Für die französisch- marokkanische Schriftstellerin und Journalistin Leïla Slimani ist klar: «Ich bin Marokkanerin, und in Marokko gilt für mich das muslimische Recht, egal wie mein persönliches Verhältnis zur Religion ist. «Trotzdem lässt sich die 38-Jährige nicht davon abhalten, über eines der grössten Tabuthemen Marokkos zu sprechen: Die Sexualität!
Mit ihrem Debütroman «Dans le jardin de l’ogre» hat Leïla Slimani Meinungen gespalten. Eine Marokkanerin, die eine sexsüchtige Protagonistin erschafft?
WELT-Rezensentin Mara Delius fragt sich, ob Leila Slimani vielleicht für eine «weibliche Sex-und-Gewalt-Ästhetik in der Literatur» stehen könnte. Jan Knoblauch von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vergleicht die Protagonistin mit der Romanfigur Emma Bovary von Gustave Flaubert. In der Rezension von Deutschlandfunk sticht eine Passage besonders heraus.
Die Figur ist auch Platzhalterin für Frauen einer ganzen Kultur
Miriam Zeh, Deutschlandfunk
Die, in Marokko geborene Französin macht in einigen Passagen auf die marokkanische Kultur aufmerksam. Ausserehelicher Sex ist in Marokko nämlich verboten. Artikel 490 des Strafgesetzbuches besagt, dass «… Personen des jeweils anderen Geschlechts, die nicht rechtmässig verheiratet sind und sexuelle Beziehungen pflegen, mit einem Monat bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft werden können.»
Für Leïla Slimani scheint dieser Gesetzesartikel kein Hindernis zu sein, ihr Debüt 2014 zu veröffentlichen. Auch hinderte sie nichts daran, 2017 in französischer Originalsprache die Biografie «Sexe et Mensonges» zu publizieren. 2018 erschien die deutschsprachige Ausgabe «Sex und Lügen»
In einem Interview mit Qantara.de äussert sich Slimani, dass der Autor nicht zur Verantwortung gezogen werden sollte, wenn er etwas Provokantes schreibe. Gleichzeitig sollte ein Autor wissen, dass Literatur Konsequenzen hat.
Schriftsteller sollten sich also nicht zensieren, sie sollten einfach bessere Schriftsteller werden.
Leïla Slimani im Interview mit Schayan Riaz
Mit «Sex und Lügen» entstand ein Manifest, welches Slimani als Zeichen der Solidarität zusammen mit der Filmemacherin Sonja Terrab zum Fall Raissouni verfasst hat. Anfangs 2019 wurde nämlich die marokkanische Journalistin Hajar Raissouni wegen vorehelichen Geschlechtsverkehrs und Abtreibung verurteilt.
In der Einleitung des Buches «Sex und Lügen» erinnert sich Slimani an die Auswirkung ihres Debüts «All das zu verlieren.» So berichtet sie über das Erstaunen der französischen Journalisten und der Leserreise quer durch ihr Heimatland. Bereits auf der ersten Seite konfrontiert sie den Leser mit der Aussage, dass gerade die Marokkaner und ihre Nachbaren sich in Sachen sexuellem Leid, Frustration oder Entfremdung auskennen sollten. Sie beschreibt die Protagonistin Adèle als eine etwas überspannte Metapher für die Sexualität junger Marokkanerinnen und spricht nebst Artikel 490 des Strafgesetzbuches noch folgende Artikel an.
Artikel 489: «Jede tendenziöse oder widernatürliche Handlung zwischen zwei Personen gleichen Geschlechts wird mit sechs Monaten bis drei Jahre Gefängnis bestraft.
Artikel 491: Jede verheiratete Person, die des Ehebruchs überführt wird, kann zu bis zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt werden.
Im Buch lässt Slimani andere marokkanische Frauen zu Wort kommen, die von ihrer Geschichte erzählen. Sie erzählen, wie schwierig es ist, als Frau ein erfülltes Sexleben zu führen, ohne dieses leugnen zu müssen. Viele Frauen erhalten nie eine Sexualerziehung.
Leïla Slimani nimmt kein Blatt vor den Mund und verfolgte mit «Sex und Lügen» ein klares Ziel. In einem Interview mit der Zeit erzählt sie detaillierter von ihrem Ziel:
Wir wollen Menschen helfen, aus der Kultur des Lügens und der Scham auszusteigen: Niemand soll sich schlecht fühlen, weil er Sex hat. Wir kämpfen für das Recht, selbst über den eigenen Körper zu bestimmen.
Leïla Slimani im Interview mit Juliane Frisse
Die Reaktionen waren gross. Fast 8’000 Frauen haben das Manifest unterschrieben und bekennen sich damit zu ausserehelichem Sex und Schwangerschaftsabbrüchen.
Natürlich gibt es auch Kritiker. Leïla Slimani wird von manchen Stimmen auch als islamophob bezeichnet.
Marokko ist ein Land mit vielen Traditionen und Regeln. Obwohl Slimani mit 17 Jahren nach Frankreich gezogen ist und nicht mit jedem Gesetz in Marokko einverstanden ist, schreibt sie:
Ich bin Marokkanerin, un in Marokko gilt für mich das muslimische Recht, egal wie mein persönliches Verhältnis zur Religion ist.
Leïla Slimani in «Sex und Lügen»
Du willst mehr über ihren Debütroman: Hier findest du die Rezension zu «All das zu verlieren».