Vor Monaten bereits national angekündigt, gehen heute am 14. Juni 2019 Tausende von Frauen (und gelegentlich auch Männer) auf die Strasse, um für mehr Gleichberechtigung, mehr Ansehen und weniger Sexismus zu kämpfen. Bravo, das ist ja schön und gut. Aber brauchen wir denn noch solche Frauenstreiks? Jedenfalls sind das die Fragen, mit denen ich konfrontiert werde, wenn ich andere auf den heutigen Freitag aufmerksam mache und mich selbst in die Reihen der Streikenden eingliedere.
Frauen haben Doktortitel. Frauen sind Manager. Frauen sind in der Politik tätig und Frauen verdienen manchmal auch ganz schön viel. Ausserdem steht es Frauen frei, selbst zu entscheiden ob sie Militärdienst leisten möchten oder nicht. Frauen geht es heute also vergleichsmässig mit den 30er Jahren, als der Ehemann in den Krieg zog und das Frauchen putzte und die Kinder mit wenigen Rappen versorge, ziemlich gut. Selbstverständlich und wir dürfen uns eigentlich auch auf die Schultern klopfen, dass Frauen im 21. Jahrhundert solche Standards erleben dürfen. Na, jedenfalls in der westlichen Zivilisation. Oder etwa doch nicht?
Grundsätzlich hab ich vom Frauenstreik keine Ahnung. Und verglichen mit anderen bin ich auch «nur» eine nicht-betroffene Cis-Frau, die sich nie so richtig ungleichberechtigt gefühlt hatte. Schliesslich wuchs ich mit dem alleinerziehenden Mutter-Vorbild auf, dass ich alles erreichen kann, wenn ich es nur will – ganz egal was da zwischen den Beinen ist. Nachdem ich jedoch begann mich regelmässig für den beinahe etablierten Klimastreik einzusetzen, schien urplötzlich auch die Frage des «Sind Frauen gleichberechtigt?» überall aufzukeimen. Wobei ich mich anfing zu fragen, was Klima mit Frau und Erderwärmung mit Feminismus zu tun hat. Statt Antworten sah ich, wie Klima Streikende nebst dem Klimastreik Symbol auch die polarisierende feministische Faust mit sich herum trugen.
«Ich fühl mich nicht gleichberechtigt.», meinte letztens eine junge Frau zu meiner Mutter, auf die Frage hin, ob sie sich denn gleichberechtigt fühlt.
Die Ü50 Frauen, die ebenfalls in dem Raum waren, bejahten es wiederum. «Uns geht es doch gut.» Ist der ganze Rummel folglich bloss ein Trend, in welchem junge Aktivistinnen die Chance erkennen, endlich einmal eine vermeintlich eigene Meinung laut herauszubrüllen? Ist die Bezeichnung Feminist*in genauso platonisch wie «plantbased» und «vegan»? Mit den sogenannten «Lifestyle-Feminist*innen» hat die amerikanische Autorin Jessa Crispin bereits abgerechnet. Sie selbst gehört bestimmt nicht in diese Schublade und beteuert in ihrem 2018 erschienen Buch «Why I am not a Feminist», dass ihr alle Möchtegern emanzipierten Frauen ganz schön auf die Eierstöcke gehen.
Irgendwie hat sie ja recht, die gute Jessa. Frauenemanzipation sollte kein Lifestyle sein. Es sollte sich nicht bloss um einen gegenwärtigen Trendzug handeln, auf dem alle jungen Hipster für einige Stationen aufspringen. Feminismus ist eine Haltung, eine Hingabe, eine aufrechte Anerkennung der Probleme und Beteiligung an der Bewegung. Es ist kein Wort, das in deiner Instabio steht. Es ist auch kein Label, das jeder radikalen Dame, mit kurz geschorenem Haar angehängt werden darf und es ist definitiv auch nichts, dass nicht jeder Mann und jede Frau ernst nehmen sollte.
Schliesslich würden heute kaum zahlreiche Frauen ihren Arbeitsplatz verlassen, hätten sie nicht das dringende Bedürfnis auf gegenwärtige Missstände aufmerksam zu machen. Ausserdem müssen diese nicht bedingt am eigenen Arbeitsplatz auftreten. Solidarisches Verhalten in einer bekanntlich egomanen Gesellschaft, die sich je länger je mehr isoliert, lässt ohnehin zu wünschen übrig. Nationale oder gar internationale Streiks zeigen (nebst dem breiten Interesse an einem Problem), dass wir nach wie vor gemeinsam etwas Grosses und Aufmerksamkeit erregendes zustande bringen.
Also ja, Frauen müssen auch heute noch streiken.
Und Männer ebenso. Sei es für sich selbst, für Frauen im Nahen Osten und für die Ungleichberechtigung des männlichen Geschlechts. Schlicht und einfach gegen Ungleichberechtigung jeglicher Art. Sie alle streiken heute, so wie es auch andere Gewerkschaften tun, wenn sie sich schlecht behandelt fühlen und das ist in unserer Gesellschaft mehr als legitim und sollte keines Falls belächelt werden. Ausserdem sollten sie meiner Meinung nach insbesondere dann streiken wenn Christoph Blochers Sprössling dem wenig Wohlwollen entgegenbringt und auch dann, wenn der bekannte Milchverarbeiter Emmi vermutlich ganz sauer dabei wird.
Trotzdem sollte bei dem ganzen Aufstand aber jede*r für sich überlegen, wieso er oder sie streiken oder sich selbst gar als Feminist*in betiteln möchte. Schliesslich gibt es Papageien oder Lemminge (oder was es sonst noch für Tiere gibt, die alles einander nachäffen) bereits zu Genüge. Individuen, die mit einer lauten Stimme einschlagen, werden nicht nur ernster, sondern auch um ein vielfaches intensiver wahrgenommen. Wenngleich es gilt: umso mehr auf den Strassen umso besser.
2 Comments
Ein sehr interessanter Bericht, der das Thema einmal etwas anders beleuchtet. Ich finde es gut, dass du auch die Thematik, oder besser gesagt, die Problematik, der «Mainstream-FeministInnen» ansprichst. Ein objektiver Artikel, zu einem heissdiskutierten Thema.
Herzlichen Dank für dein Feedback, Cyrill! LG Jana