Rund 900 Teilnehmerinnen und Teilnehmer umfasst die Facebookgruppe «Gärn gscheh – Solothurn hilft». Von Anfragen zur Einkaufserledigung, bis hin zu Mahlzeitenfahrten für Altersheime, täglich rasseln die Inserate durch die Timeline. Initiantin und Koordinatorin des Hilfswerks gegen die Corona-Pandemie: die 23-jähirge Lena Lang. Was die Jurastudentin im «Endspurt» gegen Corona leistet und wie sie junge Leute dazu animiert, mit der Solidaritätswelle mitzureiten: das und mehr in diesem Interview.
Es sind nicht nur Nachrichten von Infizierten und Todesfällen, die die Redaktion von Tize.ch erreichen. Zurzeit wird die Eidgenossenschaft von einer Solidaritätswelle geradezu überrollt. Gerade die jüngeren Generationen sehen sich dazu verpflichtet, das Coronavirus anzupacken – und das mit Bravour. Über die von Lena Lang gegründete Facebookgruppe «Gärn gscheh – Solothurn hilft» organisieren sich die Hilfsbereiten, stellen Inserate online, geben einander Tipps und ermutigen die Community, auch positives aus der Krise zu ziehen und aktiv mitzuwirken.
Lena, wie hast du das erste Mal von COVID-19 erfahren?
Im Januar habe Lena zum ersten Mal vom Coronavirus Kenntnis genommen. «Eine Freundin, die zu dieser Zeit in Singapur im Austausch war, hat mir regelmässig berichtet, wie die Situation vor Ort aussieht.» Ausgangssperren und Mundschütze gehörten in Asien schon zu Beginn des Jahres zum Alltag. Lena habe sich zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht vorstellen können, dass das Virus in der Schweiz jemals ein Thema sein würde. «Um ehrlich zu sein, war das ein wenig blauäugig von mir. Lange Zeit habe ich nicht den Bezug verstanden, dass vor allem wir Jungen uns zusammennehmen müssen. Doch heute weiss ich: auf jede Person, die zuhause bleibt, kommt es an. Trotzdem gibt es leider solche, die mit Hamsterkäufen und allgemeiner Panikmache Hysterie verbreiten.»
Wie stehst du denn zu dieser aufgekommenen Panik?
«Grundsätzlich ist ein Panikschub in solchen Ausnahmezuständen menschlich. Der natürliche Instinkt sorgt dafür, dass man sich absichern will. Dennoch ist es absolut ungerechtfertigt. Seitens des Bundes wurde uns versichert, dass es an Nahrung nicht zu Engpässen kommen wird. Die Verantwortung liegt momentan bei jedem von uns, einfach mal den Kopf einzuschalten und nicht durchzudrehen.»
Auf welche Art und Weise nimmst du selbst die Krise war?
«Egal was passiert, ich versuche stehts einen optimistischen Blick beizubehalten. Durch die Arbeit bei Solothurn hilft, habe ich schon viele neue Leute kennengelernt. Somit gibt es für mich auch viel zu tun, was mich ein wenig von Corona ablenkt.» Jeden Tag telefoniere Lena mit den unterschiedlichsten Menschen, vor allem solche, die sie noch nie gesehen habe. «Sehr schön zusehen ist für mich, dass wir Menschen in einer Notsituation doch zusammenhalten können.»
Woher kam die Idee, die Gruppe «Gärn gscheh – Solothurn hilft» zu gründen?
«Bei einem Journal in Basel, die ein ähnliches Projekt gegründet hat, habe ich das Ganze entdeckt und wollte so etwas Ähnliches unbedingt in Solothurn einbringen. Denn die meisten solcher Projekte fanden damals nur in den grossen Städten der Schweiz statt, das wollte ich ändern.»
Deine Initiative hat schlagartig eine Welle ausgelöst, die auch auf die weniger bewohnten Gebiete übergeschwappt ist. Was waren deine ersten Gedanken, als du das mitbekommen hast?
Dass diese Welle sie selbst etwas überrollt habe, gibt Lena zu. «Ich wurde von persönlichen Nachrichten überflutet und um Auskunft gefragt.» Zum Teil gingen auch Fragen ein, die sie anfangs selbst noch nicht ganz beantworten konnte. «Das alles war neu für mich, habe mich dann aber zügig eingelesen und eingearbeitet.»
Welche Schritte und Aufgaben standen als erstes an?
