Wenn das eigene Wohnzimmer zur Bühne wird und der gemütliche Abend mit Freunden zum Konzert. Das ist SofaConcerts. Eine Plattform, die Künstler und Gastgeber, Musiker und Musikliebhaber zusammenbringt und damit für ein unvergessliches Konzerterlebnis sorgt. Ob als Highlight des Geburtstags, als Überraschung beim Polterabend oder einfach für einen gemütlichen Abend unter Freunden – Live-Musik soll dazugehören. Klingt gut, oder? Doch wie funktioniert das ganze? Tize war bei einem SofaConcert dabei und hat nachgefragt.
Wenn aus Fremden Freunde werden
Ich stehe vor einer unauffälligen Häuserfassade in einem Basler Wohnquartier. Und hier soll heute also ein Konzert stattfinden…? Die Klingeln neben der Tür verraten mir, dass sich mein Ziel und somit die Konzertlocation im obersten Stock des alten Hauses befindet.
An der Tür werde ich von Monika empfangen, die in der gemütlichen Altbauwohnung wohnt und die die Gastgeberin des heutigen SofaConcerts ist. Auf ihrem Balkon stehen einige Leute mit einem Bier oder einem Drink in der Hand, reden und geniessen einen der wohl letzten Sommerabende dieses Jahres. Unter ihnen sind unteranderem Joel, der zum Team von SofaConcerts gehört, und Silas, der Künstler des heutigen Abends. Vor dem Konzert mit dem Künstler etwas trinken; nicht gerade das, was man sich von normalen Konzerten gewohnt ist. Doch das übliche «hier der Künstler, da die Besucher» fällt bei einem SofaConcert sowieso weg. Schlussendlich sind alle als eine Gruppe musikbegeisterter Menschen bei der Gastgeberin zu Besuch.
Mit der Zeit kommen immer mehr Leute. Alle reden und lachen miteinander; wer sich noch nicht kennt, lernt sich kennen. Die Besucher sind völlig durchmischt. Es sind Freunde, Verwandte der Gastgeberin, Informatikstudenten, Krankenschwestern, angehende Juristen, Psychologinnen; und sogar die Nachbarn, ein älteres Ehepaar, sind da.
Monika ist schon überzeugt, obwohl das Konzert noch gar nicht angefangen hat. Es ist das erste Mal für sie als Gastgeberin eines SofaConcerts, doch schon jetzt weiss sie, dass sie das bestimmt wieder machen will. «Es ist einfach eine grossartige Möglichkeit um mit Freunden einen gemütlichen und unvergesslichen Abend zu verbringen und gleichzeitig dem Musiker eine Plattform zu geben.», entgegnet sie auf die Frage nach ihrer Motivation für dieses Konzert. Und es sei eine tolle und viel intimere Alternative zum normalen Ausgang, meint sie noch. Als Gastgeberin hatte sie die Möglichkeit aus über 5’000 Künstlern einen auszuwählen und diesem, im Falle einer Zusage, ihr Wohnzimmer als Bühne zur Verfügung zu stellen. Ein paar Möbel zur Seite schieben und schon haben Künstler und Gitarre genug Platz um bequem ein Konzert geben zu können. Und Silas hat zugesagt. Warum sie sich gerade für ihn entschieden hat? «Seine Musik gefällt mir extrem gut und zusammen mit seiner Ausstrahlung hat mich das einfach überzeugt.»
Kein Ort zu klein eine Bühne zu sein
Und dann fängt das Konzert an. Alle versammeln sich im gemütlichen Wohnzimmer und verteilen sich auf zwei Sofas, Stühlen und wo es halt sonst noch Platz zum Sitzen hat. Silas hat auf einem Stuhl gegenüber dem Publikum Platz genommen und stimmt die ersten Akkorde auf seiner Gitarre an. Der St. Galler Musiker mit äthiopischen Wurzeln zieht mit seiner kraftvollen Stimme direkt alle in seinen Bann. Als die letzten Töne des ersten Songs ausgeklungen sind, ist es für einen Sekundenbruchteil ganz ruhig. Alle scheinen den Moment festhalten zu wollen und in einigen Gesichtern ist ein Ausdruck von Überraschung und Begeisterung zu sehen. Überraschung darüber, dass so etwas Einfaches, ein Musiker und seine Gitarre, so schön sein kann und Begeisterung darüber, dass man dabei sein darf. Doch von jetzt auf sofort ist der Moment vorbei und das Publikum in Monikas Wohnzimmer bricht in Applaus aus.
Silas macht weiter und von ihm selbst geschriebene Songs wechseln sich mit alt bekannten gecoverten Songs ab. Sein «fresh acoustic pop», wie er seinen Musikstil selbst bezeichnet, reisst die Leute mit und lässt sie mitwippen. Und spätestens als er dann auch noch eine Ukulele zur Hand nimmt und seinen Song «4 Strings» zum Besten gibt, hat jeder im Raum ein Lächeln im Gesicht. Zwischendurch reisst er den einen oder anderen Spruch, erklärt seine Songs und fordert das Publikum auf mitzusingen und mitzuschnippen. Und die Grenzen zwischen Künstler und Publikum verschwimmen einfach, er ist nicht ein Sänger, der oben auf der Bühne steht, sondern ein Musiker, der für und mit Freunden Musik macht.
