Die Eidgenössisch-Demokratische Union, abgekürzt EDU, ist eine christliche und nationalkonservative Partei. Bei den letztjährigen Parlamentswahlen gelang ihnen nach den Wahlen 2011 und 2015 wieder der Sprung in den Nationalrat. Jedoch erreichten sie dort nur einen Sitz. In der Schweizer Politiklandschaft gilt sie also als eine Kleinpartei. Weshalb man die EDU trotzdem nicht gleich abstempeln sollte, erzählt uns EDU-Mitglied Samuel Kullmann, Berner Grossrat und Politologe.
Kullmann hat zwölf Jahre seiner Kindheit in der Mongolei gelebt. Trotzdem fing der heute 33-Jährige früh an, sich für die Schweizer Politik zu interessieren: Mit vierzehn Jahren begann er das Abstimmungsmaterial zu lesen, welches seine Mutter als Auslandschweizerin in die Mongolei geschickt bekam. Aufgrund seines Glaubens an Jesus Christus kamen für ihn am Anfang die EDU und die EVP infrage. Obwohl beide seinen weltanschaulichen Überzeugungen nahe standen, entschied er sich für die EDU. Diese sei ihm in politischen Fragen näher gestanden als die EVP.
Für welche Themen engagieren Sie sich besonders?
Mein Schwerpunktthema ist die Bekämpfung des Menschenhandels. Die Zwangsprostitution in der Schweiz ist ein sehr grosses Unrecht, welches nach wie vor in einem katastrophalen Ausmass stattfindet. Wir reden von mehreren Tausend Opfern, die unter der Ausbeutung und moderner Sklaverei hier in der Schweiz leiden müssen. Dort möchte ich mich für die Opfer einsetzen. Ein anderes wichtiges Thema von mir geht in eine ähnliche Richtung, ist aber um einiges extremer. Es geht um den Bereich ritueller Gewalt. Dort redet man von einer extremen Form der Gewalt und vom Menschenmissbrauch durch Sekten oder Zirkeln. Menschen werden hier massiv geschädigt.
Für welche Anliegen setzt sich die EDU konkret ein?
Die EDU ist keine Ein-Themen-Partei, sondern befasst sich mit vielen Themen. Man kann es mit «Für das Leben» zusammenfassen. Alles, was dem Leben dient, also dass sich der Mensch gut entfalten kann. Wir legen unseren Schwerpunkt wirklich darauf, das Leben zu schützen. Zum Beispiel bei älteren Leuten, was beispielsweise Palliativ-Pflege anbelangt aber auch beim ungeborenen Leben: Dass der Fötus in unserer Gesellschaft mehr Rechte erhält, als dies jetzt der Fall ist. Dazu kommt auch die Bekämpfung des Menschenhandels. Wir setzen uns ausserdem für eine starke Familie ein, für Werte, die unsere Gesellschaft dabei unterstützt, sich für starke Familie einzusetzen. Zum Beispiel, dass Familien eine gute Bindung zum Kind haben können. In der Wirtschaft möchten wir ein gutes Mittelmass zwischen einem Sozialstaat und einer wirtschaftsfreundlichen Schweiz finden.
Die EDU ist eine stark christliche Partei. Lässt sich das Christentum oder ein starker Glauben in Religionen allgemein, noch mit unserer Moderne vereinbaren?
Es muss sich nicht unbedingt vereinbaren lassen. Das Christentum war je nach Epoche mehr oder weniger im Gegenbild der Gesellschaft. Ganz am Anfang war dies massiv der Fall. In einigen Ländern herrscht heute noch eine relativ starke Christenverfolgung. Wir haben sicher Tendenzen, bei denen viele biblische Aussagen im Konflikt mit dem gesellschaftlichen Mainstream stehen. Dort gibt es einen gewissen Clash zwischen den Werten. Es ist aber wichtig, sich bewusst zu sein, dass alle Menschen eine bestimmte Weltanschauung und in diesem Sinne einen Glauben haben, ob dieser nun religiös ist oder zum Beispiel an sich selbst. Wir sind eine Demokratie und man sollte alle Menschen und ihr Glaube demokratisch mittragen und verteidigen können.
Laut dem Parteiprogramm setzt sich die EDU für bedrohte und verfolgte Christen sowie Juden ein. Wie sieht es beim Schutz von anderen bedrohten Religionsangehörigen aus, beispielsweise Muslime oder Jesiden?
Die EDU engagiert sich allgemein für eine starke Religionsfreiheit. Davon können alle Religionen und Glaubensrichtungen profitieren. Ganz konkret: Beim Angriff der Türkei auf die kurdischen Gebiete im Norden von Syrien, hat die EDU auch über Demonstrationen informiert und die Kurden, die Jesiden und die christliche Minderheit zu unterstützen. Das ist für uns ein sehr wichtiges Thema. Christenverfolgung thematisieren wir am meisten, aber das schliesst nicht aus, dass wir uns nicht auch für andere religiösen Minderheiten einsetzen würden.
Eine Junge EDU existiert, jedoch ist sie strukturell eher rudimentär aufgebaut. Deswegen kann man über die Mitgliederzahl der Jungpartei keine richtige Aussage machen. Trotzdem lassen sich bei der EDU junge Persönlichkeiten finden, die Themen der jüngeren Generation in die Partei bringen. Kullmann unterstützt beispielsweise einige Anliegen der Klimajugend, die mithilfe von Streiks auf die Klimakrise aufmerksam machen möchte. «Wir finden es gut, dass man diese Sache international angeht», findet er. Die Schweiz kann den Klimawandel aufgrund ihrer Grösse nicht alleine abschwächen, egal wie sehr sie sich bemühen würde. Darum sei es besonders wichtig, dass sich alle Länder an die internationalen Klimaabkommen halten. Die EDU sei auch bereit, Lenkungsabgaben auf fossile Brennstoffe zu unterstützen. Dadurch könne man auch die einheimische Energie stärker fördern. Für Kullmann ist die EDU auch sonst eine geeignete Partei für die Jugend: In der ersten Linie kommt es einfach darauf an, dass die Wertvorstellungen der EDU zu den eigenen passen.
Was empfehlen Sie Jugendlichen, die sich politisch engagieren möchten, sich aber nicht wirklich trauen?
Es gibt keine Ausbildung zum Politiker oder zur Politikerin. Darum wird man eigentlich ins kalte Wasser geworfen, wenn man sich anfängt politisch zu engagieren. Von der Themenbreite wird man zuerst sicher etwas überfordert sein, man muss aber nicht überall drauskommen. Das ist normal und gehört dazu. Irgendwo muss man auch anfangen. Ich rate, dass man sich nicht abschrecken lässt. Man kann auch kleine Schritte machen. Ich würde junge Leute dazu ermutigen, mit kleinen Schritten anzufangen, und dann kann man immer mehr und mehr machen.
tize.ch – Redakteurin Cynthia Gehrig interviewt regelmässig junge Personen aus der Politik. Alle bisherigen Interviews zum Nachlesen gibt’s hier.