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Das Thema rund um den Brexit ist zurzeit in vielen Schlagzeilen wiederzufinden. Seit einiger Zeit kommt in der Problemlösung des Brexits eine neue Frage auf: Was passiert mit der offenen Grenze zwischen Irland und Nordirland? Sollten Brexit-Befürworter mit dem Brexit durchkommen, würde aus der derzeitigen offenen Grenze eine EU-Aussengrenze werden. Doch was heisst das für den anhaltenden Frieden auf der Insel? Tize.ch wirft einen Blick hinter die «Irland-Frage».

Vor einer Woche wurde das nordirische Londonderry von einem Autobombenanschlag heimgesucht. Laut der Tagesschau.de vermutet die örtliche Polizei eine Splittergruppe der IRA (Irish Republican Army), welche die Tat verübt haben soll. 90 Jahre lang existierte die IRA auf der irischen Insel und versuchte mit Gewalt eine Vereinigung zwischen der Republik Irland und Nordirland, welches Grossbritannien angehört, zu erzwingen. Seit dem Jahre 2005 ruhen offiziell die Waffen. Dennoch wurden seither immer wieder Anschläge der Terrororganisation verübt. Der Jüngste lässt die Bevölkerung Irlands und Grossbritanniens noch mehr verunsichern. Ist die Debatte um den Brexit Schuld an der neuen, angespannten Lage?

 

Britische Krönung als Zündfeuer für heutige Konflikte

Die «Oglaigh na Eireann», von Gälisch auf Deutsch übersetzt «Junge Männer Irlands», wurde laut planet-wissen.de erstmals im Jahre 1916 schriftlich erwähnt. Sie zählt zu den ältesten und bekanntesten Terrororganisationen. Bekannt wurde sie vor allem unter dem Namen «Irish Republican Army», abgekürzt IRA. Der Konflikt zwischen Iren und Briten reicht jedoch bis ins Mittelalter zurück, als Grossbritannien im 12. Jahrhundert einen militärischen Vorstoss auf die irische Insel unternahm. Der damalige König  festigte seine Macht in Irland und krönte sich selbst zum König der Iren. Infolge dessen gab es immer wieder Aufstände der katholischen Iren gegen die britische Besetzung.

 

Irland im Aufschwung des Nationalismus

Im 19. Jahrhundert kam nach der Bildung der Nationalstaaten die Ideologie des Nationalismus auf, welcher sich in manchen Staaten bis hin zum 1. Weltkrieg in den Bevölkerungen zu einem Gemeinschaftsgefühl entwickelte. Gerade der Norddeutsche Bund und Frankreich erlebten die Macht des Nationalismus, als beide Staaten 1870 gegeneinander in den Krieg zogen. Auch Grossbritannien, im Besonderen die irische Insel, wurde von dieser Ideologie heimgesucht. Im Jahre 1913 gründeten sich die «Irisch Volunteers», welche ab 1919 unter ihrem neuen Namen «Irische Republikanische Armee» als legitime Armee unter den Iren galten. Die IRA übernahm den Unabhängigkeitskampf von 1919 bis 1921 gegen die britische Herrschaft, durch welchen Irland an den Status eines Freistaates innerhalb des britischen Königreiches gelangte.

 

Machtkampf zwischen Katholiken und Protestanten

Im Jahre 1949 wurde die Republik Irland offiziell gegründet – und vom Norden abgetrennt. Die sechs Grafschaften von Nordirland blieben britisches Staatsgebiet. Im neuen Nordirland lebten die Protestanten in der Mehrheit, was dazu führte, dass katholische Iren vom öffentlichen Dienst ausgeschlossen wurden und ihnen die Teilhabe an der Politik verweigert worden ist. Die IRA sah da die Chance, sich als Schutzmacht der Katholiken in Nordirland etablieren zu können. Während der Bürgerrechtsbewegungen in den 1960er und 1970er Jahren bekam die Terrororganisation grossen Rückhalt in der katholischen, nordirischen Bevölkerung. Dies löste aus, dass sich bald auch auf der protestantischen, nordirischen Seite terroristische Untergrundorganisationen formten, wie die Ulster Volunteer Force (UVF).

 

Von der Armee zur Untergrundorganisation

Im Vergleich zu heute, war die IRA in Irland zu Beginn des 20. Jahrhundert und in Zeiten der Bürgerrechtsbewegung sehr angesehen. Die IRA versucht bis heute mit Waffengewalt eine Vereinigung der Republik Irland und dem britischen Nordirland herbeizuführen. Dies durch Bombenaschläge auf Ziele aller Art. Meistens hatten die Anschlagsorte aber auch einen symbolischen Hintergrund, wie beispielsweise religiöse Gebäude oder Regierungshäuser. Im Juli 2005 ordnete die Führung der IRA an, alle Waffen niederzulegen und die Gewalt zu beenden. Geplant war, dass sich die Mitglieder der Terrororganisation mit friedlichen Mitteln am politischen Geschehen auf der irischen Insel beteiligten. Die Ruhe hielt nicht lange, bis die IRA nach nur sieben Monaten erneut Anschläge verübte.

 

Der Brexit – neuer Zündstoff für die Terrororganisationen?

Die Grenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland ist heute, gerade wegen den Ereignissen in der Vergangenheit, weitgehend offen. Bedeutet, dass sich die irische und nordirische Bevölkerung frei auf der Insel bewegen darf und sich keinen Grenz- und Zollkontrollen unterziehen muss. Sollte Grossbritannien im März aus der EU austreten, wie es der Brexit vorsieht, würde die Grenze zu einer Aussengrenze werden, was neue Grenz- und Zollkontrollen, sowie keine Personenfreizügigkeit zwischen den beiden Staaten mehr bedeuten würde. Nach Nau.ch, will die EU aber, dass nach dem Austritt Grossbritanniens weder Schlagbäume und Grenzzäune auf der irischen Grenze entstehen, um den Frieden auf der Insel garantieren zu können. Eine weitere Möglichkeit stellt der «Backstop» dar, der die offene Grenze der Insel auch beim Durchkommen des Brexit bestehen lässt. Doch auch dieser Vorschlag wurde verworfen. Beobachter sind sich einig: Sollte die Grenze zwischen Irland und Nordirland geschlossen werden, würde der Konflikt neu angeheizt werden, wobei  die IRA vielleicht auch nicht vor der Gewalt zurückschrecken würde.

 

Am Samstag protestierten Demonstranten an der Grenze gegen eine neue Trennungslinie. «Wir werden die Grenze nicht tolerieren», wurde ein Demonstrant nach der Aargauer-Zeitung von der britischen Nachrichtenagentur PA zitiert. Die Frage, wie es mit dem Knackpunkt Irland in den Brexit-Verhandlungen weitergeht, bleibt offen. Klar ist, dass eine Lösung gefunden werden muss, bei der die Bevölkerung von Irland und Nordirland friedlich auf der Insel zusammenleben kann.

Quelle: Planet Wissen