Obwohl die Jugendlichen auf den Strassen Lärm gegen den Klimawandel, gegen die Flüchtlingskrise und gegen Bildungsreformen machen, haben sie bei eidgenössischen und kantonalen Wahlen und Abstimmungen nicht besonders viel zu melden. Dies will die IG Stimmrechtsalter 16 ändern und den16 und 17-jährigen eine Stimme geben. Nun entscheidet der Nationalrat darüber, doch worum es eigentlich genau geht, erfährst du hier.

Worum geht’s?

Die Initianten fordern das aktive Stimmrecht für Schweizer Bürgerinnen und Bürger bereits ab 16 Jahren, was das aktuelle Stimmrechtsalter um zwei Jahre senken würde. Damit soll die Bevölkerung bei Abstimmungen breiter vertreten sein, was in Anbetracht des momentanen Durchschnittsalters bei Wahlen von 57 Jahren, laut der Interessengemeinschaft unbedingt nötig ist. Immerhin wird bei diesen Abstimmungen über eine Zukunft entschieden, mit der die 57+ bei weitem nicht mehr so lange klarkommen müssen wie die jüngeren Generationen.

Bild: SRF/Oscar Alessio

Eine Demokratie lebt ja eigentlich davon, dass das Parlament die Bevölkerung widerspiegelt. Die 0-18 Jährigen machen aber ca. 20 Prozent aus, das ist also ein sehr schlechter Spiegel. Wenn man nun die 16-18 Jährigen mit einbezieht, sind das natürlich nicht die ganzen 20 Prozent, aber es wird auf jeden Fall schon besser.

Aneschka Berchtold

Ausgangslage

Es ist nicht das erste Mal, dass in der Schweiz über die Senkung des Stimmrechtalters diskutiert wird. Und eine solche hat ja 1991 auch schon einmal stattgefunden, als das Stimmrechtsalter von 20 auf 18 Jahre gesenkt wurde. Auf eidgenössischer Ebene wurde zuletzt 2017 von der grünen (damals noch Nationalrätin, heute Ständerätin) Lisa Mazzone das Stimmrechtsalter 16 gefordert. Und auch auf kantonaler Ebene gab es schon zahlreiche Vorstösse. Doch bis jetzt waren die Befürworter nur im Kanton Glarus erfolgreich, wo 16 und 17-jährige schon seit 2007 auf kantonaler Ebene ihre Stimme abgeben dürfen.

Vorbild Österreich

Im internationale Vergleich befindet sich die Schweiz aber in bester Gesellschaft. Als einziges mitteleuropäisches Land führte Österreich im Jahr 2007 das Stimm- und Wahlrecht für 16 und 17-jährige ein. Das Modell schien vor allem Anfangs hervorragend zu funktionieren. Die Wahlbeteiligung bei den jungen Österreicherinnen und Österreichern lag bei den ersten Wahlen nach der Senkung bei 88%, was damals im österreichischen Durchschnitt lag. Bereits bei den nächsten Wahlen 2013 war jedoch ein Einbruch bei den jungen Wählern zu beobachten und nur noch 63% von ihnen gingen an die Urne. Der Einfluss der aufkommenden Jugendbewegungen schien bei den österreichischen Wahlen 2018 bereits sichtbar zu sein, so stieg vor zwei Jahren die Wahlbeteiligung bei den 16 und 17 Jährigen wieder auf knapp 87% an. Dieser Trend wird sich in Anbetracht der repolitisierten Jugend wohl auch für die nächsten paar Jahre auf diesem Niveau halten.

Die Initianten der aktuellen Diskussion bezeichnen Österreich als Vorbild in Sachen Stimmrechtsalter 16 und begründen diese Ansicht vor allem mit der konstant relativ hohen Wahlbeteiligung der Jugendlichen. Denn selbst die abgestürzten 63% überschreiten immer noch klar die nationale Wahlbeteiligung bei den letzten eidgenössischen Wahlen 2019, die bei gerademal 45.1% lag.

Dafür und dagegen

Als eines der Hauptargumente für eine Senkung des Stimmrechtsalters auf 16 Jahre wird von der Pro-Seite, wie bereits erwähnt, eine präzisere Abbildung der Bevölkerung genannt. Doch gegen dieses Argument regt sich von vielen Seiten Widerstand, die zu bedenken geben, dass mit der Senkung um «nur» zwei Jahre noch lange nicht die ganze Bevölkerung vertreten ist.

