Mit 15 Jahren war für Luca* klar: Er steht auf Männer. Nun ist er 21 und seit fast zwei Jahren in einer Beziehung. Ehe für alle – Ja! Doch sich bei seinen eigenen Grosseltern outen? Unvorstellbar. Ist es richtig, ältere Personen für ihre konservativen Gedanken gegenüber Homosexualität zu verurteilen? Luca spricht Klartext!

Wie sieht für dich eine perfekte Beziehung aus?

Relativ normal und langweilig. Mir ist es unglaublich wichtig, dass man sich in einer Beziehung auf Augenhöhe trifft. Als Paar sollte man sich ergänzen und nicht voneinander abhängig sein.

Wann hast du dich geoutet?

Ich wusste schon früh, dass ich auf Männer stehe. Allerdings dauerte es, bis ich zu mir stehen und mich akzeptieren konnte. Geoutet habe ich mich das erste Mal bei einem guten Freund, von dem ich annahm, dass er ebenfalls schwul sein könnte. Daraufhin outete er sich bei mir. Ich war unglaublich froh, dass ich Jemanden hatte, mit dem ich über meine Ängste und Unsicherheiten sprechen konnte. Nach und nach erfuhren immer mehr meiner Freunde von meiner Sexualität.

Die Reaktionen waren positiv. Bei meinem Eltern habe ich mich spät geoutet, da sie eher konservativ eingestellt sind und ich Angst vor ihren Reaktionen hatte. Doch unterdessen haben es beide, meine Mutter wie auch mein Vater akzeptiert.

Bei meinen Grosseltern habe und werde ich mich nie outen.

Warum wirst du dich bei deinen Grosseltern nicht outen?

Sie würden meine Homosexualität nicht verstehen, da sie aus einer anderen Generation kommen. Ich nehme Ihnen Ihre Sichtweise nicht übel. Sie sind anders erzogen worden. Die Meinung, Homosexualität sei eine Krankheit wurde ihnen bereits als Kind eingetrichtert. Es ist schade, dass sie diesen Teil von mir nie kennenlernen werden.

Sollten nicht auch die älteren Generationen aufhören  konservativ zu denken?

Meiner Meinung nach hat es bei den älteren Generationen einfach keinen Wert mehr. Sie sind in einer völlig anderen Welt aufgewachsen. Ich verurteile die älteren Generationen nicht. Wahrscheinlich würden meine Grosseltern mir helfen wollen, um mich von dieser «Krankheit» zu befreien, weil sie sich um mein Wohl sorgten.

Spürst du Veränderungen in unserer Gesellschaft?

Ja, Veränderungen sind deutlich spürbar. Immer mehr junge Erwachsene sehen Homosexualität als etwas ganz Normales. Ich lernte auch Kinder kennen, die das Thema bereits in der Schule behandeln hatten. Auch in der Politik ist es ein sehr besprochenes Thema.

In der Gesellschaft muss sich noch einiges ändern!

Leider haben noch immer viele Personen ein Problem mit homosexuellen Personen. In letzter Zeit kam es zu einigen Übergriffen an Schwulen.

Willst du in Zukunft eine Familie gründen?

Ja, in ferner Zukunft schon, aber nicht, wenn es so bleibt, wie heute. Mein Kind soll auf keinen Fall benachteiligt sein, wenn es mit zwei Vätern aufwächst. Momentan hätte ich Angst, dass das Kind in der Schule gemobbt werden würde. Ich möchte noch warten, bis die Gesellschaft so weit ist, es zu akzeptieren und unterstützen.

Lass uns über Klischees sprechen…

Ach ja, die bekannten Klischees über Schwule. Welche Klischees hast du für mich vorbereitet?

Beginnen wir mit dem Klischee: Schwule sind feminin!

Der Gedanke, dass Schwule immer Coiffeure sind, ist völliger Schwachsinn. Es gibt keine Berufe, die ausschliesslich von Schwulen ausgeübt werden.

Im Militär spürte ich die Klischees besonders stark.

Manchmal glaube ich, dass Schwule in der Gesellschaft mehr auffallen, wie Lesben. Bei Lesben denken Homophobe Personen noch eher: «Ach ja, die kann ich schon umpolen» oder «Sie hatte einfach noch keinen Mann, der sie so richtig zum Höhepunkt getrieben hat.»

Einen schwulen besten Freund zu haben, ist ja soooo toll

Auch dieses Klischee kenne ich.  Ja, Schwule verstehen sich oftmals gut mit Frauen. Allerdings würde es mich sehr stören, wenn jemand mich als «Schwuler Bester Freund» vorstellt. Das ist ein Reduzieren auf die Sexualität, und echt nicht okay. Wieso soll man das gleich im ersten Satz erwähnen?

Es gibt auch Schwule, die sich selbst nur auf ihre Sexualität reduzieren. Gleichzeitig wollen sie von der Gesellschaft als «normal» angesehen werden. Für mich ein Widerspruch. Ich möchte hier allerdings nicht verallgemeinern.

Alle Schwule gehen in Gay-Clubs

Hier muss ich zugeben, dass diese Aussage auf mich und auch viele in meinem Freundeskreis zutrifft.  Ich fühle mich dort einfach wohler. Denn so weiss ich, dass sich die Männer, die ebenfalls dort sind, nicht gestört fühlen, wenn ich sie anspreche.

Du stehst auf Männer? Oh, dann verliebst du dich jetzt in mich…

Unangenehm hahah. Nein, natürlich ist das nicht so. Manchmal habe ich Angst, dass Leute genau dies denken, obwohl das nicht so ist. Ich laufe sicher nicht durch die Gegend und finde Gefallen an jedem vorbeigehendem Mann. Schwule stehen ja auf schwule Männer. Und Lesben auf Lesben.

Von den Klischees zurück in die Realität. Hast du Tipp für junge Menschen, die sich outen wollen?

Schaffe dir Zugang zu Informationen und Plattformen. Das hatte ich früher noch nicht. Du-bist-du.ch ist eine super Seite. Ich kann sie jedem nur empfehlen.

Vielen Dank für dieses Interview, Luca.

 

*Namen geändert


 

Was ist Du-bist-Du?

Du-bist-Du wurde von der Fachstelle für sexuelle Gesundheit Zürich ins Leben gerufen. Die Sensibilisierung von jungen Menschen steht im Vordergrund. Dies geschieht durch Peer-Beratung, Wissensvermittlung und Workshop für Fachpersonen, die mit jungen Menschen arbeiten. Mit eigenen Kampagnen werden Vorurteile und Diskriminierung gegenüber LGB+ Menschen reduziert.

Die Beratenden haben meist selbst ihr Coming-out hinter sich und wissen, welche Informationen queere Jugendliche in ihrer Selbstfindungsphase brauchen.

Luzia arbeitet als Beraterin bei Du-bist-Du. Die 22-jährige bemerkte im Alter von 19 Jahren, dass sie nicht nur auf Männer, sondern auch auf Frauen steht. Heute ist sie eine bisexuelle Frau in einer polyamoren Beziehung.

Luzia, was genau sind deine Aufgaben als Beraterin?

Als Beraterin bei Du-bist-Du bin ich eine Ansprechperson für junge Menschen, die sich im Findungsprozess ihrer Identität befinden oder Rat zu ihrem Coming-out benötigen. Man kann sich über die Du-bist-du-Website bei mir melden und ich antworte innerhalb von drei Tagen. Die Jugendliche, die mir schreiben, tun das meistens in einer emotionalen Ausnahmesituation

Ich biete dann eine Perspektive von aussen an, zeige ihnen Möglichkeiten auf und versuche ihre Selbstwirksamkeit und ihr Selbstvertrauen herauszustreichen.

Willst du mehr über LGBTIQ+ Menschen erfahren oder dich sogar für sie engagieren? Dann melde dich bei Du-bist-Du!

Geschrieben von:

Eat the Spaghetti to forgetti your regretti

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