Man könnte meinen, dass ein Fussballspiel zwischen der serbischen und der schweizerischen Nationalmannschaft nicht wirklich für viel Zündstoff sorgen würde. Politische Konflikte gab es bisher keine und viele Serben haben in der Schweiz eine zweite Heimat gefunden. Trotzdem wird im Rahmen der diesjährigen Fussballweltmeisterschaft kein Spiel so heftig diskutiert wie dieses. Auslöser: Die Schweizer Fussballer mit kosovo-albanischem Hintergrund Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri machten beim 1:1-Ausgleich sowie beim 2:1-Siegestreffer von Shaqiri die Doppelkopfadler-Geste, ein Zeichen des albanischen Nationalstolzes.
Eine Provokation? Der Kosovo galt früher als Teil der serbischen Republik, kam nach dem Kosovokrieg unter die Verwaltung der UN und ist seit 2008 offiziell ein unabhängiger Streit. Diese Unabhängigkeit wird jedoch bis heute stark umstritten: Nur 112 von den 193 UN-Mitgliederstaaten erkennen den Kosovo als ein unabhängiges Land an. Zu den restlichen 81 Länder, welche den Kosovo weiterhin als serbisches Gebiet ansehen, gehört die serbische Republik selber. Bis heute möchte die serbische Regierung, dass das kosovarische Gebiet wieder unter ihre Macht kommt. Dieser Konflikt ist der Grund, weshalb die Spannungen zwischen Serben, Albanern und Kosovaren bis heute anhalten. Man kann die Geste der Schweizer Fussballspieler somit als eine Provokation gegenüber der serbischen Nationalmannschaft und ihren Fans verstehen. Oder auch nicht. Denn die Frage, die sich nun stellt, ist: Als wie politisch galt der Adler?
Anscheinend waren die Emotionen in diesem Moment überwältigend. Laut den Fussballspielern war der Adler weder ein politisches Statement noch eine beabsichtigte Provokation gegenüber Serbien, sondern allein ein Zeichen des Stolzes. Stolz auf ihr Land, stolz auf ihre Familie, stolz auf sich und ihre Wurzeln. Stolz auf das, was sie bis jetzt erreicht haben. Fraglich ist hingegen, weshalb der Team-Kapitän Stephan Liechtsteiner und später auch Mitspieler Manuel Akanji zu dieser Geste mitreissen liessen, wenn sie beider weder albanische noch kosovarische Wurzeln haben. Laut Liechtsteiner war sein Adlerzeichen solidarisch gemeint. Solidarität innerhalb des Teams war bei diesem Spiel wichtig: Bei Schweizer Ballbesitz war das Pfeifen und Buhen der serbischen Fans unüberhörbar. Ob dies nur daran lag, dass die serbischen Fans mit ihrer Mannschaft mitfiebern oder ob auch hier politische Aspekte eine Rolle spielten, ist wie der Adler nicht wirklich eindeutig beantwortbar. Nicht abstreiten lässt sich jedoch der Fakt, dass diese Geste bei dem 1:1-Ausgleich gegen Brasilien nicht gemacht wurde.
Doch wie angebracht ist diese Geste, unabhängig von seinem politischen Hintergrund? Für viele ist klar: Wer für die Schweiz spielt und dieses Land als Nationalspieler repräsentiert, soll jegliche Gesten unterlassen, die mit anderen Nationen zu tun haben. Wäre dies ein Spiel zwischen Albanien und Serbien gewesen, wäre diese Geste verständlich gewesen- doch bei der Schweiz? Logischerweise dürfen die Nationalspieler auf ihre Wurzeln stolz sein, obwohl sie in der Schweiz leben. Daran ist nichts falsch oder verwerflich, sondern wichtig, um sich selber zu kennen und zu akzeptieren. Und es ist auch verständlich, dass man in so grossen Momenten auch auf sein Herkunftsland stolz ist und auch sein darf. Trotzdem muss man erkennen, wann man diesen Stolz in gewissen Momenten nach aussen tragen soll und wann lieber nicht. Denn bei einem Länderspiel Schweiz gegen Serbien geht es genau um diese zwei Länder- politische Probleme zwischen anderen Nationen sollen hier keine Relevanz haben.