«Du nähst dir deine Kleider selbst?! Das könnte ich niemals!»Mit dieser Aussage haben schon so manche reagiert, als Annina ihnen von ihrem Hobby erzählt hat. Dabei stimmt diese Aussage doch gar nicht. Du musst bloss damit anfangen und dich dabei auch trauen, Fehler zu machen, wenn du es gerne können würdest. Im Interview mit Tize erzählt die 21-Jährige Studentin Annina von ihren eigenen Erfahrungen mit dem Selbstnähen von Kleidung, Nachhaltigkeit in Bezug auf Mode und verrät einige Tipps und Tricks für alle, die sich fürs Nähen interessieren.

«Letztes Jahr im Sommer habe ich schätzungsweise zuletzt etwas zum Anziehen gekauft»,sinnierte Annina zu Beginn unseres Gespräches. Von Kleidertrends ist sie eigentlich nie besonders mitgerissen worden. Sie sind zu schnelllebig und die Fast-Fashion Industrie tut der Umwelt nicht gut. Ausserdem sind teilweise heuchlerische Greenwashing Kampagnen mancher Marken zusätzlich ausschlaggebend dafür, dass sie ihre Anziehsachen nichtmehr in Kleiderläden kauft. Für Mode interessiert sich die Studentin durchaus. Mode muss allerdings nicht immer direkt vom Fliessband kommen.

Vor etwas mehr als einem Jahr hat Annina ihr erstes grosses Nähprojekt in Angriff genommen. Dabei nähte sie zum ersten Mal ein aufwendigeres Kleidungsstück von Grund auf selbst.«Ich habe schon vorher genäht. Allerdings eher Dinge repariert oder mal aus einer alten Trainerhose einige Scrunchie Haargummis gemacht. Aber mein erstes grösseres Projekt war das Kleid, das ich mir für meine Maturafeier genäht habe. Ich fand den Gedanken schön, es selbst zu machen und war ehrlich gesagt auch nicht bereit, so viel Geld für ein Kleid auszugeben, dass ich dann nur einmal trage.»

Allerdings kann hochwertiger Stoff, den man in manchen Läden kaufen kann, auch recht schnell ins Geld gehen. Teilweise kostet ein Meter um die 100 Franken, was bei einem Kleid, für das etwa 5 Meter benötigt werden, dann doch schon ein sehr hoher Preis ist. Gerade für Studentinnen oder nicht-Verdienende. Solche Stoffbahnen betrachtet Annina bisher auch nur im Schaufenster, doch irgendwann wird ihre Zeit kommen, meinte sie schmunzelnd.

«Guter Stoff und gerade solcher aus Naturfasern, der dann auch noch fair und möglichst in Europa produziert ist, hat seinen Preis. Wer sich aus einem solchen etwas nähen will und noch nicht so viel Erfahrung hat, dem empfehle ich, erstmal mit altem Vorhangstoff oder einem Bettlaken einen Probelauf – ein sogenanntes Mockup– zu starten.»

Annina hatte Glück, denn sie konnte vor einem Jahr und dann noch einmal vor einigen Wochen relativ billig eine grosse Menge an übrigen Stoffresten von Bettanzügen beziehen. Seit dem hat sie unglaublich viele Ideen für Nähprojekte und hat im vergangenen Jahr nebst dem Kleid für ihren Abschluss auch schon einige realisiert. Hosen, Oberteile, ein Morgenmantel, der Kreativität ist freien Lauf gelassen, denn Schnittmuster und Ideen hat sie definitiv genug. 

Ist es schlussendlich dein Ziel, deinen ganzen Kleiderschrank von Stoffen aus Plastikfasern zu befreien und nur noch nachhaltige oder selbstgenähte Mode zu tragen?

«Jein, denn Teile auszusortieren, bloss weil sie aus Polyester oder anderen Plastikfasern sind, erscheint mir auch unsinnig. Solange ein Teil noch nicht kaputt ist und passt, will ich es weiter benutzen. Das nachhaltigste ist, nichts neues zu kaufen.»

Plastikfasern, so erklärt die 21-Jährige, lösen sich beim Waschen und geraten meistens ungefiltert ins Grundwasser. In diesem befindet sich danach der Mikroplastik, den wir dort nicht mehr rausbekommen, was sehr problematisch ist. Dass sie also künftig auf Materialien wie Polyester verzichten will, ist durchaus verständlich. Im Folgenden verrät sie sogar einen Trick, wie man bei einem Stoff, den man verwenden möchte, ungefähr testen kann, in welche Kategorie er einzuteilen ist.

«Du kannst ein Stück des Stoffs einfach anzünden. Schmilzt es, so handelt es sich um Kunstfasern. Wenn es anfängt zu brennen und nach verbranntem Papier riecht, so ist es Baumwolle oder Leinen. Wenn es dagegen nach verbrannten Haaren riecht, ist es Seide oder Wolle» Auf die Rückfrage, wie denn verbrannte Haare riechen würden, antwortete sie mir nur grinsend: «Es stinkt.»

Zu wissen, aus welchen Fasern ein Stoff besteht ist allerdings nicht nur wichtig, wenn man Kunstfasern meiden will, sondern auch manchmal essenziell wenn es um gewisse Kleidungsstücke geht: «Letztes Jahr habe ich Satin beziehen können. Dieser Stoff ist nicht sonderlich dehnbar und eignet sich entsprechend schlecht für Oberteile, die ohne Reissverschluss über den Kopf passen sollten.» Deswegen nutzt Annina den Satin eher für Röcke oder Hosen. Jersey Stoff dagegen, der im Grunde genommen einfach ein sehr feiner und maschinell hergestellter Strick ist, sei sehr dehnbar. Damit können auch Leggins oder sogar Unterwäsche genäht werden.

Was würdest du den Tize Leserinnen und Lesern empfehlen, die sich nun angesprochen fühlen und auch anfangen möchten, Kleider selbst zu nähen?

«Du musst dich trauen und erstmal klein anfangen. Ausserdem habe ich mir sehr von einigen Youtubern inspirieren lassen. Online gibt es so viele Videos zu dem Thema. Die Leute zeigen wie sie Upcyceln, Alltagskleidung von Grund auf machen oder solche, die historische Kostüme möglichst realitätsgetreu anfertigen. Von diesen fühle ich mich momentan auch am meisten angesprochen, doch es hat für jeden etwas dabei!»

Worauf wartest du also noch? Die Youtube-Suchzeile wartet auf deinen Wissensdurst zum Thema Nähen!

Geschrieben von:

"Write it. Shoot it. Publish it. Crochet it. Sauté it. Whatever, Make!" - Joss Whedon

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