Über den Lohn zu sprechen gilt in der Schweiz als Tabuthema: In einigen Firmen ist es den Mitarbeitern vertraglich sogar verboten, über ihr Einkommen zu sprechen. Ein Grund mag sicherlich sein, dass Lohndiskussionen unter Kollegen in vielen Fällen zu Beschwerden bei der Geschäftsleitung führen. So ist es für viele unverständlich, weshalb der Arbeitskollege mehr verdient als man selber, obwohl beide dieselbe Stelle haben. Vor allem der sogenannte «Gender Pay Gap» stellt in der heutigen Zeit der feministischen Bewegung ein Problem dar. So kommt es oft vor, dass Frauen bei gleicher Stellung bis zu 16 Prozent weniger Lohn pro Stunde erhalten als ihre männlichen Mitarbeiter. Als Gründe werden angeblicher Kompetenzmangel oder aufwendige Umstrukturierungen bei einem Mutterschaftsurlaub genannt. Um gegen diese starke Lohndifferenz vorzugehen, verlangen einige Politiker eine Lohntransparenz innerhalb der Firmen.
Ein realistisches Szenario?
Ziel ist es, dass man alle Löhne offenlegen kann, um diese vergleichen und fair gestalten zu können. Ermöglicht wird dadurch auch die direkte Nachfrage bezüglich des Lohns der anderen beim Arbeitgeber. Solch eine Regelung gibt es schon seit längerem in Norwegen, in Deutschland wird dies nun auch bald eingeführt. Ob in der Schweiz so ein Gesetz Sinn machen würde? Hierbei scheiden sich die Geister: Befürworter sehen hier klar eine Chance zur Beendigung von Lohndiskriminierung innerhalb des Arbeitsplatz. So wäre es einer Frau möglich, den Lohn ihres männliches Pendants einzusehen und dadurch einen fairen Lohn auszuhandeln. Dies ist natürlich nicht nur für das weibliche Geschlecht vom Vorteil, auch andere können somit herausfinden, ob sie im Gegensatz zu ihren Mitarbeitern unterbezahlt sind.
Jedoch stellt genau das für viele ein Problem dar: Durch die Lohntransparenz kann jemand, der dieselbe Anstellung hat aber laut dem Arbeitgeber viel mehr leistet, keinen höheren Lohn als sein Kollege erhalten. Der Arbeitgeber hat immer noch die Möglichkeit, den Lohnunterschied zu rechtfertigen, wobei gleichzeitig die Gefahr einer richterlichen Auseinandersetzung erhöht werden könnte. Was erstaunlich ist: Arbeiter, die weniger verdienen, sind vermehrt gegen die Lohntransparenz, obwohl diese dadurch mehr Lohn erhalten könnten. Als realistische Lösung könnte die Lohntransparenz dienen- in Norwegen gab es beispielsweise meist positive Rückmeldungen. Doch in der Schweiz könnte dies problematisch sein- über seinen Lohn zu schweigen wird bei uns zu sehr praktiziert, um von allen plötzlich eine totale Transparenz zu verlangen.
Lohnsystemtransparenz- eine Alternative
Deshalb wird als mögliche Alternative die Lohnsystemtransparenz vorgeschlagen. Hierbei soll sich der Arbeitnehmer informieren können, wie sich sein Lohn zusammensetzt. Dabei sollen auch Kriterien zur Lohnänderung besprochen werden. Systeme zur Leistungseinschätzung oder Stellenbewertung werden dafür genutzt. Ob dies eine bessere Lösung als die Lohntransparenz ist, ist diskutierbar. Letzten Endes kann man bei allen Vorschlägen nicht zu hundert Prozent davon ausgehen, dass sie Lohndiskriminierungen aus der Welt schaffen- jedoch sind sie ein guter Anfang.