir nichts von diesem «Blüemli-Hanf» ohne THC-Wirkstoff.» Dennoch hat Dario mit seinem damaligen Partner das Projekt angenommen und sich intensiv mit dem CBD-Hanf auseinandergesetzt. Schnell war Dario von der neuen Idee überzeugt, schmiss seinen Job hin und begann mit seinen Partnern ein Jahr lang durch zu produzieren – doch dann kam der Rückschlag.

 

«So sassen wir auf 600kg Heu und konnten nichts damit anfangen.»

 

«Insgesamt haben wir ungefähr 600kg CBD-Hanf produziert. Dann hat sich herausgestellt, dass unser Abnehmer nicht zahlungsfähig war. So sassen wir auf 600kg Heu und konnten nichts damit anfangen», sagt er über seine damalige überehrgeizige Naivität lachend. Daraufhin musste die Newcomer-Firma den Betrieb herunterfahren und Angestellte entlassen. «Doch nach dem wir die Zusicherung bekommen haben, dass wir die Ware auf dem legalen Markt vertreiben dürfen, hat das Ganze eingeschlagen wie eine Bombe», erinnert sich Dario zurück. Die 600kg CBD habe die Firma innerhalb von vier Monaten verkauft. Der Boom des neuen Geschäfts ist nicht zuletzt auch den Medien zu verdanken. Der «Blick» habe in einem Artikel auf ihren Webshop verwiesen, daraufhin befanden sich bis zu ca. zwei Millionen Kunden auf der Website der Firma.

 

Schwarzmarkt ist nicht gleich Schwarzmarkt

Dass in der Zeit, in der Dario und sein Team noch im Untergrund und auf dem Schwarzmarkt gearbeitet haben, nicht immer alles mit rechten Dingen zu und her ging, verheimlicht er nicht. Dennoch versuchte er immer auf der seriösen Schiene zu bleiben. Begonnen habe er mit der Aufzucht von Stecklingen, was einen grossen Unterschied zu den Leuten darstelle, welche auf der offenen Strasse ihre Ware verkaufen. «Ich habe schon zu Beeginn mit seriösen Leuten zusammengearbeitet, 300 Pflanzen pro Lieferung waren dabei die untere Grenze.» Dazu betont Dario, dass er ein Überzeugungstäter sei. «Für mich gehörte der Hanf seit meiner Kindheit zu meinem Leben, so fühlte ich mich nie wirklich wie ein Krimineller.»

 

Vom illegalen Anbau in die Politik

Für Dario ist die Rechtslage das Problem. Er habe sein Hobby zum Beruf gemacht und sei deswegen am Anfang der ersten Firmenversuche in die Illegalität gedrängt worden. Die Hanfpflanze sieht er als Lösung für viele gesundheitliche Probleme der Menschen. «Im Kampf gegen den Krebs würde der Hanf den Patienten zumindest das Leben erträglicher machen und die Schmerzen lindern», findet Dario. Er sieht das Verbot von Cannabis besonders in der Medizin als «staatlich organisiertes Unterlassen von Hilfeleistungen». Dadurch entschied er sich, die SHP zu gründen und in die Politik zu gehen.

 

«Wenn ich von etwas überzeugt bin, dann bin ich auch bereit 24 Stunden dafür Gas zu geben.»

 

«Wenn ich von etwas überzeugt bin, dann bin ich auch bereit 24 Stunden dafür Gas zu geben», sagt er selbstbewusst. Die Politik interessiere ihn schon seit seiner Schulzeit, so konnte er zwei Leidenschaften miteinander verbinden. Er betont, dass er den Konsum von Cannabis durch minderjährige als problematisch betrachtet. «Ich selbst war 16 als ich den ersten Joint in den Händen hielt. Trotzdem hatte ich nie grosse Probleme mit meinem Konsum, auch nicht in meiner Lehre, als ich als Bäcker um drei Uhr morgens aufstehen musste. Wichtig ist zu sagen, dass das nicht auf alle Menschen zutrifft. Ich war mir über die Risiken bewusst und hatte schon früh ein breites Knowhow über die Pflanze», rechtfertigt Dario seine Aussage. Suchtschweiz.ch berichtet, dass früher Konsum von Cannabis die persönliche Entwicklung eines Menschen stark beeinträchtigen kann. Dario will den Konsum von Cannabis nicht verharmlosen. «Es ist nun mal ein Rauschmittel, welches in höheren Dosierungen die Wahrnehmung stark verändern kann», ergänzt er seine Aussage.

 

Die Pharmaindustrie als Hauptproblem?

Die Erklärung zum schlechten Ruf des Hanfs sieht Dario in der Pharmaindustrie. «Wenn man sich das BIP der Schweiz der letzten 20 Jahre anschaut und sieht, welche Summen die Pharmaindustrie dazu beisteuert, wird einem klar, wie viel Geld wirklich dahintersteckt.» Nach der offiziellen Seite des Bundes sind Pharmaprodukte die wichtigste Einnahmequelle im Export der Schweiz. Jährlich werden Produkte im Wert von 85 Milliarden Franken ins Ausland verkauft. «Es gibt auch Nationalräte und übrige Politiker*innen, die lukrative Verwaltungsratsmandate bei beispielsweise der Novartis haben und versuchen, das Teufelsbild des Hanfs dauerhaft zu fördern.» In erster Linie soll Hanf besonders für diejenigen Menschen freigegeben werden, die an schweren Krankheiten wie Krebs, ALS oder Tourette leiden, so Dario.

Gärtnerei der Firma Zitronics Systems

«Wenn ihr nicht über den Hanf reden wollt, dann machen wir es eben.»

Dario wünscht sich in Zukunft eine sachbezogene Diskussion in der Politik, wenn es um den Hanf geht. Seine politischen Ziele sind klar: «Es wäre schön zusehen, wenn therapeutische Patienten in den nächsten zehn, zwanzig Jahren einen weniger bürokratisch aufwendigen Zugang zu Cannabis hätten und dass es vielleicht eines Tages auch auf offener Strasse möglich ist, einen Joint zu rauchen, ohne Angst vor der Polizei haben zu müssen. Der ausschlaggebende Grund für die Gründung der Partei war, dass die angedachte Initiative auch von Cannabisbefürwortern aufgrund des Wahljahres abgelehnt wurde. Die meisten haben uns gesagt, dass sie im Wahljahr nicht über den Hanf diskutieren wollten. So dachten wir uns also: Wenn ihr nicht über den Hanf reden wollt, dann machen wir es eben.»

Natürlich hofft Dario, dass er die Wahl am 20. Oktober gewinnen wird. Doch hauptsächlich geht es ihm darum, das Thema um den Hanf in der Politik aktiv zu halten und den Leuten zu zeigen, dass die Debatte weitergeführt wird. Als weiteres Projekt sieht Dario die Gründung von weiteren Fraktionen in allen Kantonen der Schweiz vor. Wir bleiben gespannt, wie sich die SHP und die Diskussion um den Hanf in Zukunft entwickeln wird.

Vielen Dank für das interessante Gespräch, Dario.

 

#porträtiert: In der Reihe «#porträtiert» auf Tize.ch wird jeden 2. Montag eine neue Person vorgestellt. Hier geht’s zur Reihe.