Im schönen Kanton Aargau, genauer gesagt in Lenzburg, gibt es seit einiger Zeit ein neues Amt. Dieses ist aber kein normales Amt, sondern ein ganz spezielles: Das Amt für die ganze Wahrheit. Wer es besucht, verpflichtet sich für die ganze Wahrheit und wird ein Mitstreiter im Kampf gegen die Fake News und Lügen. Oder sind Lügen etwa doch okay?
Natürlich ist das Amt für die ganze Wahrheit keine echte Behörde, denn es ist der Name, der sich das Stapferhaus im Rahmen seiner Ausstellung FAKE selbst gegeben hat. Das Stapferhaus ist bekannt als ein Ort, der immer wieder Themenausstellungen zu relevanten Themen macht. Vorgängige Ausstellungen sind beispielweise zu den Themen Heimat oder Geld entstanden. Jetzt geht es jedoch um Fakes, Lügen und Glaubwürdigkeit.
Selbsterkenntnis
Ohne zu viel zu verraten werde ich dir nun die Ausstellung ein wenig näher bringen, deswegen beginnen wir am Anfang der Ausstellung. Du kannst dir sicher sein, dich sofort persönlich angesprochen zu fühlen. Dies meine ich wortwörtlich, da der «Chefbeamte» die Besucher gleich selbst willkommen heisst. Doch seine Rede beinhaltet nicht nur hohle Worte, denn er spricht einige wichtige Fragen an, die wir alle für uns selbst beantworten müssen. Und da wir uns zur Wahrheit verpflichtet haben, müssen wir dabei ehrlich sein. Was genau unsere Entscheidungen und Antworten, die wir in einer interaktiven Weise geben können, über uns aussagen, wird nicht beurteilt. Allerdings muss dies auch gar nicht von aussen geschehen, denn die Fragen und unsere Antworten lösen in uns selbst auch schon einiges an Selbsterkenntnis aus.
Nach der Begrüssung des Chefbeamten sind wir bereit, die Ausstellung zu erkunden. Mit einer Karte zum Abstempeln, viel Neugierde und Interesse, was sich hinter all den gelben Türen befindet, geht es los. In einem Bereich, der stark an eine Poststelle erinnert, ist es einem als Besucher möglich, Lügengeschichten aller Art zu untersuchen. Die Beispiele sind derart differenziert, dass wir in einem Spektrum von nötig über lustig bis zu geht gar nicht und tödlich entscheiden müssen, wie wir diese Lüge einstufen würden.
Diese Entscheidungen und Einteilungen sind teilweise ein harter Brocken. Allesamt sind Lügen, doch würden wir selber keine davon selbst erzählen? Wir fangen selbst an uns zu fragen, ob wir manchmal lügen dürfen und ob lügen in manchen Fällen okay ist.
Eine philosophische Position
Würden wir nach den Prinzipien des berühmten Philosophen und Aufklärers Immanuel Kant leben, so wäre die Antwort nein. Egal um was es sich handelt, egal ob es klug oder schonend für beteiligte Personen ist oder sogar Leben retten kann, du sollst nie Lügen. Diesen Grundsatz formuliert er so, dass wir nur nach jenem Prinzip handeln sollen, von dem wir zugleich auch wollen können, dass es allgemeines Gesetz wird. Dies ist der sogenannte kategorische Imperativ. Zwar sind weder dieser noch der Aufklärer Immanuel Kant selbst ein Teil der Ausstellung des Stapferhauses, doch die Position ist trotzdem von äusserster Brisanz.
Dem entgegenstellen würden sich die sogenannten Utilitaristen. Ein Utilitarist ist wer tut, was der Mehrheit der Betroffenen mehr Freude als Leid zufügt. Aus dieser Sicht sind Lügen manchmal nicht nur wichtig, sondern auch notwendig. Ein Beispiel: Im zweiten Weltkrieg und im Regime des Nationalsozialismus gaben sich Juden zum Teil als nicht-jüdische, wenn nicht sogar als nationalsozialistisch eingestellte Bürger aus. Fakt ist, dass dies Lügen sind, doch hätten sie ohne diese auszusprechen überlebt und wäre dann ihr Leid nicht dasjenige gewesen, das anstelle der Freude überwogen hätte? Und die Freude, das muss hier klar gesagt werden, ist das Leben.
Abschliessend…
Wer die Ausstellung des Stapferhauses besucht, das Labor der Lügenerkennung betritt, die Abteilung für strategische Täuschung oder sich die Kommission für Glaubwürdigkeit ansieht wird sich immer bewusster, welch grosser Teil Lügen, Fälschungen und Fake News in unserem Leben haben. Auch nach deinem Besuch wirst du dir weiterhin viele Fragen stellen, da die Ausstellung definitiv etwas für unsere grauen Zellen ist. Gerade deswegen ist sie aber auch empfehlenswert. Noch bis am 24. November 2019 ist es dir möglich, in Lenzburg das Amt für die ganze Wahrheit zu besuchen. Jeweils sonntags um 11 Uhr, finden auch immer öffentliche Gratiseinführungen statt.
Worauf wartest du also noch, die Wahrheit braucht dich!