Katalonien ist vor allem als Touristenregion im Nordosten Spaniens, für den FC Barcelona und die Pyrenäen bekannt. Doch in den letzten Tagen und Wochen war die autonome Gemeinschaft (entspricht einem Kanton) mit ihrer Hauptstadt Barcelona nicht etwa wegen den Mittelmeerstränden oder einem Tor Messis in den Medien. Ganz Katalonien wurde und wird auch immer noch durch schwere Unruhen und Krawalle erschüttert. Grund dafür ist ein Gerichtsurteil des obersten Spanischen Gerichtshofs, der zahlreiche Anführer der Unabhängigkeitsbewegung zu bis zu 13 Jahren Haft verurteilt hat. Die Mehrheit der katalanischen Bevölkerung reagiert auf dieses Urteil mit Unverständnis und grossen Protesten.
Ein Blick auf die Unabhängigkeitsbemühungen Kataloniens:
Historischer Hintergrund
Im 12. Jahrhundert entstand aus dem Königreich Aragonien und den Ländern der Grafen von Barcelona (Urgell, Cerdanya, Barcelona und Girona = zusammen: «Kataonien») ein Staatenbund, der unter dem Namen «Krone von Aragonien» bekannt wurde. Mitte des 15. Jahrhunderts heiratete der Erbe der Krone von Aragonien (und somit auch Katalonien) die Erbin von Kastilien, die zusammen als die katholischen Könige bekannt wurden. Die Vereinigung der beiden Königreiche führte 1516 zur Entstehung des Königreichs Spanien, wobei Katalonien innenpolitisch aber weiterhin eigenständig blieb.
Bereits im 17. Jahrhundert versuchte Katalonien seine vollkommene Eigenständigkeit zu erreichen. Was Portugal 1640 mit der Unabhängigkeit von Spanien gelang, endete für Katalonien jedoch damit, dass Katalanische Gebiete nördlich der Pyrenäen an Frankreich abgegeben werden mussten, während der restliche Teil der Region als Teil des Spanischen Königreichs verblieb.
Anfang des 18. Jahrhunderts kam es zum «Spanischen Erbfolgekrieg», wobei sich die Mehrheit der Katalanen für den Habsburger Erzherzog Karl aussprachen, der sich mit dem Bourbonen Phillipp von Anjou um den Spanischen Thron stritt. Philipp V., der von Kastilien unterstützt wurde, gewann jedoch den Krieg und bestrafte die Katalanen durch die Aufhebung sämtlicher katalanischer Rechte und das Verbot der katalanischen Sprache. Das Gebiet von Katalonien wurde von Kastilien annektiert.
Nach dem Sturz der Spanischen Monarchie 1932 gewann Katalonien für kurze Zeit seine Autonomie wieder zurück, jedoch nur bis der Diktator Franco nach dem Spanischen Bürgerkrieg 1939 an die Macht kam. Dieser lies die katalanische Sprache wieder verbieten und die dortige Kultur wurde brutal unterdrückt. Erst 1977 erlangte Katalonien zuerst eine provisorische Autonomie und wurde später dann zur «autonomen Region Katalonien» erklärt. Heute hat Katalonien ein eigenes Parlament, das die vier Provinzen Barcelona, Tarragona, Lleida und Girona verwaltet und seit 2006 darf sich Katalonien in seiner eigenen Verfassung Nation nennen, was aber nur symbolische Bedeutung hat. Katalonien sieht sich wegen der eigenen Sprache und dem eigenen historischen und kulturellen Hintergrund jedoch tatsächlich als eigenen Nationen.
Das Unabhängigkeitsreferendum von 2017
2010 stürzte Spanien in eine Finanzkrise, wobei viele nationalistische katalanische Politiker die Regierung in Madrid als Ursache für die hohe Verschuldung der wirtschaftsstarken Region Katalonien sahen. Dies ist sicher auch ein Grund, weshalb sich 2014 bei einer inoffiziellen Volksbefragung (eine Abstimmung wäre verfassungswidrig gewesen) über 80% der Katalanen für die Unabhängigkeit Kataloniens aussprachen, wobei ca. ein Drittel der wahlberechtigten Katalanen an der Befragung teilnahmen.
Im September 2015 kam es in Katalonien zur vorgezogenen Neuwahl der Regionalregierung, wobei die Befürworter der Unabhängigkeit im Parlament auf 48 % kamen und somit knapp an der Mehrheit vorbei schlitterten. Im Januar 2016 wurde der Bürgermeister von Girona, Charles Puigdemont, zum Ministerpräsidenten von Katalonien gewählt. Sein grösstes Wahlversprechen war ein Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens, welches er am 1. Oktober 2017 mit der Durchführung des Referendums und am 10. Oktober 2017 mit der Unterzeichnung einer Unabhängigkeitsdeklaration einlöste.
Das Referendum sei laut der Spanischen Regierung illegal gewesen, weswegen sie am 21. Oktober 2017 die katalonische Regionalregierung entmachtete und Neuwahlen ankündigte, woraufhin die entmachtete Regionalregierung am 27. Oktober 2017 Katalonien zur unabhängigen Republik erklärte. Die Spanische Regierung betrachtete dies als nicht rechtskräftig, setzte die Regionalregierung ab und löste das Katalanische Parlament auf.
Puigdemont setzte sich daraufhin ins Ausland ab und er und zahlreiche Anführer der Katalanischen Unabhängigkeitsbewegung wurden von der Spanischen Regierung wegen «Aufruhrs» angeklagt.
Das Hick-Hack um Kataloniens Unabhängigkeit geht weiter
Und nun, im Oktober 2019, sind also die Urteile für die angeklagten Politiker gefällt worden. Zwischen 9 und 13 Jahren Gefängnis warten auf die ehemaligen Regierungsmitglieder. Doch für Katalonien ist das nur ein weiteres Kapitel auf dem Weg zur Abspaltung von Spanien, denn auch der 2017 neugewählte Ministerpräsident Quinn Torra hält weiter an den Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens fest.
Das letzte Wort in dieser Geschichte ist also noch lange nicht gefallen.