Viele Branchen spüren aufgrund Corona Veränderungen. So auch Rettungssanitäter Paolo. Er erzählt, weshalb die Pandemie seinen Berufsalltag erschwert und wie er damit umgeht.
Im Winter 2019 durfte ich die Sanität Basel-Stadt einen Tag lang begleiten. Zwei Jahre später habe ich den Rettungssanitäter Paolo noch einmal getroffen (natürlich online), um zu erfahren, wie die Corona Pandemie die Arbeit der Sanität verändert hat.
Paolo, wie hat sich deine Arbeit bei der Sanität Basel-Stadt seit Beginn der Pandemie verändert?
Es haben sich einige Facetten verändert, aber grundsätzlich kann man sagen, dass vieles anstrengender geworden ist. Einerseits hat vor allem während der zweiten Welle das Einsatzaufkommen zugenommen und andererseits wurden die Einsätze mit allem rundherum, also Reinigung, und Desinfektion, sehr viel aufwendiger. Das ist der Teil, der rein vom Arbeitsaufkommen zugenommen hat. Zudem stieg auch die psychische Belastung, weil man mit Patienten arbeitet, von denen man weiss, dass sie hoch ansteckend sind. Diese Unsicherheit, wann und ob ich mich überhaupt anstecke, war trotz guter Schutzmassnahmen spürbar.
Hat sich die Art der Einsätze (neben den zusätzlichen Corona-Einsätzen) irgendwie verändert?
Das ist rein statistisch relativ spannend zu beobachten. Zu Beginn der ersten Welle haben wir uns darauf eingestellt, dass zu den normalen Einsätzen die COVID-Einsätze hinzukommen und die fressen immer sehr viel Zeit. Allein dadurch, dass du dich umziehen und nach dem Einsatz alles desinfizieren, putzen und sonderentsorgen musst. Das dauert ca. eineinhalb bis zweimal so lange wie normalerweise. Wenn man das auf die Einsatzzahlen hochrechnet, hast du plötzlich zu wenige Mittel für das Einsatzaufkommen.
In der ersten Welle hatten wir Hilfe von der Armee, die uns mit zwei Rettungswagen, zugehörigem Personal und Material unterstützt hat. Ziemlich bald wurden dann bei uns auch noch Leute vom Zivilschutz hinzugezogen, die uns bis vor kurzem z.B. beim Retablieren der Autos geholfen haben oder Corona-Transporte für Menschen gemacht haben, die sitzend transportiert werden konnten. Das hat uns sehr entlastet. Zudem hatten wir sowohl in der ersten wie auch in der zweiten Welle zusätzliches medizinisches Fachpersonal, das uns unterstützte.
Spannend ist- Während die COVID-Zahlen angestiegen sind, gingen die anderen Einsätze start zurück. Die Notfallstation war zeitweise quasi leer, dafür gab es vermehrt COVID-Einsätze. Während der ersten Welle hatten wir also eine relativ ruhige Zeit. In der zweiten Welle sind die normalen Einsatzzahlen stetig geblieben, wie wir uns das gewohnt sind, gerade auch vor Weihnachten, aber nun kamen die Corona-Einsätze noch oben drauf. In Folge dessen hatten wir eine sehr strenge Zeit mit vielen Einsätzen, was dementsprechend auch die Belastung für das Team enorm erhöht hat.
Im Januar sind die Corona Einsatzzahlen mit den neuen Massnahmen eingebrochen. Deshalb erhielten wir keinen Zivilschutz mehr zur Unterstützung. Die Armee stand uns in der zweiten Welle überhaupt nicht zur Seite.
Logistisch gesehen ist es eine grosse Herausforderung, wenn man die Planung an die Umstände anpassen muss und sich die Umstände immer wieder ändern. Wir hatten auch schon die Situation, dass man plötzlich nur noch schwer genügend Handschuhe bestellen konnte, schlicht und einfach, weil in der Produktion der nötige Kautschuk fehlte. Oder ein anderes Beispiel sind die FFP2 Masken, die plötzlich 10 bis 15-mal so viel kosteten, wie normal. Irgendwie musst du dann trotzdem an das benötigte Material kommen und da steckt enorm viel Arbeit dahinter.
