Alphörner, Jodelmusik, ganz viel Rösti mit Käse, Fondue auf dem Berge, während man den Männern beim Rammeln, bzw. dem traditionellen Schwingen zusieht. Ja, schwingen. Wenn man sich so an den Hosen herumrupft und zerrt, bis der eine zu Boden geht und bitterlich weinend im Sägemehl liegen bleibt. Die genauen Regeln kenn ich nicht, aber irgendwie, wie abwegig und absurd traditionell es auch klingen mag, kommt mir dieses Klischeebild der Schweiz bekannt vor.

«Etwas, was im Hinblick auf Verhaltensweisen, Ideen, Kultur o. Ä. in der Geschichte, von Generation zu Generation entwickelt und weitergegeben wurde.»

Sagt Wikipedia zum Wortlaut Tradition. Traditionen sind einzigartig, auf aller Welt in unterschiedlichsten Arten anzutreffen und unterstützten in gewissem Sinne das vorhergehende Bild, das wir von einer Kultur haben. Traditionen reichen von weltweit bekannten Festen wie Weihnacht und Ostern, bis hin zum kantonalen Knabenschiessen in Zürich. Doch auch die internationalen Traditionen unterscheiden sich voneinander. Tize-Redakteurin Sophie, die ein Jahr in Spanien verbrachte, merkte wie dort Weihnachten kaum Beachtung geschenkt, hingegen der 6. Januar ausgiebig gefeiert wird.

Holi Festival
Das bunte Holi Festival in Indien ist fester Bestandteil deren Tradition, die sich auch bereits in der Schweiz in abgeänderter Form festgesetzt hat.

Wir können uns kaum wehren gegen Traditionen. Weihnacht ist Grund für die jährliche Familienzusammenkunft und an Ostern werden gemeinsam Eier angemalt. Alp- und Bauernkinder kommen noch stärker mit traditionellen Sportarten wie Schwingen und Hornussen in Kontakt und erleben dadurch das Schweizer Da-Sein Anfang 19. Jahrhundert.

Ganz abgesehen davon, dass wir alle während unserer Kindheit mit diversen Traditionen in Kontakt gerieten, verbinden typisch schweizerische Bräuche. Insbesondere in der Schweiz, wo die vier Landessprachen oft einen tief reichenden Röstigraben verursachen, schaffen es Traditionen diesen wieder etwas zu füllen.

Schwingen, eine aussterbende Tradition?

Ganz im Gegenteil. Laut der bekannten Seite «MySwitzerland» erfreuen sich traditionelle Sportarten wieder grösserer Beliebtheit. Das letzte Eidgenössische Schwingfest 2010 konnte einen Rekord von rund 250’000 Besucher*innen verzeichnen und wurde weltweit als grösstes Sportfest dieser Art eingestuft.

Laut der offiziellen Webseite des ESAF werden in einer Woche am diesjährigen Eidgenössischen bis zu 300’000 Menschen in Zug erwartet, die im temporär grössten Stadion der Schweiz mit rund 56’000 Plätzen, die Schwingkämpfe mitverfolgen. Auch Hornussen und Fahnenschwingen erleben ein Revival und werden noch lange nicht zu Grabe getragen, sondern sind fester Bestandteil grosser Alpenfeste.

Bild: Copyright: Eidg. Schwing- und Älplerfest 2019 Zug
Schwingen, Schweizer Tradition seit bald 150 Jahren. Ersteller: Name des Fotografen gemäss Foto

Sind wir denn überhaupt noch traditionell?

Dem Aufschwung oben genannter Sportarten und Musikgenres zu Folge, ja irgendwie schon. Aber was ist denn schon Tradition? Im Zeichen des schnellen Wandels, von multimedialen Inhalten und Globalisierung kann die Zukunft für manch eine*r grosse Unsicherheit auslösen. Die Vergangenheit hingegen ist beständig und abgeschlossen, vom Wandel verschont. Ein Grund mehr, weshalb wir uns in turbulenten Zeiten auf alt Bekanntes Rückbesinnen. Durch den starken Einbürgerungsandrang sei es aufgrund von Asylgesuchen oder der globalen Umverteilung, setzten sich Traditionen vermutlich noch stärker durch. Nicht ohne Grund stehen diese als Zeichen für eine Kultur und verbinden die Landesbewohner miteinander. Deshalb sollten sie auch beim Besuch eines anderen Landes nicht verworfen, sondern respektiert werden. Auf der Kehrseite werden durch traditionelle Gepflogenheiten automatisch Einwanderer exkludiert.

Die Vermarktung von Traditionen

Das ESAF 2019 findet nächstes Wochenende vom 23.-25. August im kleinsten Kanton der Schweiz statt. Zug, dessen Traditionen auf Briefkastenfirmen und internationalen Firmen beruhen. Der Kanton, dessen Etter-Kirsch in all möglichen Arten gebrannt wird und wo Chriesi im Frühsommer im Sturm geerntet werden, obwohl deren Tradition bloss knapp 200 Jahre alt ist. Seit bekannt wurde, dass das diesjährige Geschwinge in der Zentralschweiz ausgetragen wird, steht die Blauweiss-Flagge im Zeichen der Tradition. Bewohner schmücken ihre Fassaden und Gärten mit Edelweiss Hemdchen und von fern hört man hie und da der Klang des Alphorns. Schiebt man den zugerischen Profit-Gedanken des ESAF beiseite, könnte man tatsächlich denken, dass Schwingen seit je her fester Bestandteil der Zuger Bevölkerung war. Aus kurzem Gespräch mit älteren Generationen merkte ich jedoch, das Schwingen noch vor etwas mehr als 30 Jahren kaum erwähnt wurde und oftmals bloss als sportliches Hobby ausgeführt wurde. Trotz dem Ach-so-Internationalen-Angebot in Zug macht sich das Gewerbe das aufkeimende Interesse an der alten Schweizer Tradition zum Vorteil.

Selbst mein eigenes Umfeld mutiert zum typischen Schweizer Bünzli. Internationel rückt in den Hintergrund und 20-Jährige anerkennen die Schweizer Kultur. Wer früher Ländler verspottete, steht heute beim Trauffer-Konzert in der vordersten Reihe. Auf Facebook werden Ländlerabende mit «interessiert» markiert. Ebenso boomt das Geschäft diverser «Alpenfeste» die in der Innerschweiz meist von Bauernhöfen durchgeführt werden. Dann kann man zu aktuellen Chart Songs das Tanzbein schwingen oder in der «Kafi Stubä», bei Live-Schwyyzerörgeli-Musik «es Kafi Träsch» oder auch zwei geniessen.

Traditionen sind schön. Sie verbinden. Sie zeigen dir, dass du doch noch in der Schweiz wohnst. Obwohl du insbesondere in Zug jedes zweite Mal mit einem «Do you speak English» angesprochen wirst. Dann wirst du einen Blick auf das da hinten aufgehängt Edelweiss-Hemd werfen und beruhigst deine innere Schweizer Unruhe.

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