Die Utopie-Vorstellung einer absoluten Demokratie ist sowieso Unsinn. Klar, die Meinung der der Interessierten 16-Jährigen wird nicht berücksichtigt. Sodann müsste man das ganze Spiel weitertreiben und den 15-Jährigen, an der Politik interessierten Schweizern das Stimmrecht ebenfalls erteilen. Eine 1:1 Repräsentation der Schweizer Bevölkerung ist bei Abstimmungen per se unmöglich – egal wie hoch oder tief das Stimmrechtsalter ist.

Evelyn Motschi, Vize-Präsidentin Jungfreisinnige Baden

Doch auch das spezifische Alter von 16 Jahren sorgt für viel Diskussionsstoff. Ob man mit 16 tatsächlich bereits im Stande ist, sich ausreichend über ein Thema zu informieren und dann überlegt darüber abstimmen zu können, darüber besteht für die IG Stimmrechtsalter 16 kein Zweifel.

Auch wenn die Impulskontrolle sich erst mit 25 Jahren voll ausgebildet hat, ist die Entwicklung des rationalen Denkens mit 14 Jahren abgeschlossen. Mit 16 ist […] das strategische Denken, das gebraucht wird, um bei einer Abstimmung oder einer Wahl mitentscheiden zu können, voll entwickelt.

Argumentarium IG Stimmrechtsalter 16

So einfach scheint es dann aber doch nicht zu sein, weht dieser Sicht auf die Dinge doch von mehreren Seiten ein kritischer Wind entgegen.

Im Alter von 16 bis 18 Jahren steht für Jugendliche die Ausbildung im Vordergrund. Hier soll den Jugendlichen viel geboten werden. Vorschnell den Jugendlichen eine enorme Verantwortung zuzuschieben ist nicht altersgerecht.

David Trachsel, Präsident JSVP Schweiz

Es ist aber nun mal so, dass die Handlungsfähigkeit erst mit der Volljährigkeit eintreten kann. Die Altersgrenze wurde auf 18 Jahre gelegt und diese Entscheidung kann nicht als «richtig» oder «falsch» gewertet werden. Das Abstimmen gehört – wie auch das Ausfüllen der Steuererklärung – einfach zum «Erwachsensein» dazu. Ausserdem bedeutet dies ja nicht, dass man vom politischen Diskurs ausgeschlossen ist. Als 16-Jährige/r kann man beispielweise einer Jungpartei beitreten, an Jugendparlamenten teilnehmen oder gar Petitionen lancieren.

Evelyn Motschi, Vize-Präsidentin Jungfreisinnige Baden

Vor allem aus rechtlicher Sicht und im Zusammenhang mit der Ausbildung, die die meisten Jugendlichen mit 16 gerade beginnen, ist eine Senkung des Stimmrechtsalter in den Augen der Kritiker also eher fragwürdig. Wenn man nun aber die fragt, die davon direkt betroffen wären, spielen diese Aspekte eine eher kleine Rolle. Den jungen geht es einfach darum gehört zu werden.

Für jemanden wie mich, der sich schon seit jungem Alter für Politik und unseren Staat interessiert und der sich seit dem dreizehnten Lebensjahr politisch engagiert, würde das Stimmrechtsalter 16 viel bedeuten. Und so ist es auch ein merkwürdiges Gefühl, wenn man andere Menschen für Abstimmungen mobilisiert, jedoch seine eigene Meinung nicht in die Abstimmung einfliessen lassen kann.

Dominik Schneiter, Gründer Rhäzünser News

Mit 16 Jahren ist man politisch reif. Das Stimmrechtsalter 16 stärkt unsere Demokratie und gibt uns Jugendlichen die Möglichkeit, über die eigene Zukunft mitzubestimmen.

Nico Zobrist, Vorstand SP Bezirk Aarau

Wie geht es weiter?

Am 29. Mai hat die staatspolitische Kommission über den Vorstoss zum Stimmrechtsalter 16 der grünen Nationalrätin Sibel Aslan diskutiert und ihn laut ersten Berichten versenkt. Genauere Ergebnisse dieser Diskussion und Reaktionen der, für den Moment geschlagenen, Befürworter, kannst du nächste Woche hier auf Tize lesen. Und auch wenn das Stimmrechtsalter 16 dieses Mal gescheitert ist, ist es sicher nicht das letzte mal, dass wir davon hören.

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