Quiet Quitting (stilles Aussteigen) ist die neue Norm der sogenannten Gen Z. Keine permanente Erreichbarkeit, keine Überstunden oder extra Arbeit. Nur das bare Minimum, wofür man vom Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin bezahlt wird. Die Gen Z schafft es, Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen weiter förmlich zum verzweifeln zu bringen.
Die Generation Z, also alle Menschen, die zwischen 1997 bis 2012 zur Welt gekommen sind, fordert vieles von der Arbeitswelt. Fairer Lohn, flexible Arbeitszeitgestaltung, keine lästigen All-in-Verträge, klare Trennung zwischen Arbeit und Privatleben und so weiter. Die Liste der Forderungen der Gen Z ist lang und für viele Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen ein Mysterium. Einige reden sogar von Frechheit, wie junge Menschen es wagen, bei ihren ersten Jobs und ihrem jungen Alter so viel verlangen zu wollen.
Der Arbeitsmarkt ist wohl noch nicht bereit oder offen dafür, dass junge Menschen vieles fordern. Natürlich logisch, wenn man zuvor nur Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen kannte, die regelmässige Überstunden, an Calls ausserhalb ihren Arbeitszeiten teilnahmen und an Extra-Projekten arbeiteten. Ganz anders nimmt es jetzt die Gen Z im Arbeitsalltag. Sie beginnen das sogenannte «Quiet Quitting» zu betreiben.
„Quiet Quitting“ sagt: NEIN
Ursprünglich kommt der Begriff aus den USA. Der Begriff wurde erstmalig auf dem Wirtschaftssymposium des Texas A&M im September 2009 vom Ökonomen Mark Boldger geprägt. Quiet Quitting wird jedoch schon lange vor 2009 praktiziert, wie beispielsweise im Film Office Space, der 1999 veröffentlicht wurde. Quiet Quitting erhielt jedoch in den letzten Jahren seinen richtigen Aufschwung. Im April 2021 entstand in China eine Bewegungs namens tang ping (flach liegen), welche viele gemeinsame Merkmale mit dem Quiet Quitting Konzept aufweist. Nach einem viralen TikTok-Video erfuhr das Konzept weiter an Popularitätsschub. Gemäss Gallup, ein globales Analyse- und Beratungsunternehmen, betreibt rund die Hälfte aller US-Arbeitskräfte Quiet Quitting.
Immer mehr zunehmend beschäftigt das Quiet Quitting nun auch die Arbeitswelt in der Schweiz. Das Konzept des Quiet Quitting liegt darin, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen innerhalb einer bestimmten Arbeitszeit arbeiten und nur innerhalb diesen Zeiten tätig sind. Die Idee und die Vorstellung, über das Limit hinauszugehen, Überstunden und Extra-Arbeit zu machen, die vertraglich nicht verlangt werden, wird hier verabschiedet. Das komplette Aufgeben des Jobs ist nicht direkt mit Quiet Quitting verbunden, sondern dass man genau das tut, was der Job von einem verlangt. Nicht mehr und auch nicht weniger. Im Englischsprachigen Raum spricht man oft auch von der Bezeichung «acting your wage». Konkret auf Deutsch übersetzt: Dem Lohn nach handeln/arbeiten.
Quiet Firing als Gegenstück des Quiet Quittings
Als Gegenstück des Quiet Quittings ist das Quiet Firing aufgekommen. Es bedeutet so viel wie, den Arbeitsplatz so unattraktiv zu machen, dass der Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin von selbst schliesslich kündigt. Dieses Konzept ist ein passiv-aggressiver Ansatz für das Leistungsmanagement. Anstatt einen Mitarbeiter zu konfrontieren und ihm zu kündigen oder einen Verbesserungsplan auszuarbeiten, macht der Arbeitgeber das Arbeitsumfeld für den Mitarbeiter nach und nach unerträglich, bis dieser schließlich freiwillig geht. Das Arbeitsfeld wird nicht unbedingt feindselig, aber die Arbeit wird unerfüllend und hoffnungslos, so dass die Mitarbeiter keine andere Möglichkeit sehen, als das Unternehmen zu wechseln.
