Sie sind überall. Sie sind immer auf dem neusten Stand und wahre „Trendsetter“. Ja sie haben sogar ihre eigene Sprache entwickelt. Wörter wie cool sind jetzt out und man verständigt sich eher mit Sätzen wie: „Holy shit das ist ja lit af.“ Wir schreiben das Jahr 2019 und wir sind umgeben von der heutigen Jugend.

Kassetten und Snapchat

Rein theoretisch würde ich selber auch zu der heutigen Jugend zählen, doch hiervon grenze ich mich klar ab. Nicht, weil ich irgendwie das Gefühl habe, dass ich etwas Besseres sei, nein, viel mehr, weil ich einfach den Durchblick verloren habe. Meine Kolleginnen und ich zählen uns zu einer gewissen Zwischengeneration. Dieses Konstrukt lässt sich anhand von zwei Begriffen einfach erklären, Kassetten und Snapchat. Die heutigen Jugendlichen werden nie in den Genuss kommen, mit dem Bleistift das Kassettenband auszurollen. Parallel dazu habe ich die Mission, meinen Eltern das Prinzip von Snapchat zu erklären, komplett abgebrochen. Wir befinden uns irgendwo zwischen diesen Generationen. Denn als Kind waren Kassetten das heutige Spotify und Fotoalben das heutige Snapchat. Doch im Gegensatz zu unseren Eltern können wir mit den neuen Trends umgehen (auch wenn ich sie nicht alle nachvollziehen kann). Somit sind wir nicht zu jung für Kassetten, aber auch nicht zu alt für Snapchat. Hiermit taufe ich unsere Generation auf den Namen: Intermediates.

Eine andere Welt

Da ich seelisch rund 78 Jahre alt bin, verstehe ich viele Trends nicht mehr. Vor ca. 4 Jahren war ich ständig darauf fixiert, jede Neuheit mitzuerleben. Ob es die neusten Musikvideos oder Schuhe waren, ich wusste ständig, was gerade im Internet kursiert. Doch nun kann ich ehrlich sagen, dass ich nicht den geringsten Plan habe was gerade „im Trend“ ist. Klar beschäftige ich mich mit den Nachrichten oder Social Media, trotzdem ziehen die meisten Dinge, welche gerade IN sind, an mir vorbei. Plötzlich hampeln alle Kinder genau gleich in der Gegend rum und imitieren die sogenannten Fortnite-Dances. Ob Instagram oder am Bahnhof, dieser Tanz verbreitete sich wie ein Virus. Als Intermediate bin ich jedoch gegen solche ansteckenden Krankheiten geimpft.

Nostalgie

Trotzdem kann man nicht sagen, dass die heutige Jugend allgemein nichts taugt, denn sie wachsen einfach in einer anderen Welt auf. Sie werden schon früh mit ganz neuen Möglichkeiten und Technologien konfrontiert. Mein Stilbewusstsein wäre auch anders gewesen, wenn ich schon von früh das Leben von irgendwelchen Promis mitverfolgt hätte. Doch mein Kleidergeschmack war nicht voll hip, sondern mehr so eine Mischung aus den wilden Kerlen und Lilliane Susewind. Meine Zukunftswünsche orientierten sich nicht an Influencern, sondern am legendären „Führwehrmah Sämi“. Ich baute Hütten im Wald oder ganze Traumwelten aus Decken und Kissen im Zimmer. Kein Make up oder Snapchatfilter, die Einzige, die sich ändern konnten, wie sie wollten, war die Familie Barbapapa. Doch die Möglichkeiten der heutigen Kinder und Jugendlichen sind unbegrenzter als je zuvor. Natürlich finde ich es schade, dass heute viele Kinder lieber in ein Handy starren, anstatt nach draussen zu gehen und Sandkuchen zu verkaufen. Aber hätte ich diese Möglichkeiten als Kind auch gehabt, hätte mich die online Welt sicherlich auch in den Bann gezogen. Ich glaube nicht, dass wir die ganzen Jugendlichen von heute in eine Schublade stecken dürfen. Nur weil Einzelne eine Schlägerei wegen eines Memes anzetteln, heisst es nicht, dass die ganze Generation hoffnungslos verloren ist.

Lerneffekt

Trotzdem bin ich immer wieder froh, dass ich ein solches Kind der heutigen Jugend unter dem gleichen Dach habe. Wenn ich zum Beispiel irgendein technisches Problem habe, renne ich als Erstes zu meinem jüngeren Bruder. Ich frage ihn auch nach seinem Instagram – geschulten Auge, was meine Filterwahl betrifft. Naja, auch wenn diese Kenntnisse nicht besonders viel in einem Bewerbungsschreiben hergeben, sind sie im Jahre 2019 ein kooperativer Vorteil. Sind wir ehrlich, meine Waldhütten hätten auch keine Architektin aus mir gemacht. Meine Sandkuchen wären ziemlich sicher einer Lebensmittelkontrolle zum Opfer gefallen. Meine roten Hosen kombiniert mit meinem violetten „Fasi“ und den schwarzen Crocs hätten sicherlich keinen Wettbewerb gewonnen. Somit kann ich nicht sagen, dass früher alles besser war. Früher war einfach alles anders. Heute haben Jugendliche andere Interessen und andere Formen sich auszudrücken. Anders ist nicht schlecht. Anders ist einfach gewöhnungsbedürftig.

 

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