Nach etwa einer halben Stunde gibt es eine kurze Pause, die ich nutze, um Silas mit ein paar Fragen zu löchern.
«Bei solchen SofaConcerts bist du dem Publikum einfach viel näher und kannst viel einfacher eine Verbindung aufbauen, als zum Beispiel bei einem Festival. Die sind zwar auch geil, aber dort hast du bei einem viel grösseren Publikum vielleicht trotzdem nur so 10 Leute, die dir wirklich zuhören, für die anderen bist du Hintergrundmusik. Und hier sind die Leute halt wirklich hier, um dir als Musiker zuzuhören.», entgegnet er auf die Frage, was ein SofaConcert von einem «üblichen» Konzert unterscheidet. «Hier haben die Leute gar keine andere Wahl, als dir zuzuhören.» fügt er grinsend an. Der frühere Strassenmusiker schwärmt davon, dass es bei SofaConcerts wirklich um handgemachte Musik geht und der wirtschaftliche Aspekt dabei weitgehend auf der Strecke bleibt. Er erzählt von einem Konzert, bei dem er das Publikum dazu gebracht hat, dreistimmig zu singen. «Das war wirklich ein ganz besonderes Konzert, so etwas erlebst du nur ganz selten. Es schweisst enorm zusammen, wenn du dann sagen kannst, hey, wir haben gerade gemeinsam gesungen und es klang richtig, richtig gut.» Und wie schon Monika spricht auch Silas die spezielle Atmosphäre bei einem SofaConcert an: «Nirgends sonst kommst du als Künstler dem Publikum so nahe und kannst in so einem intimen Rahmen Musik machen, das ist schon etwas Aussergewöhnliches.»
SofaConcerts – Ein Konzept, das aufgeht
Von Joel erfahre ich, dass «SofaConcerts» seinen Ursprung in Hamburg hat. «Bis jetzt sind SofaConcerts vor allem in Deutschland verbreitet, aber auch in der Schweiz gibt es immer mehr Gastgeber und Künstler auf unserer Plattform. Tatsächlich haben in bereits 21 Ländern SofaConcerts stattgefunden.», sagt der ehemalige Radiomoderator, der seit einem Jahr als Projektmanager und einziger Angestellter von SofaConcerts in der Schweiz, tätig ist. «Unser Ziel ist es Musiker und Hosts zusammen zu bringen und das auf dem einfachst möglichen Weg. Du kannst dich entweder als Künstler, sei das alleine oder als Band, oder als Gastgeber auf unserer Webseite registrieren. Dann kannst du dir als Gastgeber einen Künstler ganz nach deinem Geschmack aussuchen und direkt anschreiben. Wenn alles klappt, ist alles, was dir dann noch übrigbleibt, auf dein ganz eigenes SofaConcert zu warten. Du kannst dich aber auch als Künstler bei einem Gastgeber bewerben und hoffentlich schon bald in einem neuen Wohnzimmer ein Konzert spielen.» Und das Konzept scheint aufzugehen, denn laut Joel ist die Plattform in der Schweiz in den letzten Jahren stark gewachsen. Hier vergleicht er SofaConcerts mit einer Art Air BnB für die Musikszene. Doch SofaConcerts ist mehr als «nur» Konzerte in Wohnzimmern; die Künstler können auch für Hochzeiten, Firmenanlässe, Geburtstage und alle anderen Arten von Anlässen gebucht werden. «Aber der Schwerpunkt liegt nach wie vor auf den Sessions in Wohnzimmern und vor kleinen Publikumsrunden.»
Joel spricht aus Erfahrung, denn er hat selbst auch schon mit seiner Reggae-Band das ein oder andere SofaConcert gespielt. «Das spannende, aber auch herausfordernde daran ist ja, dass du jedes Mal in einem anderen Wohnzimmer vor anderen Leuten auftrittst. Dadurch lernst du enorm viele Menschen kennen und bei solchen SofaConcerts sind schon zahllose Freundschaften entstanden.»
Mittlerweile haben sich alle Besucher verpflegt und Silas hat seine Instrumente nachgestimmt, das Konzert kann also weitergehen.
Wieder sitzen alle gebannt da und lauschen der Musik. Nach etwa sechs-sieben Songs neigt sich das Konzert langsam dem Ende zu. Als krönenden Abschluss verlangt Silas nach einer Melodie aus dem Publikum, um darauf einen Song zu improvisieren. Der Aufforderung wird umgehend Folge geleistet und das ABC-Lied wird vorgeschlagen. Der Rest des Publikums reagiert mit Gelächter, doch der Musiker stimmt nach einigen Sekunden tatsächlich einen Song an, der sehr stark an das alt bekannte Alphabet-Lied erinnert. Das ABC klang noch nie besser!
Nach insgesamt etwa eineinhalb Stunden ist das Konzert dann vorbei und die Besucher sind begeistert. Bewunderung wird ausgesprochen, für Silas, der sich einfach alleine vor diese Gruppe, von für ihn hauptsächlich fremden Leuten, gesetzt hatte und Musik machte. Und fast jeder, den ich nach seiner Meinung zu SofaConcerts frage, sagt, dass er jetzt ganz bestimmt auch mal ein SofaConcert in seinem Wohnzimmer haben möchte. Und dieser Meinung kann ich mich nur anschliessen.