Lohnt sich Quiet Quitting?
Auf den ersten Blick mag Quiet Quitting nicht problematisch erscheinen. Denn die Kernaufgaben der Arbeit werden nicht vernachlässigt – die Arbeitnehmer weigern sich nur, darüber hinauszugehen. Doch für viele Unternehmen ist eine Belegschaft, die bereit ist, über die Pflicht hinauszugehen, ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Die Realität ist, dass die meisten Aufgaben nicht vollständig in einer formalen Stellenbeschreibung oder einem Vertrag definiert werden können. Die Unternehmen sind deshalb darauf angewiesen, dass ihre Mitarbeiter bei Bedarf zusätzliche Aufgaben übernehmen. Daher ist es kaum verwunderlich, dass viele Führungskräfte auf den Trend des Quiet Quitting recht negativ reagiert haben.
Pro Argumente für Quiet Quitting
#1 Für deine Zeit genau bezahlt zu werden
Quiet Quitting ermutigt die Arbeitnehmer, ihre Arbeit aufzunehmen, die erforderlichen Aufgaben zu erledigen und dann, wenn die Feierabend-Glocke klingelt, die Sachen zu packen und zu gehen. So wird sichergestellt, dass man genau für das bezahlt wird, was von einem verlangt wird. Nicht mehr und nicht weniger. An einem freien Tag ans Telefon zu gehen oder eine E-Mail ausserhalb der Arbeitszeit zu beantworten? Ein No-Go.
#2 Mehr Zeit für sich und andere Dinge
Anstatt zusätzliche Zeit damit zu verbringen, einem Kollegen bei einer Herausforderung zu helfen oder ein oder zwei Stunden mehr zu arbeiten, fördert das Quiet Quitting die Mentalität, diese zusätzliche Zeit anderweitig zu nutzen.
Kontra Argumente für Quiet Quitting
#1 Es ist nicht für jeden möglich
Es gibt viele Berufe, die ein besonderes Mass an emotionaler Bindung, Leidenschaft und aussergewöhnlichem Engagement erfordern. Das gilt zum Beispiel für Pflegekräfte, Familienberater, Notfallhelfer, viele Angestellte an der Front und Lehrpersonen. Das Konzept, sich emotional und geistig zurückzuziehen, ist für solche Aufgaben offen gesagt nicht praktikabel. Menschen in diesen Rollen können einfach nicht nach dem Ticken einer Uhr ein- und aussteigen.
#2 Begrenzte Freude an der Arbeit
Hattest du schon einmal einen Moment erlebt bei der Arbeit, in dem du einen kleinen Schritt weiter gegangen bist, um das Ergebnis zu verbessern, und sich die Mühe wirklich gelohnt hat? Ganz gleich wie sich diese Anstrengung für dich gelohnt hat, ich wette, es war ein gutes Gefühl. Durch das Quiet Quitting wird so ein Erlebnis in der Regel nicht mehr passieren. Es fördert das Konzept, dass es akzeptabel ist, nur zu überleben, anstatt in seinem Job zu gedeihen. Ein freudloser Job, der die Menschen von Engagement und Emotionen abhält. Erledige den Job und nur den Job, hake die Kästchen ab und gehe dann zum nächsten über.
Klingt das Quiet Quitting verlockend für dich?
Solltest du bei der Arbeit an Erschöpfung oder gar an einen Burnout zusteuern, versuche zuerst, einige persönliche Grenzen zu setzen, die dir helfen können, die Kontrolle wiederzuerlangen. Es ist nicht unbedingt nötig, dass du sich emotional und geistig völlig von deiner Arbeit entfernen. Wenn du jedoch der Meinung bist, zu wenig für die geleistete Arbeit vergütet zu bekommen, wende dich an deinen Vorgesetzten, bevor du die Entscheidung triffst, «still und leise» zu kündigen.