«Die ersten Schritte haben bei mir selbst angefangen. Als hilfeleistende Person gilt es, sich zu zeigen. Heisst also ich bin von Tür zu Tür und habe nachgefragt, ob ich irgendwie helfen könne.» Lena betont, dass es einfacher ist, auch neben Social Media aktiv zu werden. «Für viele ist das Web anonymer, gerade für die älteren Generationen. Diese schätzt es sehr, wenn man sie persönlich anspricht», erklärt sie.
Wie organisiert ihr euch untereinander?
«Zum einen haben wir eine WhatsApp-Gruppe, die ist mittlerweile aber nur sekundär und dient lediglich dazu, sich untereinander auszutauschen.» Die Organisation und Abwicklung der Dienstleistungen laufe nun über ein anderes System. «Über unsere Webseite kann man sich auf der Helferliste eintragen. Hilfesuchende können direkt auf diese Liste zugreifen und anhand der Wohnortsangabe schauen, wer in ihrer nähe ist. So könne diese dann selbstständig die hilfeleistenden Personen anrufen, oder wenn dies nicht erwünscht ist, können auch die betreffenden Gemeinden informiert werden. Die Gemeinden vermitteln dann.»
Manchmal sei aber auch schwierig, Menschen die Hilfe brauchen mit solchen zu vernetzen, die welche anbieten. «Die Anfrage muss mit dem Angebot übereinstimmen, das ist so die Challenge», meint Lena dazu.
Das klingt nach administrativem Aufwand. Was sind so die Rückmeldungen von Hilfeleistenden und Hilfesuchenden zum Projekt und zur Organisation der Dienstleistungen?
Es sei «härzig», von Seniorinnen und Senioren Dankesbriefe oder kleinere Aufmerksamkeiten zu erhalten, wie einzelne Helfende Lena berichten. Gleichzeitig erfreut sie sich auch an den zufriedenen Gesichtern der Helfenden. «Mit dem Projekt können sie ihre Zeit damit verbringen, Gutes zu tun», sagt sie dazu. Auch für Lena sei es eine grosse Bereicherung, in der Corona-Zeit etwas machen zu können, statt nur zuhause sitzen zu müssen.
Wie nimmst du denn die Helfenden war?
«Wir erhalten nahezu täglich neue Anfragen von engagierten Leuten, die unbedingt helfen und etwas zum Gemeinwohl beitragen wollen. Wichtig ist, dass man als Anbietender auch in Eigeninitiative tritt. Es ist schön, wenn man hilfsbereit ist, sollte sich aber zuerst die Fragen stellen: Wo kann ich, wo will ich helfen? Welche Fähigkeiten aus dem Alltag oder welche Eigenschaft kann ich bei der Hilfe einsetzen?»
Wie ist so die Wahrnehmung der allgemeinen Angst in dieser Krise: Spürt man als Helfende eine Art von Verunsicherung bei der älteren Bevölkerung, gerade bei der Risikogruppe?
«Im Bezug auf die eigene Erfahrung der Hilfeleistung bin ich sehr erstaunt, wie gut die Menschen mit der Krise umgehen. Am Anfang war schon eine gewisse Angst zu spüren, doch die hat sich schnell gelegt.» Vor Zurückweisung der Angebote seitens der älteren Personen habe Lena zu Beginn etwas Respekt gehabt, dies sei aber nie eingetroffen. «Selbst diejenigen, die vor der Krise auf eigenen Beinen gestanden sind, nehmen die Hilfe dankend an. Da sind wir alle froh, dass die meisten begreifen, dass es um das grosse Ganze geht.»
Gibt es noch etwas, dass du seit der Pandemie schon immer mal sagen wolltest?
«Gerade beim Hilfeleisten muss zusätzlich überlegt werden, wie das Social Distancing trotzdem eingehalten werden kann. Wir sind auf kreative Ideen angewiesen, sei es jetzt beim Helfen oder im Umgang mit unseren Liebsten. Gesprächsführung mal anders: jemand steht auf dem Balkon und der Gesprächspartner im Garten. Zudem gibt es dank der Moderne die Möglichkeit zum Videochatten, WhatsAppen, etc. Oder wieso nicht einmal zu altbewährtem zurückgreifen? Vielleicht mal wieder einen Kugelschreiber in die Hand nehmen und den Freunden eine Postkarte zukommen lassen. Wichtig ist, dass wir erstens, in den nächsten Tagen wirklich zuhause bleiben. Zweitens aber, dass wir uns durch einen Krankheitserreger nicht auch noch im Kopf krank machen lassen. Es gibt ein Licht am Ende des Tunnels», rundet Lena das Gespräch ab.
Vielen Dank Lena, für das interessante Gespräch.
Informationen zu COVID-19 auf Tize.ch
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