Die Gespräche der eintreffenden Leute hallen durch die Aula des Gymnasiums Liestal. Ich blende sie aus, während ich in Gedanken meinen Text noch einmal durchgehe – hauptsächlich, um mich von meiner Nervosität abzulenken. Schreiben kann ich ganz gut, dachte ich, als ich mich für den Poetry Slam des Gymnasiums angemeldet habe. Schliesslich investiere ich einen grossen Teil meiner freien Zeit für das Schreiben von Geschichten und Büchern. Aber das hier, merke ich jetzt, ist etwas ganz anderes.

Was ist ein Poetry Slam?

Das Konzept des Poetry Slam wurde 1986 von Marc Kelly Smith erfunden, der im «Green Mill Jazz Club» in Chicago eine Veranstaltung organisierte, bei der Dichter mit ihren Texten gegeneinander antraten. Bewertet wird das Ganze vom Publikum, meist entweder mit Punktetafeln, die an fünf Leute verteilt werden, oder durch die Lautstärke des Applaus.
Auch im deutschsprachigen Raum hielt der Poetry Slam bald Einzug. Und spätestens seit Colleen Hoovers Buch «Slammed» (Deutsch: «Weil ich Layken liebe») und der Bekanntheit von Slammern wie Julia Engelmann oder Hazel Brugger ist der Wettstreit auch hier vielen ein Begriff.
Dichter? Texte? Was für jeden vom Deutschunterricht traumatisierten Schüler staubtrocken klingen mag, ist in Wahrheit weit weg von dem, was man sich vielleicht darunter vorstellt. Die Themen der Texte – von Gesellschaftskritik über Koffein bis hin zum schreienden Jungen im Mutter-Kind-Café – sind so unterschiedlich wie die Art der Texte selbst. Ob der Text ganz in Gedichtform geschrieben ist oder eher einer Kurzgeschichte ähnelt, ist nicht wichtig. Im Vordergrund steht, ob das Vorgetragene das Publikum anspricht, ob es sie zum Lachen oder zum Nachdenken bringt. Vielleicht ist diese Form der Literatur deswegen momentan so beliebt – weil sie lebensnah ist und die Zuschauer direkt anspricht.

Regeln

Im Poetry Slam gibt es nicht viele Regeln. Je nach Veranstalter können sie ein wenig variieren, meist sind es jedoch mehr oder weniger die gleichen:
1. Der Text muss selbst geschrieben worden sein.
2. Kostüme und Requisiten sind nicht erlaubt.
3. Nicht mehr als 49,9% des Vortrags dürfen gesungen sein.
4. Es gibt ein Zeitlimit – meist sind das 6 Minuten.
5: Respektiere die Poeten – das heisst, kein Ausbuhen und keine unpassenden Kommentare.

Gewinnen – oder auch nicht

Zu gewinnen gibt es traditionellerweise meist eine Flasche Whiskey. Aber obwohl Poetry Slam ein Wettkampf ist, steht das Gewinnen nicht im Vordergrund. Man lernt Leute kennen, hört die Texte anderer und bekommt eine Bühne für das, was man selbst zu sagen hat. Für mich persönlich sind diese Dinge viel wichtiger als am Ende einen Preis mit nach Hause zu nehmen.
So ist es auch nicht schlimm, als ich die Aula des Gymnasiums an diesem Abend ohne einen der beiden Pro Innerstadt-Gutscheine, die der erste und der zweite Platz statt der traditionellen Flasche Whiskey erhalten habe, verlasse. Wieder einmal teilnehmen werde ich bestimmt.

Falls ihr euch auch einmal einen Poetry Slam Text ansehen möchtet, ist hier der Link zu einem Video von Julia Engelmann.

Aber da YouTube schlussendlich kein Ersatz ist, würde ich jedem Leser empfehlen, selbst mal bei einem Poetry Slam vorbeizuschauen, um sich ein Bild davon zu machen – vielleicht ja beim nächsten des Gymnasiums Liestal 😉

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