Wie geht man damit um, wenn man weiss, dass man für sein direktes Umfeld durch die Arbeit ein erhöhtes Risiko darstellt?
Klar, wir sind dieser Gefahr stärker ausgesetzt, da wir mit Patienten arbeiten, die tatsächlich Corona haben. Was aber wichtig ist und sicher dagegenhält, ist die Tatsache, dass wir sehr gut vorbereitet und geschützt sind. Unser Material und unsere Ausrüstung entsprechen einem «High End» Standard. Beim Transport weisst du, das ist ein Corona Patient, der ist bestätigt positiv. Dann trägst du die ganze Schutzausrüstung mit einem Ganzkörperanzug und allem drum und dran und das schützt dich gut. Was eher etwas Unsicherheit auslöst, sind die Patienten, die du betreust und erst im Nachhinein herausfindest, dass sie positiv waren, aber auch bei denen sind wir natürlich nicht ungeschützt.
Ausserdem hat sich bei uns sehr früh ein sogenannter COVID-Stab gebildet. Das sind Leute vom Stab, die sich über die ganzen Schutzkonzepte Gedanken gemacht und diese laufend angepasst haben, die die Materialbeschaffung veranlasst haben, die den Überblick über die betroffenen Mitarbeiter hatten, etc. Dieses ganze Organisatorium und vor allem das Wissen, dass dahinter ein ganzer Stab steht, der sich darüber Gedanken macht, hat der psychischen Belastung, die logischerweise grösser war als sonst, sehr entgegengewirkt.
Schlussendlich weiss ich nicht, wo die Ansteckungsgefahr grösser ist. Wenn du mit dem Tram fährst und keine Ahnung hast, wer vorher auf deinem Platz gesessen hat und wer vor und hinter dir sitzt oder wenn du auf einen Einsatz gehst mit einem Patienten, von dem du weisst, dass er ansteckend ist und du aber gut geschützt bist.
Du hast nun erwähnt, dass ihr bei bestätigten Corona Patienten die volle Schutzausrüstung tragt. Wie sehen die Schutzmassnahmen aus, wenn dies nicht der Fall ist?
Wir haben quasi drei Szenarien. Zuerst haben wir den «normalen» Patient, der zum Beispiel ein gebrochenes Bein hat, ohne Verdacht auf COVID. In dem Fall kommen die Schutzmassnahmen zur Anwendung, die wir auch sonst im Betrieb haben. Das heisst Masken und Handschuhe tragen und Abstand halten, soweit es möglich ist. Nach dem Einsatz wurde auch bereits vor Corona immer die Liege und das benützte Material gereinigt und jetzt wischt man halt vielleicht eine Kontaktfläche noch einmal mehr ab.
Bei Patienten mit COVID-Verdacht, die also nicht bestätigt sind, aber Symptome haben, die auf Corona hindeuten könnten, schützt du dich nach eigenem Ermessen zusätzlich mit einem Überschurz, Schutzbrille, Kopfhaube, Schuhüberzügen und FFP2 Maske. Das liegt aber auch immer in der Verantwortung jedes einzelnen Rettungssanitäters, dass man sich fragt, «wann schütze ich mich mehr oder weniger, wann gehe ich von einem COVID-Fall aus und wann nicht.».
Dann gibt es noch den dritten Fall, das ist ein bestätigter COVID-Fall, wo ein positiver Test vorliegt. Dort trägst du natürlich auch die volle Schutzausrüstung. Also Brille, Maske, Handschuhe, Überschurz, Überzieher für die Stiefel usw. und im Nachhinein wird das Auto gründlich geputzt.
Was man hier noch sagen kann, wir haben zwei Ambulanzen, die wir vollständig umgerüstet haben, zu «Iso-Mobilen». Das heisst, man hat einen Grossteil vom Material in den Schubladen herausgenommen, hat die Schubladen abgedeckt und zugeklebt; auch das Fenster zum Fahrerraum hat man abgeklebt. Man hatte also noch den Rucksack und das nötigste Material im Auto. So konnte man den Patienten vollständig versorgen, aber nach dem Einsatz hat das die Reinigung enorm erleichtert.
