Letztes Wochenende war ich krank. Es war furchtbar. Eigentlich hatte ich diverse Dinge geplant, stattdessen verbrachte ich mein Wochenende mehr oder weniger im Bett. Ich hasse dieses untätige Herumliegen, dieses elendigliche Warten auf Besserung. Um nicht völlig zu verzweifeln, griff ich zum nächstbesten Buch und begann zu lesen. Und dann hörte ich nicht mehr auf, bis das Buch fertig war.
Ein Henkerstreffen in München
Es handelte sich dabei um den siebten Band der Henkerstochter Saga von Oliver Pötzsch, genannt «Die Henkerstochter und der Rat der Zwölf». Darin geht es um den Schongauer Henker Jakob Kuisl, der im Februar 1672 zum Scharfrichtertreffen nach München reist. Erstmals gehört er dem Rat der Zwölf an, dem Kreis der besten Henker aus ganz Bayern. Jakob Kuisl möchte die Gelegenheit nutzen, um endlich einen Mann für seine Tochter Barbara zu finden. Er weiss aber nicht, dass Barbara ungewollt schwanger ist. Mit Vater und Tochter nach München reisen auch Barbaras Schwester Magdalena und ihr Mann Simon, der Schongauer Medicus. Letzterer hofft, seine medizinische Abhandlung über Sauberkeit und Gesundheit einem berühmten Medicus in München präsentieren zu können. Kaum kommt die Familie Kuisl dann aber in München an, geht es drunter und drüber. Eine Reihe junger Mädchen wird ermordet, eine Tat schrecklicher als die andere. Da wird gepfählt, ertränkt oder lebendig begraben. All die Morde tragen die Handschrift eines Scharfrichters. Während Jakob Kuisl die Ermittlungen aufnimmt, gerät der Rat der Zwölf immer mehr in Verdacht.
Ich will Bücher schreiben, die man wie einen guten Hamburger auf einen Happs wegputzt.
Wer der Mörder ist, verrate ich selbstverständlich nicht. Ich kann aber sagen, dass dieser historische Roman mich bis zum Schluss gefesselt hat. Immer wieder sorgen unerwartete Wendungen für neue Spannung. Oliver Pötzsch wird seinem Anspruch, Bücher zu schreiben, die man «wie einen guten Hamburger auf einen Happs wegputzt» und die «wie gutes Kino» sind, mehr als gerecht. Gerade darin besteht aber auch mein einziger Kritikpunkt. Teilweise jagen sich die Höhepunkte in derart kurzen Abständen, dass sie einzeln fast nicht mehr genügend zur Geltung kommen. Als Leser war ich so manchmal beinahe ein wenig überfordert.
Der Roman befriedigt nicht nur Krimiliebhaber, auch historisch Interessierte kommen auf ihre Rechnung. Man erfährt einiges über das Leben und das Lebensgefühl in München nach dem Dreissigjährigen Krieg. Sowohl der Überlebenskampf der Armen als auch das ausschweifende Leben des Adels finden ihren Platz. Vom psychologischen Standpunkt aus interessant ist der persönliche Bezug von Pötzsch zu seiner Henkerstochter Saga. Er stammt nämlich selbst aus der Henkersfamilie Kuisl und hat vierzehn Henkersvorfahren, von denen die meisten auch im bayerischen Schongau ihrem blutigen Handwerk nachgingen. Der Roman ist damit auch eine konstruktive Verarbeitung der eigenen Herkunft des Autors und dient laut ihm auch dazu, das Familienbild ein wenig aufzupolieren.
Auf jeden Fall ein Buch für regnerische Tage
«Die Henkerstochter und der Rat der Zwölf» ist bislang der einzige Band, den ich von der Henkerstochter Saga von Oliver Pötzsch gelesen habe. Erst bei meiner Recherche über den Roman habe ich herausgefunden, dass er der aktuell letzte Teil einer ganzen Serie ist. Er lässt sich also problemlos ohne Kenntnisse der vorausgegangenen sechs Bücher lesen. «Die Henkerstochter und der Rat der Zwölf» ist ein Buch wie ein Film, das sich perfekt eignet, um einen Krankheitstag zu überbrücken, oder das einen regnerischen Sonntag zum Erlebnis werden lässt. Ob sich aber so ein blutiger Pötzsch als Weihnachtsgeschenk eignet, ist natürlich Geschmackssache.