In Allschwil BL wurde anfangs Dezember ein Mitarbeiter einer Kita bei einem sexuellen Übergriff auf ein Kind beobachtet und daraufhin verhaftet. Gegen ihn läuft ein Verfahren wegen sexueller Handlungen mit Kindern. Seit Ende letzter Woche ist der Fall publik, und die Wogen in der Medienlandschaft gehen hoch.

Männer unter Generalverdacht

Der «Kita-Pädo», wie ihn der Blick taufte, lässt kaum jemanden kalt. Am meisten zu Spüren bekommen dies Männer, die in der Kinderbetreuung arbeiten. Schon im Normalfall werden sie kritisch beäugt, doch nach diesem Vorfall stehen sie unter Generalverdacht. «Man sucht nun nach einem Schuldigen und findet ihn in den Männern im Allgemeinen», sagt Nadine Hoch, Geschäftsleiterin von Kibesuisse, dem Verband Kinderbetreuung Schweiz. Dies ist zwar einerseits verständlich, andererseits aber extrem problematisch. Schweizweit sind nur acht Prozent aller Mitarbeiter in der familien- und schulergänzenden Betreuung Männer. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, wie wichtig der Einfluss beider Geschlechter auf die Entwicklung der Kinder ist.

Ich kenne die Situation auch aus eigener Erfahrung. An der Schule, wo ich als Zivi arbeite, machen Männer auch nur einen sehr kleinen Teil der Mitarbeiter aus. Gerade die Jungen schätzen es sehr, wenn sie eine männliche Bezugsperson haben, mit der sie beispielsweise Fussballspielen können oder an die sie sich bei Problemen wenden dürfen. Dass ich als Mann aber extrem aufpassen muss, wie ich mich in welcher Situation benehme, wurde mir in meinen insgesamt drei Wochen Ausbildung bis zum Geht-nicht-mehr eingebläut. Mir ist zum Beispiel verboten, ein Kind länger als unbedingt nötig zu berühren, ein Kind auf meinem Schoss zu haben oder alleine mit einem Kind zu sein. Zum einen unterstütze ich diese Regelung voll und ganz, weil so eventuell problematische Situation erst gar nicht entstehen können. Zum anderen ist sie aber auch absurd, denn zu einer guten Beziehung gehört auch ein ungezwungener Umgang miteinander, und dies ist durch solche Vorschriften nur eingeschränkt möglich.

Kultur des Hinsehens und des offenen Dialogs

Was in Allschwil passiert ist, ist und bleibt natürlich ein absolutes Horrorszenario. Nach bisherigen Erkenntnissen trifft aber die Kita an sich keine Schuld. Bei der Einstellung des betroffenen Mitarbeiters im vergangenen April sei das Bewerbungsdossier nach dem Mehraugenprinzip geprüft und ein Sonderprivatauszug aus dem Strafregister eingeholt worden, sagt der Kita-Betreiber Globegarden. Dass ausgerechnet dieser Mann angestellt wurde, ist letztendlich einfach riesiges Pech. Es ist eine traurige Realität, dass egal wie hoch die Hürden bei der Anstellung und wie strikt die Regeln im Umgang mit Kindern sind, eine 100 prozentige Sicherheit nie erreicht werden kann. Wichtig ist es aber, sich in Erinnerung zu rufen, dass es sich beim Mann aus Allschwil um einen Einzelfall handelt. Wenn jetzt grundsätzlich alle in der Kinderbetreuung arbeitenden Männer als potenzielle Triebtäter abgestempelt und behandelt werden, ist das eine Tragödie. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass die Regeln und Verbote einem schon jetzt ein wenig das Gefühl geben, eine Gefahr für die Kinder darzustellen. Viel wichtiger ist es, dass wir eine Kultur des Hinsehens und der Aufklärung leben. Die grösste Chance, einen Fall wie den von Allschwil zu verhindern, haben wir durch den ständigen und offenen Dialog zwischen Kind, Erziehungsberechtigten und Mitarbeitern.

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