Ich gehe jetzt davon aus, dass der Patient mit dem
gebrochenen Bein auch eine Maske tragen muss?
Ja, was man dazu sagen muss, ist, dass sich die Schutzmassnahmen mit der
Zeit immer wieder geändert haben. Am Anfang hiess es, nur Patienten mit
COVID-Symptomen müssen eine Maske tragen, dann mussten irgendwann alle eine
Maske tragen. Also Stand heute müssen alle Patienten, sofern es medizinisch
vertretbar ist, eine Maske tragen, egal was sie haben.
Hast du erlebt, dass ein Patient sich geweigert hat eine Maske zu tragen oder ein Patient mit COVID-Verdacht mit Kritik auf die Schutzausrüstung der Sanitäter reagiert hat?
Nein, Kritik in dem Sinn habe ich nie erlebt. Was man vor allem in der ersten Welle gemerkt hat, war eine gewisse Dankbarkeit von Seiten vieler Leute, teilweise auch von solchen, die gar nicht in einen Fall involviert waren. Z.B. Dankesbriefe oder jemand hat mal mit Kreide vor unsere Tür «Danke viel Mal» geschrieben. Im Einsatz selbst kam uns von den Patienten sehr viel Verständnis entgegen. Klar, es gab auch die, z.B. stark alkoholisierte Menschen oder alte und demente Menschen, denen du natürlich auch eine Maske anziehst, aber sie wird nicht lange drauf sein. Aber im Grossen und Ganzen funktioniert es sehr gut. Man merkt auch, dass sich die Leute langsam daran gewöhnt haben und wenn man ihnen noch erklärt, dass es nicht nur zu unserem Schutz, sondern auch zu ihrem ist, dann gibt es eigentlich keine Probleme.
Zu Beginn der zweiten Welle konnte man oft beobachten und auch viel darüber lesen, dass die Wertschätzung gegenüber dem Gesundheitspersonal gesunken ist. Habt ihr das auch gemerkt?
Im Vergleich zur ersten Welle natürlich schon. In der ersten Welle hat man die erhöhte Anerkennung aber auch extrem gemerkt, mit Leuten, die geklatscht hatten, die Briefe geschrieben habe, die sogar materielle Sachen geschickt haben, usw. In der zweiten Welle ging es für uns einfach wieder zurück zur Normalität. Du hast immer die Menschen, die extrem dankbar sind, aber die explizite öffentliche Dankbarkeit war nicht mehr so spürbar.
Gibt es etwas an deiner Arbeit, wie sie jetzt ist, das du nach Corona gerne beibehalten würdest?
Phuu, schwierige Frage… Sagen wir mal so: Man hat z.B. festgestellt, dass dank den aktuellen Schutzmassnahmen die saisonale Grippe kaum stattgefunden hat. Es hat also auch in diese Richtung einen positiven Effekt. Ausserdem hat man auch bei uns gemerkt, dass die saisonal krankheitsbedingten Ausfälle viel weniger waren als in anderen Jahren. Inwiefern man die Schutzmassnahmen beibehalten sollte, ist immer ein Abwägen zwischen «wie viel ist nötig und wie viel ist sinnvoll?». Denn die Schutzausrüstung schränkt natürlich auch ein beim Arbeiten. Und das ist nicht nur der Schutzanzug, in dem man unglaublich warm hat. Sondern das ist auch eine FFP2 Maske, die du tragen musst, wenn du mit dem grossen Rucksack in den vierten Stock laufen musst oder wegen der dir die Brille beschlägt. Wie viel tatsächlich sinnvoll ist, es beizubehalten, weiss ich nicht.
Natürlich wünschen wir uns wie alle anderen auch die Normalität zurück, aber wie lange die Schutzmassnahmen noch bleiben und in welchem Ausmass, kann ich nicht beantworten.