Was ich denn da am Auge gemacht habe, fragen mich alle, die mich mit meinem Augenverband in der letzten Zeit gesehen haben. Eine Mischung aus Fahrradfahren, Pech und einem winzig kleinen Metallstückchen, das in meinem Auge stecken blieb, antworte ich.  Eigentlich ziemlich unspektakulär. Vor allem im Vergleich zu dem, was passiert ist, bevor wirklich der Augenverband meine eine Gesichtshälfte zu zieren begann.

Wir alle kennen die Wartezeiten, bevor der Doktor für einen Zeit hat. Wir werden ins Wartezimmer beordert, warten dort, schauen immer wieder auf die Uhr und müssen jedes Mal feststellen, dass nur knapp drei Viertel, einer ganzen ewig wirkenden Minute, vergangen sind. Wer in diesen Momenten keine interessante Lektüre oder einen leeren Akku hat, läuft schnell Gefahr, sich zu langweilen. Jedoch nicht, wenn man in eine Situation gerät, wie ich letzten Donnerstag:

Die Klinik war leer, die Putzfrauen bereits am Aufräumen und ich die einzige im Wartezimmer, nachdem ich das Protokoll für meinen notfallmässigen Aufenthalt in der Augenklinik ausgefüllt habe. Passiert ist mir nichts Schlimmes, doch ruhig zu Hause sitzen konnte ich mit meinem Metallstückchen im Auge dann doch nicht. Dieses Schicksal des Fremdkörpers im Auge, erlitt jedoch nicht nur ich.

Zwar war die Tür zum gegenüberliegenden Behandlungsraum verschlossen, doch die Wände schienen so dünn, wie Pappkarton. Ich verstand jedes Wort der energisch sprechenden Ärztin: „Ihr Patient musste sich einen Fremdkörper im Auge entfernen lassen“, kündigte sie an. Dann war es einige Momente still, bevor die Stimme erklärte, dass sich bereits Rost abgelagert habe.

Ich schlucke und sehe mich unbehaglich um. Rost im Auge? Ob sich dieser bei mir auch schon entwickelt hatte? Und ob es nicht schmerzhaft werden würde, diesen zu entfernen?

„Es sei wichtig!“, fuhr die Ärztin fort, dass der Rost sofort entfernt würde! Einleuchtend, denke ich mir, doch warum erzählt sie das alles in diesem strengen, fast vorwerfenden Ton? Der arme Patient hinter der Türe konnte doch wohl so wenig für seinen Fremdkörper im Auge wie ich? Schliesslich holte man sich einen solchen nicht aus Spass. Doch die folgenden Sätze brachten Licht ins Dunkle meiner Überlegungen:

„Ich hoffe Sie sehen das Problem dabei, dass sie nun drei Mal ihren Termin verpasst haben und schlussendlich nun einfach im Notfall auftauchen. Da draussen im Wartezimmer müssen nun womöglich Menschen warten, die sich mit einem Messer verletzt haben, während Sie hier sitzen. Ich mache diesen Notfalldienst nun schon die ganze Woche, doch bedenken Sie, dass ich morgen normal weiterarbeiten muss!“, schalt sie die Person, die sich mit ihr hinter den weissen Wänden verbarg.

Menschen, die sich mit einem Messer verletzt haben, wiederhole ich in meinem Kopf, womöglich müssten die wohl auch warten, wenn ich selbst dann da drinsitzen würde. Dann wäreichdie blockierende Patientin auf dem Stuhl, die die energische Frau Doktor vom Feierabend abhalten würde. Ein schlechtes Gefühl überkam mich. Hätte ich überhaupt in den Notfall gemusst oder habe ich überreagiert? Vielleicht war ich ja kein bisschen besser als der Mann, der nun schon drei Termine verpasst hat?

Doch jetzt sass ich auch bereits hier und angemeldet war ich ebenfalls schon. Ich konnte mich wohl für den Moment nur damit trösten, nicht dreimal einen vereinbarten Termin verpasst zu haben. Auch, wenn es mich durchaus wundernahm, wie jemand dies bewerkstelligen konnte.

Dementsprechend wurde eben dieser termin-vergessliche Patient auch argwöhnisch von mir beäugt, als er das Behandlungszimmer verliess und ich als nächste aufgerufen wurde. Eigentlich sieht der gar nicht aus wie einer, der dreimal nicht zu einem Termin erscheint, dachte ich, als ich das Wartezimmer, hoffentlich für die ganze Nacht lang, menschenleer zurückliess. Was wohl seine Gründe waren?

Diese Frage rückte jedoch sehr schnell in den Hintergrund, als mir klar wurde, dass sowohl Rost, als auch Dringlichkeit in meinem Falle vorhanden waren. Und so galt mein Fokus fortan der Pinzette, die nun den Fremdkörper aus meinen Augen entfernen sollte. Na dann mal los, dachte ich, wenn auch mit etwas gemischten Gefühlen.

Wenigstens, so überlegte ich, hätte ich am nächsten Tag einiges zu erzählen und war schon bei meinem ersten Termin erschienen, um Metallstück und Rost entfernen zu lassen.

Geschrieben von:

"Write it. Shoot it. Publish it. Crochet it. Sauté it. Whatever, Make!" - Joss Whedon

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