Johann Heinrich Pestalozzi sagte einst: «Ich brauche Sie nicht daran zu erinnern, wie wichtig die Musik ist, weil sie die höchsten Gefühle, deren der Mensch fähig ist, zu erzeugen und zu unterstützen vermag.» Diesem weisen Zitat werde ich wohlwollend zustimmen. Doch oftmals ist es heutzutage nicht mehr bloss das Lied, also das Audio an sich, welches in uns Gefühle erzeugt und unterstützt, sondern auch das Video dazu. Oder vielleicht doch nicht?
Als mich vor einigen Wochen Tize-Redakteur Lenard gefragt hat, welche Musikvideos der letzten Jahre ich ihm empfehlen würde, starrte ich ratlos auf meinen Handybildschirm. Die erste Frage, die mir durch den Kopf schoss, war: «Hast du dir in den letzten zwei Jahren überhaupt ein Musikvideo angesehen?» Dem wird zwar wohl so sein, konkret erinnern konnte ich mich allerdings nicht. Wie gewöhnlich oder eben ungewöhnlich das ist, dass mich Musikvideos in der Regel wirklich nur selten ansprechen, kann ich nicht sagen. Doch die Frage nach dem warum– Warum sehe ich mir die aufwendig produzierten Kurzfilme nicht an? – liess mich nicht mehr los.
Reicht das Kopfkino aus?
Einen Teil der «Schuld» trägt in diesem Fall wohl mein Vorstellungsvermögen. Wenn ich mir Songs anhöre, kreiert mein Gehirn meist selbst einen Film dazu. Oder besser gesagt: Mein Oberstübchen stöbert alle Schubladen durch und setzt mir einen Flickenteppich aus verschiedenen Bildern, Eindrücken und Erinnerungen vor. Lieder haben für mich Farben, sind einer Jahreszeit zuteilbar und lösen, wie Pestalozzi einst sagte, Gefühle aus. Eigentlich reicht das vollkommen als eigenes Musikvideo aus, oder?
Der verlockende Aspekt, den Musikvideos sicher haben, ist die künstlerische Umsetzung des Musikers selbst. Wenn das Video nicht von dritten, aussenstehenden Produzenten entwickelt worden ist, wiederspiegelt das Video doch den Film, der im Kopf des Künstlers abläuft, wenn er sein Lied hört. Oder aber es könnte zeigen, was den Künstler überhaupt zum schreiben seines Tracks gebracht hat. Es ist eine persönliche Note, die je nach dem dem Song auch noch mehr Tiefe geben kann. Dass dies aber längst nicht bei jedem Künstler der Fall ist, macht diesen Aspekt wieder etwas kaputt. Braucht es das Video wirklich, wenn es eigentlich nur darum geht, etwas möglichst gigantisches und spezielles zu präsentieren, um – wenn es mit der Melodie eben nicht klappt – mit dem Video in Erinnerung zu bleiben?
Dann gibt es jedoch noch Konzeptalben wie beispielweise die neuste Platte von Twenty One Pilots. Das Duo hat mit ihren neusten Projekt eben nicht nur ein Album herausgebracht, sondern auch eine fiktive Welt erschaffen, die Fans sie entdecken lassen und mit ihren Videos weitere Hinweise gegeben und Geheimnisse gelüftet. Wie viral solche Videos gehen und zu welchem Grad sie Zuschauer ansprechen können, die eben nicht wirklich in dieser fiktiven Welt drin sind, kann ich nicht sagen. Allerdings gehören solche Videos eher zu der Sorte, die ich, als chronischer Musikvideo-Nicht-Gucker mir ansehen würde.
Live Versionen > Musikvideos ?
Zwar handelt es sich bei live Mitschnitten meist nicht um das offizielle Musikvideo, doch ich muss gestehen, mir eine solche Art von Video viel lieber anzusehen. Was gibt es besser als Konzerte, auf denen dein Lieblingskünstler das Lied, welches du jeden Morgen über deine Kopfhörer direkt in deinen Kopf lässt, laut, live und ohne Anpassungen vom Tonstudio performt? Du siehst seine Emotionen, die des Publikums und hörst womöglich noch einige überraschende Änderungen, die eine live Version mit sich bringt. Und weil Konzerte leider Gottes auch nicht um sonst sind, ist eine Videoaufnahme einer live Version meiner Meinung nach einfach Gold wert.
Wie sehr und welche Musikvideos mich in der kommenden Zeit ansprechen werden, kann ich nicht sagen. Doch wer weiss, da ich mich nun etwas mit der Thematik auseinandergesetzt habe, wird das Interesse vielleicht ja doch noch geweckt..?
Und bis es soweit ist, hier eine kleine Auswahl an Musikvideos, die sogar ich mir mit Freude ansehe: