Ich sitze gerade auf dem Bundesplatz. Es ist Dienstag der 22. September, 14:15 und seit zwei Stunden spüre ich eine zunehmende Anspannung, die sich auf dem gesamten Platz breit macht. Eine polizeiliche Räumung ist jederzeit zu erwarten. Was passiert hier?

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Seit dem anbrechenden Montag 20. September besetzten Aktivist*innen des Klimastreiks den Bundesplatz. In Form einer «Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat», wie sie bereits seit Henry David Thoreau im 19. Jahrhundert begründete und seither in verschiedenen Formen der Bürgerrechtsbewegungen angewandt wurde, hielten sie den Platz unter laufender Herbstsession illegal besetzt. Aufgrund dieser Gesetzeswidrigkeit, hat sich die Stadtregierung dazu entschieden den Platz in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch polizeilich räumen zu lassen. Dabei gab es auch ca. 80 Verhaftungen, wovon ca. 70 schon wieder entlassen sind.

Dass sich die Bewegung zu diesem eher drastischen Mittel gezwungen sieht, lässt sich verstehen, wenn man an die Klimastreiks und deren Forderungen im letzten Jahr zurückdenkt. Denn seit diesen Demonstrationen ist der Bewegung einfach zu wenig passiert: «Die Dringlichkeit des Problems widerspiegelt sich keineswegs in den politischen Prozessen der Schweizer Politik.» schreiben sie auf ihrer Website.

Bild: Alexandra Birrer
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Die Lage wird unter legalen Mitteln, wie den Demonstrationen des letzten Jahres politisch nicht genügend ernst genommen. Dennoch schreitet die Zeit und damit auch die verbleibende Zeit in der es zu Handeln gilt zunehmend fort. Denn je länger mit konkreten Veränderungen abgewartet wird, umso drastischer werden die notwendigen Veränderungen.

Die Sichtweisen der Akteure

Die Perspektive des Problems ist hierbei klar in zunehmend polarisierte Lager zu unterteilen:

Die Klimastreikenden sehen das Problem im mangelnden Bewusstsein der Politik gegenüber der aktuellen globalen Klimapolitik. Sie fordern ein aktives Handeln der Regierung und dabei auch konkrete Ziele auf welche hingearbeitet werden muss. Diese spezifischen Forderungen spielen gemeinsam auf das Gesamtziel hin, auch in Zukunft die notwendigen Lebensgrundlagen unseres Planeten zu erhalten und zu schützen. Findet kein Handeln statt, so bewegt sich die Welt und damit auch die Schweiz, in der wir leben auf eine Klimakatastrophe zu.

Die Haltung der Regierung sieht hingegen anders aus. Aus ihrer Sicht scheint das Problem nicht die Klimakrise zu sein, sondern diejenigen Menschen, die sich für eine lebenswerte Zukunft aussprechen. Im persönlichen Gespräch mit einem Nationalrat betonte dieser stark die Möglichkeiten unserer Demokratie und dass die Illegalität dem Klimastreik mehr Wege versperre als öffne. Auch die Entscheidung des Gemeinderats den Platz räumen zu lassen ist ein Zeichen dafür, dass sie das Problem in der Anwesenheit der Klimastreikenden sehen und nicht in der Aktualität der Thematik, welche die Streikenden anprangern.

Der zivile Ungehorsam

Bild: Alexandra Birrer
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Dass die Klimastreikenden sich für die Wege des zivilen Ungehorsams entscheiden, also bewusstes Missachten von Gesetzen in Absicht eines höherwertigen Ziels, steht jedoch in vollstem Sinne einer Demokratie. Bereits in der Amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, z.B. in Form des Busboykotts der 1955 durch Rosa Parks startete und ein Jahr andauerte, zeigte sich nicht nur die Effektivität dieses politischen Instruments, sondern auch die drastischen Situationen in welchen dieses notwendig wird. Denn diese Form des Widerstands ist für alle Teilnehmenden in unterschiedlichem Ausmass unangenehm. Sowohl das Verzichten auf den Busverkehr, besonders wenn man darauf angewiesen ist, wie auch das Inkaufnehmen einer Verhaftung mit möglichem Strafregistereintrag ist alles andere als wünschenswert. Es ist stets eine Extremsituation, die Menschen zu solchen Mitteln treibt. So auch die Klimastreikenden, deren Anliegen sie dazu treibt ihre persönliche Zukunft aufs Spiel zu setzen, zugunsten der blossen Existenz einer Zukunft dieses Planeten.

Ich persönlich stimme dem Gesetz dabei zu, dass niemand für ein solches Anliegen auf eine illegale Weise aktiv werden sollte. Da es jedoch eine Realität ist, dass die Schweizer Regierung nicht genügend auf die Forderungen des Klimastreiks eingeht und sie durch eine dermassen grosse Ignoranz gegenüber der Aktualität dieser Thematik dazu treibt solche Wege zu gehen, enttäuscht mich sehr. Das Handeln unserer Schweizer Regierung ist in einem schweren Ausmass enttäuschend.

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